CANCER BATS

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Für die wahren Fans

Mit der unkonventionellen Veröffentlichung ihres neuen Albums „The Spark That Moves“ ohne jegliche Promotion haben die Kanadier CANCER BATS einen ordentlichen Coup gelandet. Dass Vorfreude doch nicht immer die schönste Freude sein muss und eine Single-Veröffentlichung nicht immer das gesamte Album repräsentiert, erklärt Sänger und Frohnatur Liam Cormier im Zuge der Jubiläumstour zum heimlichen Erfolgsalbum „Hail Destroyer“ von 2008 in Köln. Natürlich steht auch die Frage im Raum, wie es mit dem neuen eigenen Label in Zukunft weitergehen soll und wie man sich das Leben in Kanada am besten vorzustellen hat.

Liam, mit der plötzlichen Veröffentlichung eures fünften Albums „The Spark That Moves“ habt ihr tatsächlich jeden überrascht. Hat sich eure Strategie im Nachhinein ausgezahlt?


Die Idee hinter dieser doch eher unkonventionellen Vorgehensweise war, dass wir unsere neue Platte als Ganzes veröffentlichen wollten, ohne vorher eine Single auswählen zu müssen. Es war unglaublich spannend, die ganze Sache über so lange Zeit „geheim“ zu halten. Den Leuten, die immer wieder mit der Frage nach neuen Songs auf uns zukamen, konnten wir nur sagen, dass wir etwas planen würden. Seit unserer letzten Platte „Searching For Zero“ sind ja mittlerweile auch schon drei Jahre vergangen. Viel Zeit, in denen ein paar Leute schon angefangen haben, mit den Füßen zu scharren und uns mit der Bitte um neue Songs in den Ohren zu liegen. Für diese Leute haben wir die elf neuen Tracks auch geschrieben. Es gibt kaum irgendwelche krassen Experimente. „The Spark That Moves“ vereint all unsere Stärken, egal ob Thrash- oder Punkrock-Hardcore. Es ist von allem etwas dabei. Und dass wir die ganze Promotion nicht über einen langen Zeitraum hingezogen haben, sondern mit einem Knall da waren, hat sich bis jetzt als richtige Entscheidung herausgestellt.

War es von vornherein euer Anspruch, eine Platte für eure langjährigen Fans zu schreiben, oder stand gar mal eine neue Selbstausrichtung zur Debatte?

Wir sind selber Fans unserer Musik. Wenn wir zusammen daran arbeiten, steht das gute Gefühl im Vordergrund. Anders als bei unseren bisherigen Veröffentlichungen sind die Songs dieses Mal nicht alle direkt im Proberaum entstanden. Das ist der Tatsache geschuldet, dass wir uns zum Teil quer über Kanada verteilt haben, weil jeder von uns auch außerhalb der Band bestimmte Prioritäten in seinem Leben hat. Ich betreibe mit Treadwell Clothing ein Klamottenlabel, die anderen haben zum Teil Familien gegründet, die ihnen natürlich wichtiger sind als eine Hardcore-Band. Manchmal sind Songideen aus Handyaufnahmen entstanden, die ich und unser Bassist Jaye uns hin- und hergeschickt haben, bis wir daraus einen fertigen Song gemacht haben. So konnten wir auch direkt Situationen verarbeiten, in denen wir uns gerade befanden oder die uns beschäftigt haben. Man könnte also sagen, dass „The Spark That Moves“ eine sehr direkte und authentische Platte geworden ist. Alle Songs fügen sich am Ende zu einer, wie ich finde, abwechslungsreichen Mischung zusammen, die den anderen Platten in keiner Weise nachstehen muss. Im Gegenteil: Die Platte klingt verdammt nach uns.

Gibt es dennoch einen Song auf „The Spark That Moves“, den du als Einstieg empfehlen würdest und der vielleicht besonders repräsentativ für die Platte ist?

Das möchte ich den Leuten, die sich mit der Platte beschäftigen, nicht vorwegnehmen. Jeder empfindet Musik ja anders. Vielleicht gefällt dir ausgerechnet heute ein Metal-Song besser als ein Hardcore-Song. Morgen kann das schon wieder ganz anders sein. Das Album ist so vielseitig, dass ich keinen einzelnen Track hervorheben möchte. Wenn wir uns eine Platte von CONVERGE anhören würden, hätten wir beide vielleicht sogar unterschiedliche Favoriten, welcher der „beste“ Song ist. Man kann „The Spark That Moves“ ja jetzt überall im Internet hören und sich selbst eine Meinung bilden.

Da ihr zu jedem der elf Songs ein eigenes Video veröffentlicht habt, besteht darüber hinaus sogar die Chance, sich die Platte bei YouTube komplett „anzugucken“. Was steckte hinter dieser Idee und welches Video liegt euch hier speziell am Herzen?

Jedes Video erzählt die Geschichte, die hinter dem Song steckt. Es ist quasi eine Anleitung, wie man die jeweiligen Tracks verstehen könnte. Darüber hinaus wollten wir noch einen weiteren künstlerischen Aspekt mit einbringen. Durch das Visualisieren eines Songs nehmen wir die Musik schließlich ganz anders war. Wir müssen uns ja jetzt auch ein bisschen mehr darauf konzentrieren. Hören und gleichzeitig schauen, das machen wir ja nicht mal nebenbei beim Autofahren. Es war ein neuer Ansatz, den wir hier mal ausprobieren wollten. Die Künstler und Menschen, die in den Videos mitspielen oder sie gedreht haben, brachten auch noch ihre eigenen Ideen ein. Alles hat sich ganz toll entwickelt, zum Beispiel auch für die Kids, die wir im Video zu „Brightest day“ begleitet haben. Hier wird der Tagesablauf im Ndinawe’s North End Art Centre gezeigt, in dem wir früher auch abgehangen haben. Es ist schön zu sehen, dass es immer noch Leute gibt, die sich gerne für andere einsetzen. Wenn wir als Band, die vielleicht auch ein paar internationale Fans hat, auf diese Menschen aufmerksam machen können, ist es das Mindeste, was wir tun sollten. Und ganz nebenbei haben auch die Kids in dem Video etwas, worauf sie stolz sind. Sie haben jetzt schon öfter gefragt, wie viele Klicks der Track hat. Wir werden übrigens jeden Cent, der über die YouTube-Videos reinkommt, an das Jugendzentrum spenden.

Das Video zu „Gatekeeper“ erinnert an einen alten „He-Man“-Comic aus den Achtzigern und sticht etwas aus der Reihe heraus. Was steckt dahinter?

„Gatekeeper“ ist eine Zusammenarbeit mit Stevie Gee, von dem ich lange Jahre ein großer Fan war und der unter anderem Grafiken für Deus, Vans und andere große Firmen macht. Er ist ein fantastischer Künstler, von dem wir zu Hause auch ein riesengroßes Gemälde hängen haben – lange bevor es zu dieser Kooperation gekommen ist. Ich habe ihn vor ein paar Jahren mal bei Instagram angeschrieben, um ihm mitzuteilen, dass ich seine Arbeiten bewundere. Das war kurz vor einer Show in London, die fast um die Ecke von seiner Wohnung stattfand. Wir kamen ins Gespräch, ich lud ihn zum Konzert ein und seitdem sind wir in Kontakt. Das Video zu „Gatekeeper“ hat er fast umsonst gezeichnet, verglichen mit den Gagen, die er sonst verdient. Es lag ihm aber am Herzen, etwas mit unserer Musik zu machen und etwas zu CANCER BATS beizutragen. Das finde ich immer noch so verdammt cool, dass es mir regelmäßig ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Welches der zwei Videos beschreibt das Leben in Kanada besser: „Headwound“ oder „Can’t sleep“?

Eigentlich beschreiben alle Videos und Songs, in denen Menschen agieren, ihren eigenen Teil von Kanada ganz gut. Egal ob das Kleinstadtleben in Winnipeg, das turbulente Großstadtleben in Toronto oder das vermeintlich eintönige Leben auf dem Land – Kanada ist einfach riesengroß und vielseitig. Das lässt sich schlecht in einem einzigen Video verallgemeinern.

Lass uns über die Anniversary-Tour zur Veröffentlichung von „Hail Destroyer“ 2008 sprechen: Wieso habt ihr euch dazu entschieden, obwohl ihr parallel dazu eine neue Platte herausbringt?

Die Idee zu dieser Tour bestand, ehrlich gesagt, schon bevor wir „The Spark That Moves“ aufgenommen haben. Ein paar der Songs von „Hail Destroyer“ haben wir noch nie live gespielt, obwohl sie viele Leute gerne mal hören wollten. Dazu sollten jetzt alle die Chance haben. Darüber hinaus ist es auch die Platte, die uns vieles erst ermöglichte. Es macht immer noch Spaß, die Songs zu spielen und sie mit den Leuten zu feiern, die uns zum Teil ja schon echt lange unterstützen. Natürlich werden wir auch viele neue Songs spielen. Die Reaktionen darauf waren bis jetzt erfreulicherweise auch durchweg positiv.

„The Spark That Moves“ wird in Amerika als erste Platte auf eurem eigenen Label Bat Skull Records erscheinen. Habt ihr vor, in Zukunft noch andere Bands zu veröffentlichen?

Da wir vor kurzem erst die Rechte an unseren alten Platten erhalten haben, werden wir uns jetzt erst mal auf sie konzentrieren. Vielleicht veröffentlichen wir ein paar Vinyl-Versionen, die es bis jetzt noch nicht gab. Witzig wäre es auch, ein paar Seven-Inches von befreundeten Bands rauszubringen. Wir werden sehen. Im Moment ist alles super neu und aufregend, und das, obwohl wir ja jetzt als Band schon einige Jahre auf dem Buckel haben.