BUBONIX

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Eine kredibile Märchenstunde

Wenn eine Band über 13 Jahre zusammenspielt, kann man davon ausgehen, dass die Mitglieder es mit ihrer Musik ernst meinen. Die BUBONIX nehmen ihre Musik ernst, genauso tun sie es mit den Texten und auch sonst allem, was das Leben als Musiker - in einer nicht gerade übermäßig erfolgreichen Band - mit sich bringt. Die Losung heißt D.I.Y. - und das ist im Fall der Limburger mehr als nur eine hohle Phrase. Selber machen und selbst reflektieren erlauben aber auch eine andere Sichtweise auf Dinge wie Relevanz oder Erfolg. Mit "Please Devil, Send Me Golden Hair" könnten sich die Dinge für Thorsten Polomski (Gesang), Oliver Kunz (Bass), Sarah De Castro (Gitarre), Hermann Weier (Schlagzeug), Markus Klees (Gitarre) und(Nenad Grbavac (Gitarre) ändern. Die BUBONIX wagen einen Blick über den Tellerrand der Hardcore-Szene und veröffentlichen ein Album, das bei aller Eingängigkeit an keiner Stelle den nötigen Biss vermissen lässt.

Wie würdet ihr eure momentane Situation beschreiben?


Wir haben endlich eine neue Platte im Gepäck, die wir auch live präsentieren werden, und darauf freuen wir uns riesig. Die ganze Entwicklung bis "Please Devil, Send Me Golden Hair" hat sehr viel Zeit und Energie in Anspruch genommen, was auch dazu führte, dass wir weniger Shows spielen konnten. Normalerweise bräuchten wir jetzt alle eine Kur an der Nordsee oder einen Urlaub im Schwarzwald. Es ist schon eine Menge Arbeit, die wir da in die Platte gesteckt haben. Auf der anderen Seite hat uns Arne von Nois-O-Lution an allen Ecken und Enden geholfen und ist uns auch menschlich total ans Herz gewachsen und aus unserer Familie nicht mehr wegzudenken. Danke für die weltmeisterliche Zusammenarbeit! Richtig wohl fühlen wir uns auch mit Amadis, die jetzt das Booking für uns übernommen haben. An diesem kurzen Abriss sieht man schon, was alles so in den letzten Monaten passiert ist. Am wichtigsten für uns ist jedoch, dass wir als Band noch enger zusammengewachsen sind und nach über 13 Jahren jetzt endgültig jeder von jedem weiß, wer beim Träumen in der Nase bohrt, wer beim Sushi essen nur an Fußball denkt oder wer seinen Kaffee gegen die Uhrzeigerrichtung umrührt und dabei Lieder von Seefahrern summt.


Ihr erhaltet eine Menge Aufmerksamkeit. Seid ihr misstrauisch, wenn ihr jetzt irgendwo abgefeiert werdet, wo ihr vorher noch mit Nichtbeachtung bestraft worden seid?

Na ja, wir springen da wie immer ins kalte Wasser und lassen uns überraschen. Das war vorher auch nicht anders, wenn wir das erste Mal in einer uns unbekannten Location spielten. Wir freuen uns, immer neue Orte kennen zu lernen, ob es gut oder schlecht wird, ist eine andere Sache, aber wir sind Optimisten und in der Vergangenheit auch immer dafür belohnt worden. Die angesprochene "Nichtbeachtung" resultierte ja wahrscheinlich aus dem Nichtkennen der Gruppe, so dass wir da auch gegen niemanden misstrauisch sein können, der jetzt unser Album gut findet.


Auf "Please Devil ..." befinden sich unglaublich eingängige Momente. Wolltet oder konntet ihr so etwas auf den vorigen Veröffentlichungen nicht?

Das hängt wohl damit zusammen, dass wir auch teilweise ziemlich eingängige Musik hören und das spiegelt sich im Songwriting wider. Es sind auch situationsbedingte Momente, wo Text und Musik zusammen passen; manchmal sind diese dann eher melodischer und eingängiger oder hart und core. Auf den vorigen Releases hatten wir noch ganz andere Stimmungen in uns. "Please Devil ..." ist textlich und musikalisch ein kleiner Ausschnitt aus unserem turbulenten Leben, einfach ein Ausdruck der BUBONIX, der sich immer weiter entwickelt, da viel passiert.


Wie bewahrt man sich über 13 Jahre die Unschuld, solche Musik zu machen? Oder würdet ihr euch eher als eine abgeklärte Band bezeichnen?

BUBONIX ist auf keinen Fall eine abgeklärte Band, da passiert musikalisch und textlich immer wieder was Neues. Wenn wir es wären, gäbe es uns wahrscheinlich schon längst nicht mehr, denn die Lust am Musik machen, sich darüber auszudrücken, mit Freunden touren hält uns zusammen und ist auch ein Stück Familie für uns. Ob es für andere toll ist oder nicht, zählt in dem Moment nicht, wir machen neue Erfahrungen und Entwicklungen durch. So kommen auch immer wieder neue Instrumente hinzu, die zur Stimmung der Songs beitragen und sich nicht im Gitarrengewitter verlieren. Wir werden das Rad nicht neu erfinden und wollen uns auch niemandem beweisen, werden es nicht allen recht machen, die Geschmäcker sind auch verschieden - was auch gut ist. Aber für uns zählt in erster Linie, dass wir damit zufrieden sind.


Wie kriegt man, das, was in den Köpfen von sechs Bandmitgliedern so vor sich geht, unter einen Hut?

Kommunikation hat Priorität, denn eine Band ist auch eine Beziehung, die nur so gepflegt werden kann. Wir sprechen oft über verschiedene Themen in der Band, genauso auch in Bezug auf unsere Texte. Es wird da schon öfter mal ein Plenum gehalten. In der Kennenlernphase einer Band ist es anfangs immer schwierig sich voranzutasten, aber wir machen das jetzt schon seit einiger Zeit und jede/r weiß mittlerweile, worauf sie/er Lust hat, und so wird das dann gemacht. Genauso ist das Vertrauen der anderen auch beim Songwriting da; einer Person fällt ein Song ein und sie weiß ungefähr, was die anderen dazu spielen werden. Es ist auch wichtig, über die Stimmung des Textes mit seinem Inhalt zu sprechen, damit sich alle damit identifizieren können und sich auf eine Stimmung einlassen können.


Über was für Themen wird innerhalb der Band am häufigsten und leidenschaftlichsten gestritten?

Gute Frage. Also, fußballerisch sind wir so ziemlich einer Meinung und favorisieren in erster Linie norddeutsche Vereine. So ist es wohl auch mit musikalischen, politischen, wirtschaftlichen oder kulinarischen Fragen. Da kann jede/r die Gedanken und Gefühle des anderen von den Lippen ablesen. Am leidenschaftlichsten sind wir mit Sicherheit auf der Bühne. Hier kommen dann die ganzen Emotionen raus, seien sie nun positivem oder negativem Ursprungs, und werden im Rahmen der Show zu einer energiereichen Party mit allen Beteiligten verwandelt.


Ist es für euch eher von Vor- oder Nachteil, dass ein großer Teil der Musik im Dunstkreis der HC/Punk-Szene im Endeffekt auf sehr konservative Weise funktioniert?

Ja, das ist teilweise sehr schade, wenn eine Szene nach einem Dogma funktioniert und sich im Kreis dreht, nix Neues zulässt. Deshalb haben wir zum Beispiel bei dem Song "Kaputt und weiter" einen Part mit einer Sampler-Bassline, die von einem Glockenspiel unterstützt wird. Dieser Oldschool-HC-Song ist nichts Neues vom Spielen und der Struktur her, aber nur wenige Bands in dem Genre oder der Szene springen über ihren eigenen konservativen Schatten und benutzen mal andere Elemente. Das ist doch keine Szene, wir scheißen auf so ein Gehabe! Wir sind ein Teil von vielen Szenen, es kommt uns auf einen gemeinsamen menschlichen Spirit an und somit fallen dann auch Barrieren und Dogmen. Dann predigen sie Unity und schließen aber andere aus, weil der Style oder das musikalische Umfeld nicht stimmen. Ausgrenzung nennt man so was und das passiert leider zu oft in der "so toleranten" linken Szene, sehr schade - be open minded!


Glaubt ihr, dass eine Band, die inhaltlich etwas zu sagen hat, automatisch auf ein Publikum trifft, das auch zuhören will?

Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Leute uns Mails wegen unserer Texte schreiben oder uns auf Konzerten deswegen ansprechen, aber wir verteilen auch Texthefte für umsonst, da ist auch alles nachzulesen. Es ist toll, dass auf der letzten Tour so gut wie kein Textheft auf dem Boden oder dem Müll gelandet ist und die Leute sich das mitgenommen haben. Da ist wohl schon ein gewisses Textinteresse vorhanden. Auf den Shows gibt es aber auch von uns aus eine klare Absage an Tough-Guy-Proleten, die Leute umhauen und auf andere keine Rücksicht nehmen. Aber zum Glück kommt das nur ganz selten vor. Im Gegenteil, während einer Show und auch bei der anschließenden Party oder einfach nur in der Küche der WG, die die Pennplätze zu Verfügung stellt, kommt es sofort zu Gesprächen über alle Götter und die Welt. Wenn man also alle Theorie beiseite lässt und die Erfahrungen der letzten Jahre reflektiert, denke ich schon, dass die Leute inhaltliches Interesse haben. Außerdem ist es ja auch so, dass das eine das andere bedingt.


Ihr kommt aus Limburg. Stimmt es, dass die Stadt mal die höchste Verbrechensrate in Deutschland hatte? Wie würdet ihr den Einfluss eurer Umgebung auf Musik beziehungsweise Inhalt bezeichnen?

Ja, das war wohl mal so prozentual in irgendeiner Statistik dargestellt. Wir kommen halt aus der Bronx Deutschlands, hartes Pflaster, brennende Tonnen, Schießereien, schlimmer als der Kiez, und der Käse stinkt zum Himmel, hahaha ... Wir haben uns da immer für Verbrechen, wie aggressive und laute Musik mit kritischen Texten, oder irgendwelchen Aktionen für Menschlichkeit interessiert!


Menschen, die behaupten, sie würden nichts bereuen, sind in der Regel dumm oder aber Lügner. Trotzdem: Welchen Fehler in eurer Geschichte würdet ihr allein aufgrund des Spaßfaktors wiederholen?

So richtig hart war die Fahrt von Hamburg nach Stuttgart während der SPERMBIRDS-Tour. Das waren nicht nur schlappe 700 Kilometer mit Stau, 30 Grad im Schatten, einem Zwischenstopp in Hanau, vorübergehend verlorenen Bandmitgliedern und circa 12 Stunden Fahrt, nein, diese Fahrt verlief nach einem Off-day, den wir bis kurz vor der Abfahrt in St. Pauli verbracht haben, wobei nur der Fahrer einige Stunden im Bett war. Die Fahrt war ja schon mal das Grauen, aber wer abends auf St. Pauli feiern kann, kann ja bekanntlich nach dem Eintreffen in Stuttgart direkt auf die Bühne und eine mitreißende Show voller Elan und Esprit spielen. Das war hart, aber auf jeden Fall einer Wiederholung wert! Hinzu kommt noch, dass wir die Auftritte mit der Kult-Band des deutschen Punk-Hardcore spielen durften und dabei klasse Menschen kennen gelernt haben, die jetzt Freunde geworden sind. Ein ganz großes Danke, auch wenn er es nicht hören will, an Roger von den SPERMBIRDS, der uns während der ganzen Entwicklung von "Please Devil ..." unterstützt hat.