BUBONIX

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Hardcore aus der Baumwolltasche

Zugegeben, in drei von vier Fällen geht es nicht nur nach hinten los, wenn Bands musikalisch neue Standards setzen wollen, es geht einem vor allem ziemlich auf den Keks. Es ist zu bezweifeln, dass Innovation erzwungen werden kann, besonders dann wenn sie auch von Menschen verstanden werden soll, die das Wort "Musikhochschule" nicht mal buchstabieren können. Natürlich wäre es unfair, den BUBONIX ein Publikum in die Schuhe zu schieben, das sich selbige nicht alleine zubinden kann, aber gerade auf den Konzerten der Limburger wird klar, wie wichtig der Aspekt Spaß im Hardcore ist. Wie die Band das alles selber sieht, könnt ihr im folgenden Interview nachlesen.


Im April erschien auf Nois-O-Lution eure neue Platte "Capsaicin". Was ist bis dahin alles passiert?

Wir haben letztes Jahr viel getourt, wobei wir die Herbsttour leider wegen Saras Kreuzbandriss und T10s Erkältung mit Schüttelfrostattacken abbrechen mussten. Ansonsten hatte Sara nach einem Autounfall noch einen Schlüsselbeinbruch und wird in Zukunft von uns nur noch in Samt und Seide gepackt. Die meisten Dates holen wir gerade nach. Zwischendurch haben wir dann an den Songs für die neue Platte gearbeitet. Eigentlich wollten wir die Songs im Ultramarinos Studio bei Santi Garcia in Sant Feliu an der Costa Brava aufnehmen, aber aus zeitlichen Gründen und der bereits erprobten guten Zusammenarbeit mit Kurt Ebelhäuser wegen haben wir uns dann gerne erneut für das Studio 45 in Koblenz entschieden. Zudem waren wieder Marcel von der Weiden, Sascha Hoffmann, unser Live-Mixer, und Ole Fries von PROFESSION REPORTER mit an Bord, so dass die ganze Platte wieder eine richtig schöne Familienangelegenheit geworden ist. Ein weiteres Highlight war die Veröffentlichung der Split-7" mit AMEN 81 aus Nürnberg, worüber wir uns so richtig den Arsch abfreuen! Wir kennen die Jungs seit Jahren und wir haben schon einige Male versucht, eine Platte zusammen zu machen. Und das haben wir dann Ende 2007 auch zustande gebracht. Und was die Jungs aber nicht wissen, ist, dass sie uns wirklich musikalisch, textlich und vor allem menschlich geprägt haben. Das ist Hardcore-Punk, der über den Tellerrand einer Szene hinausschaut.

Die wenigstens Bands - auch nicht solche, die von der Musik leben können - schaffen es, ihre Alben mit einem so geringen zeitlichen Abstand zu veröffentlichen. Wie viele Stunden hat ein Tag für Mitglieder der BUBONIX eigentlich?

Unendlich viele Stunden hat ein Tag eines BUBONIX-Mitglieds, so dass wir genügend Zeit haben, um uns neben unserer Arbeit und Familie auch dem Songwriting und Proben zu widmen. Es ist zwar schwer, alles unter einen Hut zu bringen, aber letzten Endes ist die Band ein Stück unseres Alltagslebens geworden, alle Prozesse sind miteinander vernetzt. Natürlich sind unsere Tage sehr ausgefüllt und anstrengend, wenn man aber die Musik und den damit verbundenen Lebensstil wirklich lebt und dahinter steht, kann man das alles bewältigen.

"Please Devil, Send Me Golden Hair", war die erste Veröffentlichung, bei der ihr mit einem Label zusammengearbeitet habt. Seid so gut und zieht ein Fazit.

Fakt ist, dass "Please Devil, Send Me Golden Hair" zwar das erste Release ist, durch das wir bekannter geworden sind, aber in der Vergangenheit hatten wir schon andere Veröffentlichungen bei Fiction Friction, jetzt 2nd Records, Unter Schafen und Matula, die sehr gute Arbeit geleistet haben. Bei Matula erschien, wie schon erwähnt, auch erst kürzlich die BUBONIX/AMEN81-Split-7". Arne hat mit Nois-O-Lution natürlich durch die jahrelange harte Arbeit und Beständigkeit seines Labels ganz andere Möglichkeiten, die wir vorher nicht hatten. Seine Bandbreite ist auch weiter gefächert als die vieler Labels, in deren Genre die BUBONIX ihre Wurzeln haben. Arne wie auch unsere Booking-Agentur Amadis stehen hinter uns und wir hinter ihnen und so läuft alles Hand in Hand. Das Tolle ist, dass wir uns immer noch frei entwickeln dürfen und in unseren musikalischen/textlichen Möglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Im Gegenteil, wir haben neue Bands kennen gelernt, in neuen Clubs gespielt und neue Menschen getroffen, zu denen wir vorher weniger Zugang hatten.

Die neue Platte heißt "Capsaicin", gibt es außer der Tatsache, dass ihr wahrscheinlich alle gern scharf esst, noch weitere Gründe für die Titelwahl?

Wir beziehen "Capsaicin" auf den chemischen Wirkstoff, der neben seiner Schärfe auch betäubend wirkt. "Capsaicin" ist ein Tagtraum, der teilweise düster und verschwommen daher kommt, aber trotzdem immer wieder in das wahre Leben prallt, klar und sehr scharf, wie ein Rausch. "Capsaicin" ist auch die logische Weiterführung von "Please Devil, Send Me Golden Hair". In der Vergangenheit haben wir meistens konventionelle musikalische Elemente verwendet. Was sich auf dem letzten Album schon angedeutet hat, kommt auf der neuen Platte deutlicher zum Vorschein. Die Platte ist zwar vordergründig rockiger und cooler, doch sind Songs wie "Amato opera", "Anchor" oder "Miscalculation" schon sehr experimentell für den klassischen Punk/Hardcore-Hörer. Außerdem ist das ein Tributtitel für Bassist Olei, der großer RED HOT CHILI PEPPERS-Fan ist. Ein weiterer Grund für "Capsaicin" liegt darin, dass die Texte auf dem Album sehr persönlich sind. Sie handeln von ungeklärten, aber abgeschlossenen Erfahrungen, Hoffnungen, einer positiven Einstellung gegenüber neuen Wegen und Entwicklungen. Die Texte haben auch eine gewisse Geradlinigkeit und Schärfe, die mit szenetypischen "Dogmen" abschließen. Früher haben wir unsere Lyrics teilweise plakativ und mit einer verkürzten Kritik vorgetragen. Auf "Capsaicin" zeigen wir, dass wir in erster Linie Spaß an der Musik haben, am Singen und Musizieren, ohne uns Szenegrenzen zu setzen.

Wo liegen die Vor- und Nachteile von deutschen beziehungsweise englischen Texten? Immerhin verwendet ihr beide Sprachen.

Wir achten da nicht so genau drauf, ob die Lyrics jetzt auf Deutsch oder Englisch vorgetragen werden. Denn es hängt immer von der Stimmung eines Songs ab und was uns so im Kopf herumschwirrt. Es ist die Situation, das Leben, aus welchem er sich entwickelt. Es hört sich schon sehr unorganisiert und planlos an, aber das Gefühl sagt uns hierbei: "Es kommt eben, wie es kommt." Auf der anderen Seite haben wir viele Freunde im Ausland, die englische Texte schneller verstehen, und hinter englischen Texten kann man sich auch leichter verstecken, wenn es um heikle Themen geht. Deutsche Texte hingegen können geradliniger sein, wenn man will, oder aber auch so zugemüllt werden mit Metaphern und Redewendungen, dass man gar nichts mehr versteht - höchstens noch Germanistikstudenten. Da wir aber das ganze Für und Wider nicht abwägen und uns auf unser Gefühl verlassen, gibt es somit keine Diskussionen zu dieser Frage. Wichtig hierbei ist uns lediglich die Aussage in Verbindung mit der Musik! Deshalb gibt es auf unseren Konzerten auch immer Texthefte, sowie den Verweis auf unsere Website, wo man die Lyrics nachlesen kann.

Gibt es Momente, in denen die Artenvielfalt eurer Musik euch auf den Keks geht oder gar überfordert?

Na ja, Frank Zappa, WEEN oder MR. BUNGLE besitzen eine große Artenvielfalt und sind Meister in dem, was sie da konstruieren. Da gleicht kein Song dem anderem und bewegt sich keinesfalls nur in dem Konsensbereich einer musikalischen Szene. Deshalb befinden wir uns mit unserer Kompositionen noch am Anfang des Pfads der Entdeckungen in der Wunderwelt des Songwritings und der Musik. Machen wir uns hier nix vor, für szeneunbedarfte Hörer sind wir jetzt keine Free-Jazzer oder Elektro-Freaks, sondern eine Rockband! Aber wir sind keinesfalls musikalisch engstirnige Personen und wir hören das, worauf wir Lust haben, sei es Drum'n'Bass, Techno-, Jazz oder Klassik. Aber es ist schon wahr, dass wir den reinen Punk und Hardcore hinter uns gelassen haben und Rock, Indie, Pop, Swing, Punk oder HC miteinander verbinden und gerne ein bisschen Elektro oder gar einen Geigenbogen auf der Gitarre, wie bei "Anchor", miteinfließen lassen. Ich finde aber, "Capsaicin" ist melodiöser denn je und hat großartige Refrains mit fantastischen Vocals. Hieran haben wir auch sehr intensiv gearbeitet und bewusst neue Wege beschritten.

Eure Band ist zu einem Sechstel weiblich, und damit liegt ihr damit noch weit über dem Durchschnitt der Punk/HC/Wasauchimmer-Szene. Wie seht ihr das Thema?

Ja, das stimmt. Sara ist weiblich und somit haben wir einen gewissen femininen Anteil. Und es mag auch sein, dass wir weit über dem Durchschnitt der Punk/HC/Wasauchimmer-Szene liegen, aber wir fühlen uns einem dogmatischen Szenegehabe sowieso nicht zugehörig. Und es ist auch ein indiskutables Thema, oder wirst du gefragt, wie das ist, mit Frauen auf der Welt zu sein?

Wie fühlt es sich an, mit einer Band konsequent größer zu werden, während sich ein Großteil der Musikindustrie über die eigene Rückläufigkeit beklagt?

Das macht wohl unsere jahrelange Beständigkeit, die uns und die Songs reifer und dadurch auch bekannter machen. Wir bewegen uns auch nur am Rande des großen Musikbusiness, was uns auch reicht. Auf der anderen Seite hat sich die Musikindustrie in den letzten 20 Jahren mit ihren eigenen Regeln und Innovationen selbst geschlagen. Musik kann man zwar vermarkten, sie hat aber immer noch viel mit Gefühlen und persönlicher und sozialer Einstellung zu tun. Und während die Branche sich über schlechte Zahlen beklagt, können wir und eine Reihe andere Bands immer noch neue Platten rausbringen und zudem "wirtschaftlich" unrentable Produkte verkaufen. Will sagen, dass wir gerade unser Merchandiseprogramm umstellen und Textilien aus Biobaumwolle, CO2-reduziert und fairem Handel verkaufen, mittels EarthPositive! Biologische und ethische Standards am Anfang der EarthPositive-Lieferkette, die die Emission von Treibhausgasen, so weit es geht, eliminiert: durch schadstoffarmen biologischen Anbau und durch weitestgehende Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf der Produktionsebene. Die Klamotten könnt ihr dann bei unseren Konzerten holen oder direkt via Lo-Fi Merchandise in Köln bestellen. Das ist Business, das ist sexy!