Mit „Miasma“, „Inner Marshland“ und „Bevis Through The Looking Glass“ veröffentlichte Nick Saloman, dessen musikalisches Alter Ego THE BEVIS FROND sind, 1987 in einem Jahr gleich drei Klassikeralben. Diese Werke, deren Sound Saloman einst als von Jimi Hendrix, den BYRDS und den WIPERS gleichermaßen beeinflusst beschrieb, sind bis heute die Blaupause jedes weiteren BF-Albums. Bis 2004 erschienen in beinahe jährlichem Abstand 21 Studioalben, doch seit „Hit Squad“ von 2004 war es ruhig geworden um den mal ganz allein, mal mit Band arbeitenden Meister wundervoll psychedelischer Klänge, weit jenseits ekliger Räucherstäbchen-Romantik. Mit „The Leaving Of London“ erschien Ende 2011 nun doch endlich wieder ein neues Album des Multi-Instrumentalisten, gefolgt von einer Deutschlandtour im Januar.
Ich bin verhältnismäßig spät auf THE BEVIS FROND aufmerksam geworden, also wahrhaftig kein Fan der ersten Stunde. Im Urlaub 1994 habe ich den ehemaligen CAMEL-Schlagzeuger Andy Ward kennen gelernt, der mir erzählte, er komme demnächst nach Köln, mit eben diesen BEVIS FROND. Das Konzert hat mich in jeder Hinsicht begeistert und weil Andy noch einige Jahre als ihr Schlagzeuger fungierte, dürfte es die Band sein, die ich am häufigsten live gesehen habe. Über diese Jahre hat sich daher auch so was wie eine Fan-Freundschaft mit dem Rest der Band ergeben. Seinerzeit war daher logischerweise mein erstes Interview fürs Ox eines mit Nick Saloman und Bassist Adrian Shaw. Anlässlich des neuen Albums und der ersten Deutschlandtour nach etlichen Jahren war es also höchste Zeit, mit Nick noch mal über den Stand der Dinge zu sprechen. Weil dies im Rahmen der Tour etwas zu umständlich geworden wäre, habe ich Nick die Fragen per Mail zukommen lassen und keine Stunde später bereits die Antworten auf meinem Rechner gehabt. Übrigens, auch wenn es keine offizielle Webseite von THE BEVIS FROND gibt, so hat man dennoch die Möglichkeit auf Bandcamp sämtliche Alben der Band umsonst anzuhören und für wenig Geld auch als Download zu erwerben. Dies ist besonders interessant, weil Nick dort auch die mittlerweile vergriffenen Platten online gestellt hat.
Nick, zwischen deinem letzten Album „Hit Squad‘‘ und dem neuen Album „The Leaving Of London“ sind sieben Jahre vergangen. Das ist von daher ungewöhnlich, als dass du davor in sehr konstanten Abständen eigentlich jedes Jahr ein neues Album veröffentlicht hast, die meisten davon waren sogar Doppel-LPs. Was war der Grund für diese lange Pause?
Eigentlich hat das schon 2004 begonnen, gerade als ich „Hit Squad“ rausgebracht hatte. Obwohl ich mit dem Album sehr zufrieden war, hatte ich diese ganze Routine gleichzeitig ein bisschen satt. Ich schrieb Songs, brachte ein Album raus, ging danach auf Tour, ich fand, dass dieser gesamte Prozess irgendwie verbraucht war. Also entschied ich mich, eine Pause einzulegen, einfach um mal wieder die Batterien aufzuladen. Weißt du, ich fühlte mich so, als wäre ich nicht mehr richtig drin in dieser ganzen Sache, und dass deswegen auf jeden Fall auch die Musik darunter leiden würde. Außerdem hatte meine Mutter, die schon über Achtzig war, Krebs im Endstadium. Ich bin ihr einziges Kind gewesen, also habe ich auch viel Zeit damit verbracht, mich um sie zu kümmern. Im Jahr 2007 ist sie dann gestorben. Danach ist meine Frau, die seit 33 Jahren an einer Schule in East London unterrichtet hat, in den Ruhestand gegangen und wir haben dann schließlich entschieden, aus London wegzuziehen. In unserem neuen Zuhause war es dann wesentlich angenehmer, wieder neue Songs zu schreiben. Es hat also alles nur etwas länger gedauert, als ich selbst geplant hatte.
Mir kam es immer so vor, als wäre deine Beziehung zu London und im Besonderen zu deinem Stadtviertel Walthamstow recht eng. In vielen deiner Texte oder auch Albumtiteln finden sich Anspielungen auf deine Umgebung. Was bedeutet dir so was?
Wenn ich Material zusammenstelle, denke ich immer, dass es hilfreich ist, eine Art Beziehungsgerüst zu haben, zu dem ich selbst Bezug habe. Die Songs müssen nicht zwangsläufig mit mir zu tun haben, oder mit der Art und Weise, wie ich selbst denke und fühle, aber der Kontext sollte einer sein, den ich wirklich verstehe, dann ist die Wirkung wesentlich kraftvoller. Das macht alles etwas wahrhaftiger.
Du bist jetzt Ende 50. Du hattest auf deinem Album „Sprawl“ von 1994 einen Song namens „41 years“ mit der Textzeile „never get old, just older“. Was heißt es für dich, älter zu werden, sowohl als Musiker als auch als Privatperson?
Um ehrlich zu sein, so richtig tangiert mich das alles gar nicht. Ich finde es sogar ein bisschen merkwürdig und auch lustig, dass ich bald 60 werden soll. Ich fühle mich nicht so. Ich spiele immer noch jede Woche Fußball. Im Prinzip hat sich, außer dass ich mittlerweile eine Lesehilfe brauche, nicht wirklich viel verändert. Als Musiker sieht es sogar eher so aus, als wäre ich dadurch begünstigt. Ich bin nicht mehr nur ein alter Hippie mit einer Gitarre, sondern ein respektierter Künstler. Eventuell mache ich mir auch was vor, alte Menschen neigen ja dazu.
Du hattest früher ja immer ein bisschen Ärger mit der Presse, hat sich das auch verändert?
Ja. Erstaunlicherweise wurde das neue Album sehr gut von der Presse besprochen. Ich weiß zwar nicht genau, was die Ursache für diesen Wandel war, aber da ist definitiv mehr Support als früher, was für mich sehr überraschend war und natürlich auch sehr schön.
Du hast früher die meisten Album komplett alleine aufgenommen, deine letzten drei Alben hingegen komplett als Band, so wie ihr auch live spielt. Gab es dafür Gründe?
Ich habe eigentlich immer mal wieder mit der Band Alben eingespielt und einige eben alleine. Ich fand einfach, dass diese neuen Sachen dadurch gewinnen würden, wenn sie als Band eingespielt werden. Da gibt es für mich sonst keine andere Bedeutung.
Ich finde, dass sich das neue Album dadurch rockiger anhört, mit einigen Uptempo-Songs. Der Sound ist kräftiger als gewohnt. Gleiches empfand ich bei eurem letzten Konzert. Und dazu kommt natürlich, dass ihr jetzt mit einer sehr psychedelischen Lightshow aufgetreten seid.
Nun, jedes Album, das ich gemacht habe, ist jeweils das Resultat der Songs, die ich dafür geschrieben habe. Ich plane meine Alben nie, so was passiert immer rein zufällig. Deshalb finden sich darauf ja auch einige sehr ruhige Stücke. Was den Sound angeht, ich arbeite jetzt mit einem neuen Tontechniker namens Dave Palmer, somit liegt das wahrscheinlich an ihm. Die Lightshow hingegen macht Dave Johnson. Mit ihm habe ich im The Scene Club in London etwas zusammen gemacht und ich fand seine Lightshow fantastisch. Deswegen haben wir ihn mitgenommen.
Bei unserem ersten Interview hattest du mir erzählt, dass der Song „Stay at home girl“ einer deiner persönlichsten Stücke sei, weil es da um deine Tochter ging. Das ist nun einige Jahre her, mittlerweile ist sie ausgezogen, selbst eine großartige Sängerin, und wie du mir erzählt hast, heiratet sie nächstes Jahr. Was ist das für ein Gefühl für dich?
Oh, ich bin sehr glücklich, dass du das fragst. Deb ist wahrscheinlich das Wichtigste in meinem Leben. Ich meine, wenn das bei manchen Leuten nicht so ist, dann stimmt mit denen ja auch etwas nicht. Aber alles, was ich immer gewollt habe, und darum ging es in diesem Song, war und ist, dass sie glücklich ist und ihr nichts passiert. Andererseits nimmt sie gerade Fahrunterricht, das mit der Sicherheit ist also so eine Sache.
Das Album „Neon Classic“ von ihrer Band DEBBIE DUVEEN & THE MILLBANKS ist auch seit vielen Jahren wieder mal eine Veröffentlichung auf deinem Label Woronzow.
Ja, ich finde, es ist ein richtig gutes Album. Sie ist eine brillante Sängerin und das sage ich nicht nur als ihr Vater. Wenn das nicht so wäre, würde ich es auch sagen. Es war seit langem das erste Album, welches ich auf Woronzow veröffentlicht habe. In den Jahren davor habe ich schon alleine deswegen nichts mehr veröffentlicht, weil es heutzutage wirklich schwer ist, die Platten auch verkauft zu bekommen, und ich möchte nicht übermäßig viel Geld damit verlieren.
Dich betrifft als Independent-Musiker mit eigenem Label also auch die Krise der Musikindustrie?
Diese Sache ist sehr traurig und wirklich besorgniserregend. Dennoch vermute ich, dass dies nun mal der Lauf der Zeit ist. Es ist ein bisschen so, wie es in den Fünfzigern den Besitzern kleiner Musikhallen ging oder den Kinos in den Achtzigern. Ich hoffe, es gibt auch in Zukunft genügend Interesse zumindest an Live-Musik, um weiterhin Gigs zu spielen. Das Internet hat die Plattenindustrie wirklich geschlachtet. Das ist verständlich. Wieso soll man sich eine teure CD kaufen, wenn du sie auch umsonst haben kannst? Ich weiß aber nicht, wohin dieser Weg führen wird.
Du selbst betreust keine eigene Homepage mehr, aber bist auf Facebook aktiv. Wie stehst du zu diesen Dingen?
Auf Facebook bin ich, weil meine Tochter meinte, ich sollte das machen. Ich bin an diesen ganzen Computersachen oder dem Internet nicht sonderlich interessiert, aber ich sehe eben auch, dass es ein Stück des heutigen Lebens ist, also versuche ich, es nicht ganz aus meinem Leben auszuschließen. Eigentlich müsste es auch wieder eine Seite für THE BEVIS FROND geben, aber ich finde das alles so wahnsinnig farblos.
Nick, ich danke dir für das Interview. Any famous last words?
I’m not dead yet, Claus!
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