THE BELLRAYS aus Kalifornien sind eine eigenwillige Band, die einen originellen Soundmix aus Punk, Soul und Rock spielt. In gut zwanzig Jahren hat man eine Handvoll großartiger Alben aufgenommen und ist nach wie vor die beste Band in Sachen ursprünglichem Rock, die man sich auf einer Bühne ansehen kann. Trotzdem, der ganz große Durchbruch ist dem Quartett nie gelungen. Aber warum? Und wieso ist die Truppe trotz alledem unterwegs und gibt Konzerte? Darüber sprach ich mit Sängerin Lisa Kekaula anlässlich einer Europatour, die im Rahmen der Veröffentlichung des neuen Albums "Hard, Sweet And Sticky" stattfand.
Lisa, wie läuft es bei euch bis jetzt?
Die Tour war wirklich gut bisher. Der allererste BELLRAYS-Auftritt in Europa fand schon im Jahr 1999 in Frankreich statt, aber erst seit ungefähr 2002 sind wir auch im Rest von Europa als Band unterwegs. Im Vergleich zu den letzten Jahren spielen wir 2008 so viele Konzerte in Deutschland wie noch nie. Letzte Woche hatten wir zusammen mit BEASTS OF BOURBON eine echt heiße Show, die im Rahmen des WDR-Rockpalastes aufgezeichnet wurde. Wann das ausgestrahlt wird, kann ich dir nicht so genau sagen.
Ihr scheint eine enge Beziehung zu Frankreich zu pflegen. Woher kommt das?
Gute Frage. Ich glaube die Franzosen haben unsere Art von Musik ziemlich schnell verstanden. Die Rückmeldung ist bis heute enorm. Heute Abend spielen wir in der Prinzenbar, einem echt schönen Hamburger Club, vor vielleicht 200 Leuten. In Frankreich kommen im Vergleich dazu locker 800 Fans zu unseren Shows. Wir machen es dem Publikum aber auch nicht einfach. Wir wollen keinem Image entsprechen und passen schlecht in irgendeine Schublade. Mittlerweile glaube ich, es ist genau das, was viele abschreckt, ja, wovor viele Leute Angst haben: Diese Mischung aus Punk, Soul und Rock.
Ich kann für mich sagen, dass ihr es stets schafft, den Leuten zu vermitteln, dass ihr was ganz Besonderes kreiert und das aus ganzem Herzen.
Gefühle und Energie spielen natürlich eine wichtige Rolle für uns. Wir tun, was wir für richtig erachten und lassen es das Publikum spüren. Wenn man schon kein Geld verdient, sollte wenigstens die Einstellung stimmen!
Mit welchem Line-up spielt ihr diese Tour?
Bis auf einen neuen Bassisten mit dem Line-up der letzten Jahre. Nachdem Tony Fate, bis vor kurzem noch Gitarrist und Songschreiber, aus der Band ausgestiegen ist, spielt mein Mann Bob Vennum nun wieder Gitarre. Bob war ursprünglich der Originalgitarrist der BELLRAYS, versuchte aber dann ähnlich wie bei den BEATLES Paul McCartney, verstärkt über den Bass Melodien zu erzeugen. Dazu kommen Craig Waters an den Drums und der neue Mann am Bass ist Justin Andrews.
Und auf dem neuen Album "Hard, Sweet And Sticky"?
Auch da hat Bob die Gitarre eingespielt. Eine veränderte Situation wie nach Tonys Ausstieg hieß für uns als Band natürlich, dass wir einer neuen Herausforderung gegenüberstanden. Ich möchte bezüglich Tonys Abgang nicht so gerne ins Detail gehen, kann aber verraten, dass das Ganze im Nachhinein einen eher üblen Beigeschmack hinterlassen hat. Tony war so lange Teil dieser Band und hat so viele exzellente Songs geschrieben. Aber wenn man die letzten Jahre betrachtet, dann war die Trennung wahrscheinlich eine realistische Entwicklung und mittlerweile kann ich guten Gewissens sagen, soviel Spaß wie heute hat es lange nicht mehr gemacht.
Auf dem Album habt ihr wie schon auf den Vorgängern ein älteres Stück, "The fire next time", wieder neu eingespielt. Wieso?
Der Song erschien ursprünglich 1998 auf einer Compilation mit dem Titel "Pinball City", auf dem verschiedene Bands, unter anderem auch WHITE STRIPES und NASHVILLE PUSSY, Songs über Flipper-Maschinen beisteuerten. Wir fanden den Song, den ein guter Freund von uns geschrieben hat, stets hervorragend und waren der Meinung, dass er nach so langer Zeit eine neue, bessere Aufnahme verdient hätte. Auf dem letzten Album dachten wir Ähnliches über den Song "Have a little faith", der dann sogar zum Titelsong wurde. Gerade unsere letzten Aufnahmen mag ich sehr gerne, da durch die neue Abmischung hier endlich der soulige Charakter der Songs besser herauskommt.
Und was gibt es Neues auf "Hard, Sweet And Sticky"?
Neben der mehr zur Geltung kommenden Soul-Komponente habe ich persönlich das Gefühl, dass das Album die Art von Rockmusik, die in unserer Heimat, dem südlichen Kalifornien, traditionell gespielt wird, so gut wie noch nie auf einem BELLRAYS-Album einfängt. In Städten wie Riverside oder San Bernadino gibt es eine lange Tradition von richtigen Rock-Clubs wie zum Beispiel dem Swing Auditorium. Dort wurde stets dieser schwere Montrose-Rock gepflegt, den man auch als Hasher-Style bezeichnet. Und wie findest du das Album?
Für mich ist es schon ein typisches BELLRAYS-Album. Nur klingt es im Vergleich zu euren anderen Alben etwas glattgebügelt, was wohl an der Produktion liegen wird.
Wir hatten bei "Hard, Sweet And Sticky" zum ersten Mal die Möglichkeit, mit einem professionellen Produzententeam zu arbeiten. Vorher hat Bob immer alles selber in seinem eigenen kleinen Studio aufgenommen, das heißt, auch technisch waren wir stets an ein kleines Budget gebunden. Bei diesem Album sollte alles anders werden. Eigentlich hatten wir auch schon einen Produzenten, doch nach der Trennung von Tony kamen wir mit dem vorgegeben Zeitplan nicht hinterher und mussten uns kurzfristig umorientieren. So kamen wir auf Heroes and Villains, hinter dem Billy Mohler und Dan Burns stecken, die schon mit Herbie Hancock und Macy Grey gearbeitet haben. Billy ist studierter Bassist und sprang für die Aufnahmen kurzerhand ein. Er hat auch eine eigene Band, WAR TAPES, die in den USA gerade ein paar Shows für SMASHING PUMPKINS eröffnen durfte.
Und wie sieht es labeltechnisch aus?
In den USA sind wir mittlerweile auf Anodyne, wo auch die MEAT PUPPETS beheimatet sind. In Europa erscheint die Platte bei Vicious Circle, einer französischen Firma. Es gab auch Gespräche mit Cargo Records über eine Lizensierung für Deutschland, einig wurden wir uns aber nicht. Ich hoffe aber trotzdem, dass es eine Vinylversion geben wird, auch wenn wir es selber machen müssen.
Ich persönlich mag eure ruhigen Sachen am liebsten und war etwas enttäuscht, dass ihr im März mit eurem Projekt BOB & LISA nicht auch nach Deutschland gekommen seid. Steht da eine Veröffentlichung an?
Glaube mir, wir wären gerne gekommen. Bob und ich machen diese eher ruhigere Art von Musik schon seit langem, wären aber nie auf die Idee gekommen, dass es überhaupt jemanden interessieren könnte. Als wir mit BELLRAYS mal auf Tour in Paris waren und die Vorband nicht auftauchte, haben wir einfach ein paar der BOB & LISA-Songs improvisiert. Und siehe da, im Anschluss bekamen wir sofort die Einladung, für eine Handvoll Shows nach Frankreich zurückzukommen! Wir haben vor dieser Tour vorsichtshalber ein paar Songs in Eigenregie auf CD aufgenommen, um den Leuten so etwas mit auf den Weg geben zu können. Ich mag diese teilweise akustischen Sachen sehr, da sie auf einfache Art und Weise die wahre Seele eines Songs zeigen.
Leute, denen ich BOB & LISA vorspiele, haben mir schon öfter die Rückmeldung gegeben, dass sich das wie Amy Winehouse anhöre. Nervt dich so was?
Zunächst einmal amüsiert mich das, da es zeigt, dass sich alles nach den bekanntesten Gesichtern im Business richtet. Und das hat in erster Linie viel mit Geld und Marketing zu tun. Als wir vor Jahren in England waren, schrieb die Presse, ich wäre retro. Klar, ich bin eben eine schwarze Sängerin. Eine weiße Sängerin wie Amy dagegen wird als Avantgarde bezeichnet. Wir werden das natürlich nicht ändern können, die großen Geldgeber werden es mit ihrem Einfluss stets schaffen, den Otto Normalverbraucher dazu zu bringen, zu glauben, was immer sie auch wollen. Aber auch vor einer Musikerin wie Amy Winehouse habe ich Respekt, da sie eine gute Sängerin ist und für ihren Erfolg gearbeitet hat. Alles Gute, was neben dem Mainstream existiert, erfordert Anstrengung, weil man selber danach suchen muss. Es steht nichts darüber in den einschlägigen Magazinen. Ich habe mein ganzes Leben in kleinen, dreckigen Clubs gespielt. Und weißt du, warum? Weil ich es tun muss. Es ist mein verdammtes Schicksal.
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