BEATSTEAKS

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Die bodenständigen Jungs von nebenan

Mit ihrem neuen Album „Boombox“ schafften es die Berliner BEATSTEAKS erstmals in ihrer an Erfolgen nicht armen Laufbahn auf Platz 1 der deutschen Charts, nachdem der Vorgänger „Limbo Messiah“ (2007) und die Livescheibe „Kanonen auf Spatzen“ (2008) zumindest schon die Top 10 geknackt hatten. Nicht schlecht für eine Band, die 1997 mit „48/49“ noch als lupenreine Hardcore-Punk-Truppe gestartet war, sich seitdem aber konstant zur immer eingängigeren Rockband mit klar erkennbaren Punkwurzeln entwickelt hat. Wie fühlt sich das so an, wenn man ganz oben angekommen ist? Darüber sprach ich mit BEATSTEAKS-Drummer Thomas Götz, der mit Marten Ebsen von TURBOSTAAT auch noch die Zweitband NINAMARIE betreibt.

Thomas, wie habt ihr als Band vor zehn Jahren Erfolg definiert, und was ist Erfolg für euch heute?

Puh, das ist eine schwierige Frage ... Vor zehn Jahren haben wir es als Erfolg definiert, ein Konzert zu spielen, und ich denke, daran hat sich nichts geändert. Vor zehn Jahren, das war 2001, kurz vor „Living Targets“, wenn wir da beispielsweise in Hamburg im Schlachthof spielten, das Konzert gut war und wir das Gefühl hatten, das rübergebracht zu haben, was wir rüberbringen wollten – dann war das ein erfolgreicher Abend. Heute Abend spielen wir in Erfurt, und wenn wir da mit dem gleichen Gefühl von der Bühne gehen, war das auch wieder ein erfolgreicher Abend.

Damit stapelst du tief.

Na klar, aber wir sind ja auch so hemdsärmlige, bodenständige Jungs von nebenan, haha.

Und das ist alles nur Image, ich weiß, ihr seid ja eigentlich voll die Rock-Schnösel. Ich denke aber schon, dass es was besonderes ist, wenn man als Band es mal auf Platz 1 der Album-Charts schafft – und so definiert man gemeinhin Erfolg in dieser Branche.

Stimmt, in dieser Branche wird so etwas als Erfolg angesehen, das wird wie eine Trophäe herumgereicht, damit arbeitet die Plattenfirma, das hilft dabei im Radio gespielt zu werden. Und es stimmt auch, man selbst ist von so was teilweise auch beeindruckt, man kann sich davon nicht freimachen. Wer behauptet, dass ihn das als Musiker nicht beeindruckt, der lügt. Genau wie jeder lügt, der sagt, er finde es nicht geil, vor 80.000 Menschen bei „Rock am Ring“ zu spielen. Denn ja, das schmeichelt dem Ego.

Man steht also schon morgens mit einem großen Grinsen vor dem Spiegel, wenn man gerade die Nachricht bekommen hat, auf Nr. 1 zu sein?

Haha, na ja, man lacht eher darüber auf dem Weg zur Bank!

Da bricht der Schwabe in dir durch.

Klar, was man hat, das hat man, haha.

Ich definiere Erfolg auch so, dass man sich darüber freut, ein Fanzine, ein Label oder eine Band über die Teenager- und Studenten-Flegeljahre hinaus weiter betreiben zu können.

Wir haben niemals gedacht, dass wir mit dieser Band durchkommen! Wenn man als Kind mit dem Badminton-Schläger als Gitarrenersatz vor dem Spiegel steht und zur Musik aus dem Radio mitspielt, ahnt man ja nicht, dass es mal so enden könnte wie jetzt mit uns. Das, was wir jetzt erreicht haben, ist eine Realität gewordene Kinderphantasie, das ist krass. Ja, es ist total geil, was wir erreicht haben, und daran ist nichts Schlimmes. Das Interessante ist, wie es jetzt weitergeht: Wir machen irgendwann wieder eine Platte, und was ist, wenn die dann nicht auf Platz 1 kommt? Wie kommt man dann damit zurecht? Wir sind nicht die BEATLES oder Michael Jackson und haben Platz 1 nicht abonniert, Platz 1 ist kein Dauerzustand. Wir müssen dann mal sehen, wie das sein wird. Denn dass diese Situation eintreten wird, darauf sollte man sich vorbereiten. Eigentlich finde ich das mit der Nr. 1 der Charts gar nicht so krass, die 80.000 Menschen vor der Bühne finde ich viel beeindruckender. Wir haben ja nicht bewusst auf diese Nr. 1 hingearbeitet, es war vielmehr das Arbeiten daran, so gut wie möglich zu sein. Ob das nun dasselbe ist, da gehen die Meinungen auseinander. Der Manager einer Band würde diese Frage sicher anders beantworten als der Schlagzeuger.

Was sind es für Qualitäten, die euch auszeichnen? Ohne euch zu nahe treten zu wollen: Gute Bands gibt es viele, jeder hat Lieblingsbands, die in seinem Universum die Nummer 1 sind, die es aber nie in echt so weit bringen. Was habt ihr, was hast du also anders gemacht?

Das liegt sicher an meinem schwäbischen Fleiß, haha. Fleiß hat aber sicher was damit zu tun, wir haben immer schon viel geprobt, viel gearbeitet für die Band – mit einer 40-Stunden-Woche ist es da nicht getan. Aber diese Band ist wie gesagt ein wahr gewordener Kindertraum, so dass man das nicht als „Arbeit“ ansehen kann. Wir stecken aber sicher mehr Zeit in die Band als die acht Stunden, die ein normaler Angestellter für seine Arbeit aufbringt. Wichtig ist auch unser Management, das immer sehr kontinuierlich für uns gearbeitet hat. Und wir haben jede Gelegenheit genutzt, live zu spielen, damit uns so viele Leute wie möglich sehen können – und wir haben immer bei den richtigen Labels unterschrieben. Mit Warner haben wir eine potente Firma hinter uns, die bestimmte Sachen reißen kann, die ein Indie-Label, bei dem vielleicht eine unserer Heldenbands unter Vertrag ist, nicht leisten kann. Das sind also tausend Faktoren, die da reinspielen, und ein paar davon haben auch mit uns zu tun.

Euer neues Album „Boombox“ scheint aber dennoch eine bestimmte Grenze überschritten zu haben, denn es gefällt plötzlich Leuten, die sich bislang nicht für euch interessiert haben. Was ist diesmal anders, was ist neu?

Eine Menge. Wir sind nicht in ein teures Studio gegangen, sondern haben in unserem Proberaum gearbeitet, also quasi zuhause. Wir nahmen die Songs da auf, wo sie entstanden sind: Die Demos zu den Songs entstanden im Proberaum, und auch die Platte selbst. Das war ein langer Prozess, da hinzukommen, es hat eine Weile gebraucht, bis wir das kapiert hatten, denn unser Produzent Moses Schneider hatte das schon länger vorgeschlagen. Was nun das Musikalische anbelangt, so ist die neue Platte eine Reaktion auf die davor. „Limbo Messiah“ war sehr schnell, sie war aggressiver als die neue, die irgendwie relaxter ist.

Meinst du damit, dass „Boombox“ zugänglicher ist?

Ja, genau, an der Platte ist nichts nervöses, die ist nicht so „kopfmäßig“ wie die davor. Die war schnell, nervös, verzichtete lieber mal auf einen Refrain.

Und das ist einfach so passiert, oder gab es dafür nach intensiver Besprechung innerhalb der Band eine Blaupause? Wie besprecht ihr so was?

Puh, beim Sprechen über Musik stößt man schnell an seine Grenzen. Es fällt leichter, einen Auftritt zu analysieren, zu sagen, das und das hat mir nicht gefallen. Musik zu planen ist schwierig, und die Demos zur neuen Platte gab’s einfach, die waren so, wie sie sind, und die waren langsamer als die Sachen der letzten Platte. Von daher war das wohl eine unbewusste Reaktion. Ich kann mich allerdings an eine Situation erinnern, als wir uns für die erste Probe zum neuen Album verabredeten: Da war die Stimmung so, dass wir sagten, lasst uns eine ganz normale, gute Rock’n’Roll-Platte machen. Eine Platte, wie ein geiles Auto, so ein großer amerikanischer Straßenkreuzer. Und das parken wir ganz einfach in die Garage ein, ohne uns groß einen Kopf zu machen, ob da was passiert. Das kann ja nicht so schwer sein, hahaha.

Von der Garage zurück zum Proberaum: Für den Großteil der Bands bedeutet das einen kleinen, schimmligen, kalten, dunklen, stinkenden Raum mit Eierkartons an den Wänden. Ich könnte mir vorstellen, dass eurer Proberaum ein, zwei Sterne mehr hat ...

Also so viel anders ist unser Proberaum nicht, nur haben wir statt Eierkartons solche Schaumstoffnoppen an der Wand. Und wir haben einen kleinen Flur vor dem Proberaum sowie einen kleinen Aufenthaltsraum, das heißt, die Flaschen, die sonst im Proberaum rumstehen, die stehen bei uns im Flur davor, und wir haben überall Haken hingeschraubt, an denen die Gitarren hängen. Letztlich ist das also ein ganz normaler Proberaum – mit dem entscheidenden Vorteil, dass der Tageslicht hat, weil er ebenerdig ist.

Du enttäuschst mich. Ich hatte mit etwas mehr Glamour gerechnet, so einem coolen Loft.

Du meinst so ein Teil mit Holzparkett und Naturstein? Nein, da muss ich dich enttäuschen.

Wer auf Platz 1 der Charts ist, der ist ja wohl die „beste Band der Welt“. Wir bringt man das gewissen anderen Leuten aus Berlin bei?

Ach, die stehen da drüber. Außerdem sind DIE ÄRZTE zwar die beste Band der Welt, wir jedoch sind die beste Band des Universums. Was immer das bedeuten mag, haha.

Bleiben wir mal bei der Welt: In Deutschland kennt euch jeder, wie ist das im Rest von Europa, dem Rest der Welt?

Also unsere letzten Touren im Ausland liefen so, dass wir in vielen Ländern vor 300 bis 1000 Leuten spielen konnten – in London beispielsweise. In Paris kommen vielleicht 400 Leute, in Barcelona 500. So war das bisher, und wenn das weiterhin so bleibt, sind wir zufrieden. Im Mai gehen wir auf Europatour, und da werden wir das genauso handhaben wie die letzten Male. Passend dazu wird die Platte in England und ein paar anderen Ländern auch veröffentlicht werden, welche genau weiß ich nicht. Das ist bei einem Majorlabel eben anders als damals bei Epitaph: Epitaph veröffentlicht die Platten europaweit, die sind dann überall zu haben, während wir uns bei einem Major wie Warner mit dem Büro in jedem Land einzeln dealen müssen, ob die Platte veröffentlicht wird. Da kann jedes Land selbst entscheiden, etwa Warner England oder Warner Skandinavien. Und das ist der Job von unserem Manager Torsten.

Sprechen wir zum Schluss noch über deine kleine Nebenband NINAMARIE. Was steht da an?

Wir sind gerade in den Vorbereitungen für unsere nächste Platte. Wenn ich von der gerade laufenden Tour zurückkomme, geht’s ans Aufnehmen. Wir haben sechs, sieben Stücke aufnahmefertig, und wenn wir dann beide bei unseren Bands etwas weniger zu tun haben, kümmern wir uns darum. Klar, zuletzt war das etwas eng, erst nahmen TURBOSTAAT das Album auf, dann wir, aber ich denke, im Laufe des Jahres werden wir unsere EP fertig haben.