BEACH SLANG

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Born to run

BEACH SLANG aus Philadelphia haben sich spätestens mit ihrem ganz im Zeichen von melodischem Punkrock à la JAWBREAKER und REPLACEMENTS stehenden letztjährigen Debütalbum „The Things We Do ...“ auf Polyvinyl/Big Scary Monsters in die Herzen vieler Menschen gespielt. Kaum ein Jahr ist seitdem vergangen, schon gibt’s mit „A Loud Bash Of Teenage Feelings“ die nächste LP. Im August fand die Band auf ihrer Europatour den Weg nach Trier, wo ich mich vor dem Gig mit Sänger/Gitarrist James Alex unterhielt.

James, bei einem Gig Ende April in Salt Lake City, Utah hast du spontan die Bandauflösung verkündet, die jedoch nur zwei Stunden anhalten sollte. Was war in der Zeit bei euch los?

Nun, es gab definitiv den einen oder anderen Konflikt, der bei uns schon länger unterschwellig brodelte. In dieser Zeit passierte bei uns eben sehr viel, auf jeden Fall zu viel, als dass wir die nötige Zeit gefunden hätten, uns damit zu beschäftigen – also nicht gerade der gesündeste Weg für unser Bandklima. Meine spontane Reaktion auf der Bühne in Salt Lake City und der gesamte Zwischenfall hat uns dann letztendlich gezwungen, miteinander zu reden und Differenzen zu beseitigen. Und das hat uns letztendlich viel stärker zusammenwachsen lassen. Ich bin überzeugt davon, dass Menschen, die in einer tiefen Verbundenheit zueinander stehen, immer Spannungen untereinander haben. Und solange Menschen sich mit einem kühlen Kopf damit auseinandersetzen, kann dadurch die gemeinsame Beziehung nur wachsen – genau das haben wir geschafft.

Was führte dann letztendlich zum Ausstieg eures damaligen Drummers JP?

Wir haben in verschiedenen Gesprächen mit JP versucht, ihm die eine oder andere Veränderung nahezulegen, da das so mit ihm und uns nicht mehr funktionierte. An diesen Dingen konnte oder wollte er allerdings nicht arbeiten, daher war sein Ausscheiden die logische Konsequenz. Auf zwischenmenschlicher Ebene und als Freunde verstehen wir uns immer noch prächtig – lediglich im Bandkontext hat das nicht mehr gepasst.

Ich finde, dass der Titel eures neuen Albums, „A Loud Bash Of Teenage Feelings“, euren Sound sehr gut beschreibt. Welcher Song schafft das genauso gut?

Auf jeden Fall „Born to run“ von Bruce Springsteen. Hier fasziniert mich vor allem die romantische Vorstellung, dass es immer etwas Besseres gibt, nach dem wir streben können, und das selbst im Moment größten Glücks noch etwas mehr wartet. Ich finde es einfach sehr wichtig, niemals Angst davor zu haben, umherzustreifen, Wagnisse einzugehen und dadurch Neues zu entdecken. Daher versuche ich, mit jedem Song aufs Neue meine eigene Version von „Born to run“ zu schreiben, haha.

Eure LP weckt bei mir eine Menge jugendlicher Gefühle. Du hast die Songs geschrieben – wie alt oder jung fühlst du dich?

Na, wie 18, maximal Anfang 20, haha. Nee, aber der wichtigste Aspekt des Rock’n’Roll ist für mich, das Älterwerden in bestimmte Bereiche nicht vordringen zu lassen. Der Prozess des Alterns war für mich immer negativ besetzt, und ich habe nie die Vorteile gesehen. Ich habe mich aber irgendwann dem Gedanken verweigert, ab einem bestimmten Alter „vernünftig“ und sesshaft zu werden – ich ziehe eben lieber durch die Gegend und spiele Gitarre. Vielleicht nicht die verantwortungsvollste Entscheidung, aber ich bin ziemlich glücklich damit. Ich werde zwangsläufig älter, aber möchte mir doch einen jungen Geist bewahren.

Nun liegt ja ein knappes Jahr zwischen „A Loud Bash Of ...“ und eurer Debütplatte. Was hat sich seitdem getan?

In der kurzen Zeit hat sich definitiv nicht so viel getan, allerdings bin ich mit den Geschichten, die ich erzählen möchte, auch noch lange nicht fertig. Ich habe auf der aktuellen Platte mehr von meiner Liebe zu Britpop und Shoegaze einfließen lassen, die größte Veränderung liegt aber im Perspektivenwechsel des Songwritings: Bei „The Things We Do To Find People Like Us“ waren das noch zweiminütige Romane über Abenteuer mit meinen engsten Freunden. Auf dem neuen Album erzähle ich Geschichten aus der Perspektive der Menschen, die ich während der Tour oder auf Gigs getroffen habe. Das hat mir auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht! Es ist also eher eine thematische als eine musikalische Entwicklung.

Die Jugend, das Erwachsenwerden und Gefühle wie Liebe und Enttäuschung – warum nichts gegen Kapitalismus und Polizeistaat?

Ich identifiziere mich sehr mit Extremen, also wenn ich etwas mache, dann richtig. Und ich habe eben viel mehr Spaß daran, mit breiteren Pinselstrichen zu malen, so dass ZuhörerInnen Raum für Interpretation bleibt. Ob ich zum Beispiel sage „I hate the police“ oder „Let’s light up these streets“ – das macht einen Unterschied wie Tag und Nacht, was den Interpretationsspielraum angeht. Ich mag den Gedanken, nur als „Quasi-Direktor“ aufzutreten, dessen Publikum den entscheidenden Schritt gehen muss, ein „Let’s light up these streets“ mit Leben und eigenen Vorstellungen zu füllen.

Das ist ein sehr metaphorischer Ansatz in deinem Songwriting.

Genau, ich stehe total auf den Stil der „Gutter Poetry“, also wenn es um rohe Metaphorik, menschliche Mankos sowie den Triumph des Gefühls, lebendig zu sein, geht. Und darum, dass wir uns von kleineren Rückschlägen immer wieder aufrappeln müssen, um daran zu wachsen. Das möchte ich alles nicht hinter einer perfekten Fassade zum Wohlfühlen verstecken, denn so sieht die Realität nun mal nicht aus. Weißt du, mein Sohn ist gerade mal 16 Monate alt, und da er meine Musik irgendwann auch mal hören und verstehen wird, möchte ich in meinen Texten einfach kein verdrehtes Weltbild zeichnen. Viel eher möchte ich damit Werkzeuge an die Hand geben, die ihm und meinen ZuhörerInnen dabei helfen, Dinge zu verstehen und willensstark zu bleiben.

Kannst du hier besondere Einflüsse nennen?

Eine große Mischung von allen Dingen, die ich liebe. Insbesondere würde ich da die Werke von Charles Bukowski, John Hughes mit seinen Coming-of-Age-Filmen und natürlich Blake Schwarzenbach von JAWBREAKER nennen. Letzterer verhalf mir zu der wichtigen Erkenntnis, dass du Gitarrenlärm mit echter Poesie verbinden kannst.

Wie meisterst du den Spagat zwischen großen Gefühlen und Kitsch?

Ich trage mein Herz konsequent auf der Zunge! Dadurch bin ich mir selbst gegenüber ehrlich, ohne ins Kitschige zu verfallen. Und viel wichtiger ist mir, dass ich nicht etwas imitiere oder Vorbildern hinterherlaufe, um am Ende nur als kauzige Kopie eines Ideals dazustehen. Dann wird’s nämlich erst kitschig, und für geheuchelte Gefühle haben die Zuhörerinnen sowieso ein sehr feines Gespür. Ob du den Kram magst oder nicht, es kommt direkt aus meinem Herzen, und ich meine das todernst. Da mir das persönlich sehr wichtig ist und ich mich sehr umfassend damit beschäftige, fände ich es auch problematisch, als „kitschig“ abgestempelt zu werden.

Politik spielt in deinen Texten gar keine Rolle?

Nein, ich werde in meinen Songs nicht politisch, und bin da selber auch nicht wirklich aktiv. Als meine Maxime stelle ich mir eher so was wie eine „goldene Regel“ vor: Ich finde, dass durch die Anerkennung von Liebe und Humor, durch Respekt und gegenseitige Achtung das menschliche Miteinander bereits um einiges friedlicher werden könnte. Diese Botschaft versuchen wir auch auf unseren Platten und Gigs zu vermitteln. Leider hat das bisher ja noch nicht so richtig geklappt ...

Terroristische Anschläge wie der im Pariser Bataclan hingegen zielen unter anderem auf die freie Ausübung von Kunst.

Klar, das ist insbesondere im Vorfeld einer Tour durch die Bedenken von Eltern, Freunden und Lebenspartnern immer ein Thema bei uns. Unsere politische Reaktion darauf ist, uns nicht durch die Angst beherrschen zu lassen und genauso wie andere Künstler und Bands weiterhin Konzerte und Festivals zu spielen. Dass Menschen trotzdem zu Gigs kommen, zeigt mir, dass wir immer noch gewinnen.

Wenn ihr eure Europatour mit den Konzerterfahrungen in den USA vergleicht: Was unterscheidet die „Kids“ hier und dort?

Es gibt sowohl hier als auch bei uns immer noch diese hoffnungsvolle Attitüde, die nach wie vor nicht gebrochen ist. Insbesondere im Rahmen von Festivals scheint uns das Publikum in Europa aber deutlich altruistischer zu sein: Seien es drückende Hitze oder strömender Regen – vor der Bühne würde niemand auf die Idee kommen, nach Hause zu gehen, das hat uns hier echt fasziniert. Bei uns überlegen die Leute eher zweimal, vor die Tür zu gehen. Umso mehr verschiedene Orte wir sehen, desto klarer wird mir, wie gleich wir Menschen doch eigentlich sind.