Mit „So Long Astoria“ haben THE ATARIS ihr Major-Debüt vorgelegt. Und sie haben im Zuge der Kung Fu-Tour zum ersten Mal in einigen Teilen Europas gespielt, darunter auch in Deutschland. Der Titel stammt aus dem Film „The Goonies“, und thematisch geht es auch auf dem Album um das Ende der Kindheit. Darüber und über viel mehr habe ich mich mit einem sehr gut gelaunten und sympathischen John Collura (Gitarre) vor der Weinheimer Show am 5. Februar unterhalten.
Heute Abend steht eure zweite Show in Deutschland an, und bis auf einige Shows in den Niederlanden und Italien ist auch der Rest Europas Neuland für euch. Wie gefällt es euch soweit hier, und was für Eindrücke und Erwartungen habt ihr?
Es ist wirklich cool hier auf Tour zu sein. Es gibt so viel Interessantes, besonders die ganze Kultur in Europa fasziniert mich. Aber auch das Essen unterscheidet sich ziemlich von dem in den Staaten. In den USA ist das Ganze nach einiger Zeit einfach immer gleich. Wir leben dort, sind schon so oft dort unterwegs gewesen und kennen alles. Wenn man das erste Mal in Amerika auf Tour ist, ist das noch interessant, aber man lernt alles schnell kennen und dann heißt es nur noch ‚Oh, schon wieder in Chicago’. Wie gesagt, mir gefällt der ganze historische und kulturelle Hintergrund in Europa. Solche Sachen interessieren mich, auch wenn ich nicht so viel Zeit habe, mir jede Stadt anzuschauen. Die Shows in Europa laufen sehr gut, die Kids sind voller Energie bei den Konzerten. Deutschland ist schon eine kleine Herausforderung für uns, weil wir nicht wirklich wissen, was wir hier zu erwarten haben. Wir haben hier erst eine Show gespielt, und die war sehr gut, die Leute sind abgegangen, es gab ziemlich viele Stagediver. Das gefällt mir, anscheinend können die Kids das hier viel häufiger machen. In den USA lässt die Security das nur noch selten zu. Hier können die Leute einfach etwas mehr abgehen und sich austoben, und es scheint zu funktionieren. Was Deutschland angeht, sind wir schon etwas aufgeregt und wissen nicht, wie es sein wird. An einem Abend wie heute, an dem wir als Headliner auftreten, könnten zwei Leute auftauchen, oder 200. Wir freuen uns auf die Shows in den großen Städten wie München und Köln mit den VANDALS. Ich habe gehört, dass die Shows in Berlin eher schlecht verlaufen, aber das ist mir egal, ich freue mich auf die Stadt.
Ihr hättet vor zwei Jahren auf dem Bizarre Festival spielen sollen, seid aber nicht aufgetaucht. Was ist damals vorgefallen?
Das hatte mehrere Gründe, die dazu geführt haben. Wir hatten für die Tour ursprünglich einen Fahrer, einen netten Typen, aber er hatte keine Ahnung, was er tat. Er schlief die ganze Nacht, und dann kamen wir immer sehr spät zu den Shows. Wir hatten gerade die große Warped-Tour in den Staaten hinter uns, und direkt danach kam diese Tour in Teilen Europas. Die Warped-Tour war viel einfacher, man wacht einfach in der Stadt auf, das Equipment ist da und man musste nichts machen. Europa war komplizierter, wir mussten uns um alles kümmern, und dieser Fahrer war keine Hilfe dabei. Er war wieder mal sehr spät am Flughafen, und dort angekommen, hatte Kris Roe, unser Sänger, sein Flugticket nach Deutschland verloren. Wir hatten dann die Wahl, wir konnten alle bleiben, oder ohne ihn fliegen und hoffen, dass er es schafft nachzukommen. Am Ende musste er den Zug nehmen und kam nicht rechtzeitig. Wir hatten keine Telefone und waren alle sehr genervt. Es war eine sehr große Show und wir hatten uns darauf gefreut, aber es hat nicht geklappt, und es war einfach unsere eigene Schuld. Wir hatten keinen Tourmanager, wir sind hierher gekommen und dachten, wir könnten uns selbst um alles kümmern, und so kam es natürlich, dass alles sehr unorganisiert war. Aber nach dem Tag haben wir den Fahrer gefeuert. Und ab da bewahren wir Flugtickets immer zusammen auf, und bisher hat sie niemand verloren.
Ihr seid jetzt auf Columbia Records. Wie läuft die Sache soweit, was hat sich gegenüber früher verändert, und was ist für euch anders daran jetzt bei einem Major zu sein?
Das Verhältnis zwischen uns und Columbia ist sehr gut. Wir machen alles wie bisher. Wir schreiben die Songs, kümmern uns um die Musik, wir haben unsere eigenen Merch-Sachen, um die wir uns kümmern, unsere Website. Sie sind für uns eine Möglichkeit, Platten international verkaufen zu können. Und das ist der große Unterschied zwischen Indies und Majors. Das und Radio-Airplay. Es gibt nicht viele Indie-Bands, die in den USA im Radio gespielt werden. Ich würde viel mehr Radio hören, würden dort die Bands gespielt werden, die ich mag. Major-Labels haben viel bessere finanzielle Mittel und sorgen dafür, dass ihre Bands ins Radio kommen. Und das ist was Positives. Wir werden momentan in den USA auf mehr als 20 großen Sendern gespielt, das freut mich. Es hilft sehr, dass sich neue Leute für die Band interessieren. Wenn man in einer Band spielt, will man immer, dass um so mehr Leute die eigene Musik hören. Und warum nicht? Leider gibt es in der Punkrock-Szene viele Leute, die ihre Bands für sich behalten möchten und nicht wollen, dass andere sie hören. Das ist ziemlich engstirnig. Dabei dachte ich immer, beim Punk ginge es darum offen zu sein. Und außerdem, THE CLASH waren auf einem Major! Viele dieser engstirnigen Kids tragen ihre Shirts. Oder die SEX PISTOLS und die RAMONES, auch Major-Bands, aber da beschweren sie sich nicht.
Werdet ihr denn mit den üblichen Sellout-Vorwürfen konfrontiert?
Die Kids sehen, dass wir immer noch dieselbe Musik machen und sich bei uns nichts verändert hat. Hätten wir uns auf einmal drastisch verändert, würde ich verstehen, dass sich Leute beschweren, aber Kris ist immer noch der Songwriter, und er schreibt dieselben Songs wie früher. Am Anfang gab es aber auf der Website ein paar Leute, denen der Wechsel gar nicht gefallen hat. Kris hatte nämlich einmal gesagt, er würde nie zu einem Major wechseln, und als er das gesagt hat, hatte er es auch so gemeint. Er dachte nämlich nie, dass ein Major Interesse an den ATARIS haben könnte. Und als ich mit Punkrock angefangen habe, habe ich genauso gedacht. Da waren Majors auch böse. Aber es gibt mittlerweile manche Indies, die genauso sind wie Majors, die auch massig Geld haben und im Grunde zu Majors geworden sind. Und uns hat sich mit Columbia eine großartige Gelegenheit geboten. Wir wissen was es heißt, hart zu arbeiten und auf dem Boden zu schlafen und kein Geld zu verdienen. Das Ganze hat wenig mit dem Label zu tun. Für mich und meine Bandkollegen ist Punkrock mehr als nur eine Musikrichtung. Es bedeutet, dass wir machen, was wir wollen, und nicht, weil wir etwas müssen. Und so wird sich auch auf einem Major nicht viel verändern.
Die Songs des neuen Albums klingen etwas rockiger und haben sich von euren früheren Punkrock-Sachen teilweise entfernt. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Die Songs für dieses Album hat Kris während der ‚End Is Forever’-Tour geschrieben. Sie unterscheiden sich von unseren früheren Sachen, weil Kris mittlerweile erwachsener geworden und kein Kid aus Indiana mehr ist. Es gibt nur noch einen Lovesong, eine noch ältere Nummer, die wir auf diesem Album haben wollten. Ansonsten erzählt jeder Song eine Geschichte, die meisten drehen sich ums Erwachsenwerden, das große Thema dieser Platte. Ich freue mich über die neuen Songs, denn irgendwann wurde es langweilig immer dieselben Songs über Beziehungen zu spielen. Das neue Album sollte etwas ernster sein, es gibt zwar nach wie vor Popsongs, aber viele sind deutlich rockiger ausgefallen, im Stil von JIMMY EAT WORLD oder den FOO FIGHTERS, die beide einen Einfluss auf uns hatten, auch was die Produktion angeht. Unter den neuen Liedern gibt es solche, mit denen nicht nur 15-jährige etwas anfangen können, sondern auch Leute in meinem Alter, mit 30. Natürlich wollen wir aber keine Shows mit nur 35-jährigen, die Jüngeren bleiben unsere loyalen Fans.
Du hast es schon erwähnt, „In This Diary“ läuft seit zwei Wochen im Radio. War es für dich ungewohnt den Song so zu hören?
Ich habe ihn zum ersten Mal gehört, als ich alleine in LA rumgefahren bin. Das war für mich irgendwie die Krönung des letzten Jahres. Ich habe das Jahr in LA verbracht, eigentlich lebe ich in New York. Ich saß oft alleine in meinem Zimmer, denn in LA findet man nicht so leicht Freunde. Alle in der Band haben Freundinnen oder Frauen, und ich war manchmal etwas einsam. Dann einen eigenen Song im Radio zu hören, hat mir gezeigt, dass sich all das gelohnt hat. Ich habe in einem Keller in New York mit Freunden angefangen, und der Song im Radio war einfach, wow! Es war lustig und ich war stolz.
Worum geht es im Song „My Reply“?
Ein Mädchen aus Australien hat Kris einen langen Brief und einige ihrer Gedichte geschickt. Sie war zu dem Zeitpunkt sehr krank und dachte, sie würde nicht mehr lange leben. Sie wollte sich bei ihm und der Band für die Musik bedanken, die ihr viel bedeutet und auch geholfen hat in dieser schwierigen Zeit. Das hat Kris sehr gerührt, und anstatt ihr zurückzuschreiben, hat er diesen Song geschrieben. Das ist seine Antwort. Kris hat den Song auf eine CD aufgenommen und ihr zugeschickt, aber in der Zwischenzeit war sie umgezogen. Es geht ihr besser, sie hat es überwunden, ich weiß nur nicht, ob sie sein Paket bekommen hat.
Wie läuft euer Plattenladen Down On Haley?
Es ist ein netter kleiner Laden, nicht viel größer als ein Raum. Wir haben ziemlich gute Platten, und der Laden läuft okay. Es ist nicht so, dass wir damit viel verdienen, er ist dafür viel zu sehr abseits gelegen, aber er hält sich selbst am Laufen. Außerdem proben wir dort auch, und es kommt oft vor, dass Fans reinkommen und dann bei einer Probe bleiben. Wenn ihr in Santa Barbara seid, kommt vorbei. Fragt einfach nach der Haley Street.
Wann wird man euch wieder hier sehen können?
Wir werden diesen Sommer die ganze Warped-Tour in den USA mitmachen. Danach haben wir uns vorgenommen, wieder nach Europa zu kommen. Es gefällt uns hier, obwohl wir erst ein paar Shows gespielt haben, aber die waren gut und wir wollen zurückkommen. Sicher noch dieses Jahr.
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