Vier Jahre sind vergangen, seitdem ANCHORS & HEARTS ihr letztes Album veröffentlicht haben. Nun erscheint das fünfte, während der Pandemie geschriebene, Album der norddeutschen Band. Wir sprechen mit Sänger Manuel und Schlagzeuger Torben über „Guns Against Liberty“ und auch die aktuelle Situation.
Euer letztes Album liegt vier Jahre zurück, das neue ist aber innerhalb kürzester Zeit entstanden. Lagen die Demos schon lange in der Schublade oder sind alle Songs erst 2020 entstanden?
Manuel: Es ist tatsächlich so, dass wir seit 2017 nicht wirklich über neue Songs nachgedacht haben. Jeder hatte mal eine Idee, aber es kam nichts Konkretes dabei raus und wir haben uns auf die Touren konzentriert. Hurricane, Rock am Ring-Warm-up, Deichbrand, alles, was cool, ist wurde von uns bespielt. Also haben wir uns Equipment besorgt, das uns geholfen hat, die Studioenergie auf die Bühne zu bringen. Dann kam halt Corona. Mein erster Gedanke war, dass es jetzt nicht ruhiger werden darf. Wir hatten die Hoffnung, dass Corona Ende 2020 nur noch im Jahresrückblick auftaucht. Als sich abzeichnete, dass das nicht der Fall ist, haben wir angefangen, an neuem Material zu arbeiten.
Ihr habt eine Doku gedreht, einen eigenen Podcast gestartet, nehmt die Leute über YouTube aktiv mit hinter die Kulissen. Ist all dies dem Umstand geschuldet, nicht spielen zu können, oder wolltet ihr als Punkband auch einfach mehr den Zeitgeist treffen?
Manuel: Ich weiß nicht, ob wir all dies ohne Corona gemacht hätten, es kostet ja viel Zeit. Aber es hält uns bei Laune. Das Album ist im Kasten, aber wir können immer noch keine Shows spielen und um alles am Leben zu halten, auch für uns, machen wir es. Das Feedback ist sehr positiv, wenn die Leute mitbekommen, wie man von der kleinen Dorfband zu mittleren Dorfband wird.
Torben: Man darf ja nicht vergessen, dass Touren unheimlich viel Zeit beansprucht. Nicht nur die Tour selbst, sondern auch Vor- und Nachbereitung, jetzt ist Zeit für andere Dinge frei.
Das Video zur Single „Turn the page“ sowie die Kurzdoku „Zwischen Stillstand und Hoffnung“ habt ihr genutzt, um Leuten aus der Kreativbranche eine Bühne zu bieten. Wie kam es zu dieser Idee?
Manuel: Die Idee kam uns, als wir über den Inhalt des Songs gesprochen haben. Ich bin als Tätowierer vom Arbeitsverbot betroffen und kam schnell in einen Trott, in dem ich überlegt habe, ob ich morgens überhaupt aufstehen will. Man bleibt liegen, aber der Kopf arbeitet weiter, davon handelt der Text, der seit Monaten aktuell ist. Als wir die Parallele bemerkt habe, wollten wir die Leute in unserem Wirkungskreis zeigen, die seit einem Jahr zu Hause sind und trotzdem nicht aufgeben.
Habt ihr Tipps, wie man positiv gestimmt bleiben kann?
Torben: Unsere Szene zeichnet ja aus, dass wir immer schon mit einem Do-It-Yourself-Mindset gearbeitet haben. Wir mussten immer alleine klarkommen. Ich glaube, deshalb ist ein Grundoptimismus in der Szene vorhanden. Wir hätten noch viel mehr Leute mit reinnehmen können. Auch wenn man nicht beruflich betroffen ist, haben wir ja alle mit der Pandemie zu kämpfen. Der Song ist somit für alle Leute gedacht, nicht nur für eine Branche.
Spannen wir mal den Bogen zu eurem neuen Album. Ihr klingt vom Sound her sehr frisch und insbesondere die Punkrock-Einflüssen dominieren diesmal über die Metalcore Elemente.
Manuel: Mein Musikgeschmack reicht von Deathcore bis Justin Bieber, den ich als Songwriter ebenfalls sehr feiere. Diese Einflüsse versuche ich einzubringen, damit es nicht langweilig wird. Wir haben nicht alle den gleichen Geschmack und hören auch nicht nur RISE AGAINST. Zudem bringt die aktuelle Situation auch eine gewisse Aggressivität mit sich, die rausmusste.
Ihr habt ja auch politische Botschaften auf dem Album. Man sieht die „Querdenker“, Hass gegen Asiaten, seit einigen Jahren den Rechtsruck. Wir anspruchsvoll ist es, politische Inhalte in drei bis vier Minuten zu verpacken?
Manuel: Ich möchte keine ganzen Themen verarbeiten, sondern eher Denkanstöße geben oder Emotionen vermitteln. Ich hatte sogar Angst, dass es in die falsche Richtung gedeutet wird. Gerade als die „Querdenker“-Demos im Sommer immer schlimmer wurden, habe ich mir Sorgen gemacht, dass sich die Zuhörenden wundern, wieso wir dazu aufrufen, auf die Straße zu gehen. Von solchem Gedankengut distanzieren wir uns ausdrücklich.
Spannend, dass du so was sagst, da ich zu keinem Zeitpunkt gedacht hätte, dass man es in diese Richtung interpretieren kann. Gab es diese Bedenken schon beim Schreiben?
Manuel: Da existierte diese Bewegung noch nicht. Die Songs sind vorher entstanden. Erst dann kam mir der Gedanke, dass ein Aufruf wie „Lass dir nicht alles gefallen, geh auf die Straße“ komplett falsch interpretiert werden kann.
Torben: Ich frage mich auch, ob es Leute für ihre Zwecke instrumentalisieren können. Aber wir waren ja nie eine Band, die durch und durch politisch ist. Ich glaube, es zeigt aber auch, wie zugespitzt die Situation im letzten Jahr war.
Manuel: Ich bin kein Frontmann, der zwischen jedem Song erklärt, wovon die nächsten paar Minuten handeln werden. Natürlich gibt es aber auch Texte, die sich ausdrücklich gegen Rechts richten. Da erfolgt dann eine Ansage.
Und zum Abschluss: Corona ist vorbei, worauf freut ihr euch privat am meisten?
Manuel: Ich freue mich, von A nach B zu fahren, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, was passieren könnte. Und als Band, wenn wir Konzerte ohne Masken und Abständen spielen können.
Torben: Ich werde mir Mühe geben, selbst wieder mehr auf Konzerte zu gehen. Als wir selbst viel unterwegs waren, war ich privat kaum noch auf Shows. Aber als wir die Doku gemacht haben, habe ich das Interview im Hamburger Logo geführt und direkt danach Tickets für die Soli-Show der ROGERS zugunsten der Location gekauft. Solche Sachen werde ich wieder öfter machen. Und ich weiß es jetzt wirklich zu schätzen, dass wir Konzerte erleben können und dürfen.
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