Vor vier Jahren noch waren AKNE KID JOE nur vier Freund:innen, die sich in der Nürnberger Kneipe Arsch & Friedrich getroffen haben. Jetzt gehört das Quartett neben FEINE SAHNE FISCHFILET zu den vielversprechendsten Senkrechtstartern in Sachen deutschsprachiger Punk. Die ersten beiden Alben „Karate Kid Joe“ (2018) und „Die große Palmöllüge“ (2020) haben AKNE KID JOE ins Zentrum des Interesses katapultiert. Ironische Texte und Themen, die zielgenau den Zeitgeist treffen. Dazu wirklich gut gemachte Auftritte in den sozialen Netzwerken. Mit dem neuen Album „Die Jungs von AKJ“ dürften der Band endgültig alle Türen offenstehen. Dabei ist Sarah, Matthias, Peter und René der Hype um AKNE KID JOE selbst nicht ganz geheuer, wie sie im Ox-Interview erzählen.
Für das Foto auf dem Plattencover posiert ihr neben einem Webergrill und mimt die leidenschaftlichen Griller:innen. Esst ihr überhaupt Fleisch?
Matthias: Das Thema Fleisch ist bei uns in der Band umstritten. Wir sind teilweise vegetarisch und teilweise omnivor. Ich glaube, das Foto auf dem Cover hat aber weniger mit dem Thema Fleisch zu tun. Der Titel des Albums lautet ja „Die Jungs von AKJ“. Deshalb dachten wir, es wäre cool, ein Bild zu schaffen, das so ein typisches Männerthema abgrast. Da kam uns eben dieses „Abwebern“ in den Sinn. Also Grillen und Barbecue. Wir haben ein Brainstorming gemacht, was wohl das coolste Motiv wäre. Alternativ hatten wir noch Junggesellenabschied, Feuerwehr oder Top-Gun-Piloten. Oder T-Shirts mit Mallorca-Sprüchen. Dann waren wir uns irgendwann einig, dass wir das Bild mit dem Grill sehr gut umsetzen können. Wir haben die Idee zusammen mit Claudia Holzinger entwickelt, einer Fotografin und Künstlerin aus Nürnberg. Auf dem Bild ist ja auch so übertrieben großes Grillgut zu sehen, denn wir wollten diese typische Männerdomäne auf die Spitze treiben. Das transportiert die Aussage des Plattentitels in unseren Augen am besten.
Der Webergrill verfolgt euch ja schon eine ganze Weile. Schon auf dem letzten Album gab es den Track „Zwischen Thermomix und Webergrill“. Der scheint ja ein Feindbild für euch zu sein, oder?
Sarah: Der Webergrill selbst ist kein Feindbild für uns. Der Peter ist sogar ein großer Fan dieser Geräte. Aber er steht einfach sinnbildlich für sehr viel in der deutschen Gesellschaft. Genauso wie eben der Thermomix. In meinen Augen symbolisiert der Webergrill Leute, die vierzig Stunden die Woche arbeiten und Freitagnachmittag aus der Fabrik herauskommen, in den Supermarkt fahren, sich Billigfleisch kaufen und zu Hause mit Freund;innen auf ihrem übertrieben teuren Webergrill mit der geilsten Ausrüstung das ganze Wochenende lang grillen. Leute eben, die dieses Klischeeleben führen. Menschen, die sich die ganze Woche lang freuen, dass sie am Wochenende endlich grillen können. Für meinen Freizeitgeschmack wäre das ein bisschen zu wenig.
Matthias: In dem Song geht es eigentlich darum, den Verfall vom Punk zum Spießbürger zu beschreiben. Früher war man noch Punk und jetzt erodiert man zwischen Thermomix und Webergrill. Früher war es einfach eine Metapher für das eher spießigere Leben.
Der Track „Sarah (Frau, auch in ner Band“) vom letzten Album hat hohe Wellen geschlagen. Damit habt ihr ein Thema aufgegriffen, das gerade in der Punk-Szene heiß diskutiert wird. Welche Reaktionen bekamt ihr auf diesen Song?
Sarah: Es gab unheimlich viele Reaktionen und es waren zu 99% positive Rückmeldungen. Ich habe keine Hasskommentare oder Beschimpfungen erhalten. Zumindest haben sie mich nicht erreicht, das ist auf jeden Fall nicht selbstverständlich. Ich hatte im Vorfeld schon ein paar Bedenken, was der Song wohl auslöst. Seitdem ist es ein Thema, das in den letzten Wochen und Monaten richtig hochgekocht ist. Jede Frau beschäftigt sich im Laufe ihres Lebens zwangsläufig damit, ob sie will oder nicht. Ich finde es voll gut, dass es diese Auseinandersetzung damit gibt. Aber ich merke auch, dass ich langsam keine Lust mehr habe, immer wieder darüber zu reden. Ich bin 32 Jahre alt und ich beschäftige mich seit 32 Jahren mit diesem Thema. Wenn man immer wieder gefragt wird: Wie ist das eigentlich als Frau? Dann nervt das irgendwann. Ich mache das, weil ich gerne Musik mache und mit meiner Punkband in der Gegend herumfahren will. Alles andere ist mir schon wichtig, aber nichts, was mein Leben erfüllt.
Im Text geht es darum, dass du vorher in einer Blaskapelle auf dem Dorf gespielt hast. Dann bist du irgendwann in der Band gelandet und alle haben dich darauf angesprochen.
Sarah: Genau, der Text ist ziemlich autobiografisch. Es hat auch damit zu tun, wie man auf dem Dorf in Bayern aufwächst. Da ist man in der Musikkapelle oder bei der Feuerwehr. Davon erzähle ich einfach. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass es nicht das ist, was ich eigentlich machen will. Das war eher das, was man macht, damit man eben was macht. Als ich dann erwachsen wurde und selbstbestimmt entscheiden konnte, ob ich lieber in einer Blaskapelle oder in einer Punkband spielen möchte, hat mir das für meine Persönlichkeit sehr gutgetan. Ich war sehr froh, dass ich diesen Schritt selbstbestimmt gehen konnte, von mir aus zu sagen: ich will lieber Gitarre in einer Punkband spielen. Das ist viel geiler als in einer Blaskapelle. Das soll niemanden abwerten, es soll einfach jeder das machen, was ihm Spaß macht. Darum geht es doch.
Welches Instrument hast du damals gespielt?
Sarah: Ich habe Oboe gespielt. Das ist ein sehr außergewöhnliches Instrument, deshalb war ich in sehr vielen Blaskapellen auf dem Dorf gefragt. Ich wurde tatsächlich ein paar Mal an andere Kapellen ausgeliehen, haha. Gespielt habe ich in der Geselligen Vereinigung Eintracht Autenried. Das ist mitten in Dunkelschwaben. Ein Dorf mit 600 Einwohnern und einer sehr berühmten Kapelle.
Und wie seid ihr dann alle in Nürnberg gelandet?
Matthias: Ich bin 2008 zum Studieren nach Nürnberg gezogen. Der große Traum von Berlin und Hamburg hat sich wegen des Numerus Clausus nicht erfüllt. Eine gute Freundin, mit der ich auf der Fachoberschule war, hat damals schon in Nürnberg gewohnt und bin ihr quasi nachgezogen. Im Herbst bin ich dann schon 13 Jahre lang in Nürnberg. Ich habe erst Soziale Arbeit studiert und war dann noch mal bis zum Vordiplom an der Kunstakademie. Zwischendurch habe ich außerdem mit dem Arsch & Friedrich eine Kneipe in Nürnberg eröffnet. Die gibt es immer noch. Dann bin ich über meinen Kontakt zu Peter zum Tätowieren gekommen und wir haben gemeinsam ein Tattoo-Studio aufgemacht. So kam immer eines zum anderen.
Peter: Ich bin hauptberuflich Tätowierer. Ich habe nicht studiert, ich wollte einfach das Dorf Langensendelbach zwischen Erlangen und Forchheim verlassen. Deshalb bin ich nach Nürnberg gekommen. Ich bin eigentlich gelernter Zimmermann. Außerdem habe ich Werkzeugmechaniker gelernt und spiele jetzt Keyboard bei AKNE KID JOE. Da bin ich quasi ungelernter Musiker.
Sarah: Ich bin für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Nürnberg gezogen, weil ich auch einfach von daheim weg wollte. Dann hat es mir gut gefallen, deshalb habe ich gleich danach studiert. Jetzt bin ich klassische Sozialarbeiterin.
René: Ich komme auch aus einem ganz kleinen Dorf: Hohenroth in der Rhön. Ich studiere aktuell auch Soziale Arbeit, allerdings in Würzburg. Deshalb bin ich der einzige in der Band, der nicht in Nürnberg wohnt, sondern in der Nähe von Schweinfurt.
Warum war es euch wichtig, das Thema Geschlechtergleichheit in Punkbands auch auf dem neuen Album aufzugreifen? Hat das mit der aktuellen Diskussion zu tun?
Sarah: Das ist schon ein Thema, das uns die ganze Zeit begleitet. Ich finde es auch cool, wenn man gewisse Dinge nicht nur so bierernst thematisiert. Man kann ja Themen auf ganz unterschiedliche Weisen angehen. „Die Jungs von AKJ“ ist eben genau das Humorlevel, das uns gut steht. Das war für uns der ausschlaggebende Grund, warum wir das gemacht haben. Diesen Titel zu wählen, war einfach eine Schnapsidee, weil es immer wieder die gleichen Vorkommnisse gibt. Wenn du als Frau in einer Band in einer Location ankommst, dann wirst du oft nicht als Musikerin registriert, sondern eher als Anhängsel von einem Musiker. Es kam auch schon oft vor, dass wir Mails bekommen haben, wo in der Anrede „Hey Jungs“ stand. Das haben wir damit ironisch wieder aufgegriffen. Also das Thema ist uns schon wichtig, aber es ist kein inhaltlicher Schwerpunkt in den Songs. Wir wollten es eben einfach noch mal erwähnt haben.
Matthias: Wir hatten noch eine gute Alternative zu „Die Jungs von AKJ“. Und zwar „Brutal, zynisch, arrogant“. Das war der Titel von einem Magazin der Gewerkschaft der Polizei zum Thema Antifa. Da war das Bild eines Molotowcocktails zu sehen und eben diese drei Worte. Daraus hätten wir auch ein sehr schönes Cover basteln können. Davor hatten wir noch eine andere Idee und zwar „Wo ne Zwille ist, ist auch ein Weg“. Das gehörte schon beim letzten Album zu unseren Favoriten, wurde aber schon einmal verworfen.
Wie nehmt ihr die aktuelle Diskussion um #PunkToo wahr? Die wird ja sehr erbittert und zum Teil auch beleidigend geführt.
Matthias: Ich halte die Diskussion natürlich für total notwendig und wichtig. Wie sie geführt wird, kann ich schlecht beurteilen. Ich war nie in der Position, in der Sarah war, deshalb möchte ich nicht darüber urteilen, wie diese Diskussion geführt werden soll. Wenn wir uns damit als Band befassen, machen wir das wie bei den meisten Themen mit einem Augenzwinkern. Da ist oft auch eine Prise Selbstironie dabei. Der Albumtitel und das Foto sind ja total selbstironisch. Trotzdem bringen wir unseren Standpunkt gut damit rüber. Deshalb finden wir es gut so. Bei jeder Diskussion, egal wie sie geführt wird, sollte man schon schauen, dass man nie den konstruktiven Fortschritt aus den Augen verliert. Das sollte in jeder Diskussion die oberste Devise sein, egal um welches Thema es geht.
Sarah: Man merkt auf jeden Fall, dass es ein aufgeladenes Thema ist und dass es an beiden Enden feste Meinungen gibt, die sich auch nicht verrücken lassen. Ich kann schon verstehen, dass sich der eine oder andere zu Unrecht angegriffen fühlt, aber man muss auch bedenken, dass Sachen passieren, die einen richtig wütend machen. Als wir zum Beispiel begrüßt wurden mit: „Hey, ihr seid doch die Jungs von AKJ“, da konnte ich in dem Moment auch nicht darüber lachen. Inzwischen kann ich das. Deswegen verstehe ich, dass eine gewisse Emotionalität in dieser Diskussion drinsteckt, denn wenn man diese Scheiße immer wieder hört, nervt es einfach brutal. Letztendlich geht es darum, eine Verbesserung anzustreben. Darum sollte es allen gehen und das funktioniert nur, wenn man gewillt ist, den Diskurs am Laufen zu halten. Ich sehe auch das Problem, dass es sich im Laufe der Zeit so verfestigt hat, dass überhaupt kein Diskurs mehr möglich ist. Dass sich die Leute nur noch gegenseitig hassen. Dann hat man eigentlich sein Ziel nicht wirklich erreicht, damit ist niemandem geholfen. Ich habe die Hoffnung, dass sich das wieder löst, wenn man sich auch mal wieder persönlich treffen kann. Diese ganzen Gespräche zwischen Tür und Angel fehlen einfach komplett. Seit eineinhalb Jahren findet alles im Internet statt und das macht auch was mit den Leuten.
Seid ihr auch abseits der Band politisch aktiv? Seid ihr Mitglieder in Parteien oder NGOs wie die Seenotrettung oder Greenpeace? Oder setzt ihr euch für lokale Initiativen ein?
Peter: Wir kommen alle aus dem gleichen Umfeld. Wir sind alle Punks, die vom Dorf in die Stadt umgezogen sind. Die politische Ausrichtung war für jeden klar, denke ich, und jede:r von uns hat sich irgendwo schon engagiert. Der eine mehr, die andere weniger. Das hängt natürlich auch von der jeweiligen Lebensphase ab. Mit 16 war ich anders drauf als mit 28. Über Demos ging es bei mir aber nie hinaus. Ich war nie Mitglied in einer Partei, dafür bin ich wahrscheinlich zu unorganisiert.
Matthias: Bei Sarah und mir gab es das Arsch & Friedrich. Das ist so eine typische linke Stadtteilkneipe, von dort ging sehr viel politische Arbeit aus. Egal, ob das jetzt Vorträge oder eine regelmäßige VoKüs waren. Es gab Aufrufe für Demos oder Vernetzungstreffen. Zum Beispiel für den Erhalt des Nürnberger autonomen Zentrums P31, das akut räumungsbedroht ist. Seitdem ich aus Zeitgründen nicht mehr dort aktiv bin, ist mein politisches Betätigungsfeld kleiner geworden. Ich nehme natürlich schon noch an Demos teil und wähle bei jeder Wahl so weit links wie möglich. Unsere Band ist ja in ihrer Haltung und in ihren Texten auch unser politisches Sprachrohr. Vielleicht ist das auch die Art und Weise von Politik, die wir gut finden. Mit einer Prise Humor klare Inhalte transportieren. Nicht zu dogmatisch sein, trotzdem genau wissen, was man sagen will, und sich nicht verbiegen lassen. Das war von Anfang an das Credo, das wir mit der Band hatten. Deshalb stufe ich das auch als eine Art politische Arbeit ein. Auch wenn man sagen muss, dass man als linke Punkband das Wasser ans Meer trägt. Wenn man so eine große Band ist wie FEINE SAHNE FISCHFILET, die auf Festivals wie Rock im Park und Rock am Ring spielen, wo 10.000 Leute vor der Bühne stehen, und dann eine klare Botschaft gegen Abschiebungen ans Publikum richtet, dann erreicht man auch Menschen außerhalb seiner Bubble. Wenn man eine linke Punkband ist, die vorwiegend in selbstverwalteten Jugendzentren spielt, dann herrscht ja meistens Konsens. Außer bei solchen Themen wie #PunkToo, wo es schon verhärtete Fronten gibt. Wo es auch einen Generationenkonflikt zwischen der Oldschool- und der queer-feministischen Position gibt.
Sarah: Ich arbeite auch in meinem Job sehr politisch mit verschiedenen Geflüchteten-Initiativen und Flüchtlingsprojekten. Da ist es oft schwer zu trennen, wofür werde ich bezahlt und was ist Ehrenamt. Bei mir zieht sich das durchs ganze Leben, seit ich 14 Jahre alt bin. Überall, wo man wirkt, wirkt man auch politisch, wie es Matthias schon gesagt hat. Er arbeitet zum Beispiel im Z-Bau und dann wird dort das Banner gegen Abschiebung aufgehängt, weil ihm das wichtig ist.
Woher kommt eigentlich euer Faible für lokale Persönlichkeiten? Ihr habt ja schon Nürnberger wie Markus Söder oder Dagmar Wöhrl durch den Kakao gezogen.
Sarah: Als wir den Song über Markus Söder geschrieben haben, waren wir überregional noch gar nicht bekannt. Aber auch Markus Söder ist ja leider inzwischen kein regionales Phänomen mehr. Wir haben ihn quasi erschaffen und groß gemacht, haha. Das tut uns auch leid, jetzt konnten wir gerade noch verhindern, dass er Kanzlerkandidat wurde. Man verarbeitet einfach das, was einem vor den Latz geknallt wird.
Matthias: An Weihnachten 2018 bin ich ins Allgäu zu meinen Eltern gefahren und dann kam im Radio eine Werbung vom Modehaus Wöhrl, dass sie am Tag vor Weihnachten ein Prozent ihres Gesamtumsatzes an eine Stiftung spenden. Dann habe ich mir gedacht, das ist ja schon eine sehr lächerliche Summe. Was ist denn schon ein Prozent? Vielleicht ist es gar nicht so wenig, wenn man sich den Gesamtumsatz von Wöhrl anschaut. Aber mich hat diese Werbekampagne einfach geärgert, weil sie nur die Leute dazu bringen wollten, kurz vor Weihnachten noch einmal shoppen zu gehen. Dann bin ich direkt an der Raststätte rausgefahren und habe den Songtext in fünf Minuten runtergeschrieben. Es war tatsächlich Zufall, dass es um Dagmar Wöhrl ging. Aber weil wir Markus Söder auch schon thematisiert hatten, fanden wir es einfach cool.
Gibt es eigentlich diesen Markus-Söder-See, von dem ihr singt, wirklich?
Sarah: Offiziell heißt er Norikusbucht, aber in Nürnberg heißt er bei vielen Leuten Markus-Söder-See. Das ist ein Teil vom Wöhrder See, der neu gestaltet wurde. Da haben der Freistaat Bayern und Markus Söder persönlich 10 Millionen Euro und viele Stunden Arbeitszeit reingesteckt, um den Nürnberger:innen ein schönes Geschenk zu machen. Damit wir endlich auch mitten in der Stadt baden können. Das hat aber leider nicht so richtig funktioniert, weil es dort immer unheimlich algig ist. Als alles fertig war, sind die Gänse zurückgekommen, die schon die ganze Zeit dort gewohnt haben, und haben die ganze Liegewiese vollgekackt. Dann gab es einen Schießbefehl für die Jäger und einen Riesenaufstand vom Tierschutz dagegen. Mahnwachen für die Gänse. Und der zweite Bürgermeister, der dafür verantwortlich ist, der übrigens auch noch Vogel heißt, hat Morddrohungen bekommen. Der ganze Plan ist also voll nach hinten losgegangen.
Peter: Die Geschichte geht aber noch weiter. Der See veralgt immer mehr, ist mein Gefühl. Das ganze Ding ist eine komplette Fehlkonstruktion. Aber irgendwie finde ich die Bucht auch cool. Ich radle oft vorbei und denke mir immer, da kann man bestimmt gut abhängen. Das ist sehr Multikulti, das mag ich wirklich sehr. Da kann man gut feiern und Leute kennen lernen.
Matthias: Den Song hat Sarah geschrieben. Das war eines unserer ersten Stücke, damals gab es die Entwicklung mit den Gänsen noch gar nicht. Es gab aber ein Video von Markus Söder in den sozialen Netzwerken, wie er im Neopren-Anzug in dieser Bucht liegt und sich dafür feiern lässt, dass er da schwimmen geht.
Peter: Und danach hat es mit den Algen angefangen, haha.
Über die Poetry-Slammerin Julia Engelmann habt ihr ja auch schon einen Diss-Track geschrieben. Was hat euch an ihr gestört?
Sarah: Der Song stammt von unserem ersten Schlagzeuger Sven. Der hatte auch ein ausgeprägtes Hass-Level gegenüber einigen Menschen. Unter anderem eben Julia Engelmann. 2017, als der Song entstanden ist, war die einfach voll präsent. Die fanden wir alle einfach furchtbar. Die steht wie der Webergrill sinnbildlich für alles, was scheiße läuft. Vor allem im Musikbusiness. Dass man mit so einer Scheiße Geld verdienen kann. Wenn man sich mal ihren Social-Media-Auftritt anschaut, da kommt einem echt nur die Kotze hoch.
Matthias: Das Problem an Julia Engelmann war, dass sie sehr einfache Lösungen für doch vielleicht tiefersitzende Probleme angeboten hat. Dir geht es scheiße? Dann iss einfach eine Grapefruit. Sauer macht lustig und alles ist wieder gut. Darauf basiert ihr Output. Viele Menschen springen auf so was an. Deshalb nervt das schon. Ihr erster Poetry-Slam-Beitrag, wo sie das Cover dieses Popsongs „One day“ eingebaut hat, ging ja total viral. Vorher war sie ja schon Darstellerin bei der RTL-Seifenoper „Alles was zählt“. Die hatte also schon eine Karriere und kam nicht aus dem Nichts. Sie verkauft einfach Kalendersprüche als Lyrik und gibt sich als Lebensratgeberin. Und das finde ich echt schwierig.
Sarah: Ihr geht es hauptsächlich ums Verkaufen. Sie braucht mir nicht zu erzählen, dass sie das macht, weil es so tief in ihr steckt und die Kunst einfach raus muss. Da sitzt vermutlich eine Marketingagentur dahinter, die ihr die Zielgruppe und die Themen vorgibt. So läuft es eben im Pop-Business, denke ich.
Ein Song, der in aller Munde war, ist „What AfD thinks we do ...“. Daher kommt auch das Zitat „Die Band mit dem Antifa-Tarifvertrag“. Welche Reaktionen haben euch dazu erreicht?
Matthias: Wir hatten nicht damit gerechnet, dass dieser Song so viral geht. Den Song habe ich geschrieben und nie gedacht, dass der für so viel Wirbel sorgen könnte. Vor allem, weil wir auf dem Album davor auch Songs hatten, die fast expliziter waren. Zum Beispiel „Ein Morgen ohne Deutschland“ oder „Kartoffel“. Ich hatte aber zu keinem Zeitpunkt Angst, dass ein Neonazi-Sturmtrupp bei mir vor der Haustüre steht und mir die Scheiße aus dem Leib prügelt. Das Feedback auf den Song war schon sehr positiv, aber durch die riesige Reichweite gab es natürlich auch einen nicht zu ignorierenden Prozentsatz an Hass-Kommentaren. Wenn man sich die Kommentare auf YouTube anschaut, dann merkt man schon, dass rechte Trolls versucht haben dagegenzuhalten. Da wird man schon nachdenklich, wenn man eine Morddrohung liest. Ganz kalt lässt es mich nicht, aber wir haben einfach versucht, deshalb keine schlaflosen Nächte zu haben.
Sarah: Das lag daran, dass man gemerkt hat, dass hinter den heftigen Kommentaren keine echte Person am PC steckt, die sich explizit mit dir beschäftigt hat. Die gegooglet hat, woher du kommst und was du so treibst. Es waren also Kommentare, die du so oder so ähnlich unter jedem Video im Internet findest, das irgendwelche linken Themen transportiert. Das relativiert die Gefahr einfach, weil man weiß, wie so was ganz gezielt gesteuert wird. Zum Beispiel wurde uns auch ein Link zugeschickt, wo das Video auf einem rechten Blog veröffentlicht wurde. Die haben im Text beschrieben, was wir in dem Video machen, aber ohne zu erwähnen, dass das alles Ironie ist. Die Überschrift lautete: „Erschreckender Einblick in Antifa-Terrorcamp“. Die haben also unseren Song dafür benutzt, um ihre Lügen zu verbreiten, dass die Antifa vom Staat gesteuert und finanziert wird. Wir haben denen damit also noch einen vermeintlichen Beleg für die eigene Agenda geliefert.
Matthias: In der Telegram-Gruppe von Attila Hildmann wurde der Song auch mal gepostet. So nach dem Motto: Hier ist der Beweis, sie geben es zu, dass sie Geld für Demos kassieren. Der Song hat auf jeden Fall jede Menge Reaktionen bekommen, aber unterm Strich waren es vor allem viele positive. Uns hat total baff gemacht, dass dieses Thema über unsere Bubble hinaus für so großes Aufsehen gesorgt hat. Auf diesen Song sind dann auch bürgerliche Medien wie Die Zeit angesprungen. Da hatten wir anfangs schon ein paar Probleme, wie man damit umgeht. Als linke Punkband, die den Anspruch hat, auf alles zu scheißen. Andererseits fanden wir es natürlich auch cool, dass der Song Anerkennung bei Leuten findet, die sich normalerweise nicht damit befassen, wie groß die Gefahr von rechts ist.
Sarah: Meine Mutter hat den Song in der erweiterte Familien-WhatsApp-Gruppe gepostet. Meine Familie ist zwar cool, aber nicht explizit links. Die meisten wählen traditionell CSU, weil man das in Bayern einfach so macht. Da kam von allen immer nur positives Feedback, obwohl der Song ja explizit sehr linke Inhalte vertritt. Da war ich doch positiv überrascht.
Je bekannter ihr werdet, desto mehr Leute achten auf eure Texte. Seid ihr dadurch vorsichtiger geworden?
Matthias: Ganz klar: nein. Wir haben aber auch noch nie einen politischen Song geschrieben, um innerhalb der Szene zu fischen. Wir schreiben immer darüber, was uns gerade beschäftigt. Das sind die gleichen Themen wie beim letzten oder beim vorletzten Album. Wenn ich in zwanzig Jahren noch Musik machen sollte und ich nur noch der Hundeliebe verfallen bin, schreibe ich vielleicht ein ganzes Album über Hunde. Momentan ist aber mein Themenschwerpunkt der gleiche wie noch vor vier Jahren. Deshalb ändert sich an den Songs nichts. Wenn man sich vorher überlegt, dass ein Text irgendwo nicht gut ankommen könnte, dann fängt der Verfall einer Band an. Wir ertappen uns aber selbst inzwischen beim Songwriting dabei, dass wir sagen: Es wäre schon geil, wenn die Hook mehr knallt. Damit alle mitsingen. Wenn man sich dabei aber schon ertappt hat, dann steuert man auch bewusst dagegen und sagt: Lasst es uns gerade nicht so machen.
Zu euren ersten beiden Alben gab es ja jeweils ausführliche Booklets mit allen Texten. Warum ist es euch wichtig, dass die Texte gelesen und verstanden werden? Bei manchen Punkbands versteht man ja kein Wort, wenn man die Musik hört.
Peter: Ich nehme die ganzen Songs ja immer auf, und wenn ich finde, dass ein Song geil klingt, dann sagt Matthias als Meister der Texte immer dazu: Das ist doch scheiße, das versteht man doch gar nicht. Ich achte nur auf die Musik und will, dass der Sound gut ist. Und dann kommt Matthias und legt sein Veto ein. Er meint es natürlich gut und hat vollkommen recht, aber ich höre das zum Beispiel überhaupt nicht. Im Grunde sind die Texte bei uns viel wichtiger als die Musik, aber wir versuchen natürlich auch gute Musik zu machen. Mein Anspruch ist es, dass irgendjemand was über ein Album von uns schreibt und sagt: Geile Musik, und dann kommen erst die Texte.
Matthias: Dafür hast du vielleicht die falschen Leute erwischt, haha. Wir ergänzen uns da schon ganz gut. Im Normalfall schreibe ich immer zuerst einen Text und dann überlege ich mir Akkorde dazu. Entweder schreibe ich mir die auf oder nehme sie mit dem iPhone auf. Dann überlege ich gemeinsam mit Peter, wie wir die Idee zusammen umsetzen können. Er füllt dann genau die Löcher, die ich niemals füllen kann. Wie muss ein Basslauf sein? Wie muss ein Schlagzeug dazu klingen? Ich will primär, dass man den Text zu diesem Song versteht. Ich finde es total schade, wenn eine Band gute Texte schreibt, die ich nicht verstehe. Es gibt unzählige Bands, die ich im Nachhinein noch viel mehr abgefeiert habe, als ich mir nach dem Konzert das Textblatt durchgelesen habe. Eine Band, die tolle Musik macht, aber belanglose Texte hat, finde ich nicht gut. Ich bevorzuge eher Bands, die schlechte Musik machen und gute Texte haben.
TON STEINE SCHERBEN haben in den Siebzigern sehr darunter gelitten, dass sie immer auf ihre Texte reduziert wurden. Quasi als Politaktivisten.
Matthias: Was gibt es denn Cooleres, als auf einer Demo zu sein, bei der dein Song gespielt wird, den du zu diesem Thema geschrieben hast? Als wir ein Video von einer Anti-Nazi-Demo in Dresden zugeschickt bekommen haben, bei der ein Song von uns lief, fanden wir das total geil. Damit haben wir schon mehr erreicht, als wir uns je erhofft hatten.
Seht ihr euch in der Tradition von solchen Polit-Bands? Eben wie den Scherben, deren Songs heute noch auf Demos gespielt werden.
Matthias: Ich bin ja viel zu jung, um TON STEINE SCHERBEN noch live erlebt zu haben, aber mit 16 habe ich mir deren Songs natürlich auch reingezogen. Das war für mich auf jeden Fall ein Turning Point. Gerade in der Zeit, in der ich meine politische Orientierung gefunden habe, haben mich solche Bands nachhaltig geprägt. Ein Haus in Berlin zu besetzen, war für mich als kleines Dorfkind schon der nächste Schritt, den ich unbedingt machen wollte. Ich habe sowieso viel deutschsprachige Musik gehört, weil ich da einfach einen Bezug herstellen konnte. Als Zwölfjähriger hatte ich zum Beispiel eine Kassette von Hans Söllner. Den braucht man heute nicht mehr zu hören, weil er voll der Verschwörungstheoretiker geworden ist, aber damals fand ich einen bayerischen Musiker, der gegen den Staat, die CSU und Nazis singt, einfach toll. Deshalb hat es uns alle total schockiert, wie er inzwischen abgedriftet ist. Das tut mir jetzt noch weh. Im Song „Wieso?“ beschäftigen wir uns mit genau diesem Thema. Da geht es um ein ehemaliges Idol, dem man seinen Sinneswandel als Verrat an der eigenen Jugend anrechnet. Ich würde nie so weit gehen und sagen, dass wir in die Fußstapfen von solchen Künstler;innen treten, weil wir eine ganz normale Punkband sind, die keinen Ikonenstatus hat. Aber natürlich freut es uns, wenn die Message, die wie haben, auch wieder bei anderen Leuten gut ankommt.
Sarah: Wenn wir alle mit Julia Engelmann aufgewachsen wären, würden wir nicht die Musik machen, die wir machen. Man wird ja geprägt durch das, was man hört. Deshalb haben uns natürlich Leute imponiert, die über den Tellerrand hinausgeschaut und eine andere politische Perspektive vermittelt haben als das, was man von der CSU kannte. Deshalb haben uns solche Leute natürlich inspiriert. Ich sehe AKNE KID JOE zwar nicht in der Tradition solcher Künstler:innen, aber die logische Konsequenz daraus.
Matthias: Ich hatte auch nicht die typische Punk-Jugend. Bei uns auf dem Dorf gab es keine Punks. Es war eher so eine alternative Clique, in der man sich bewegt hat. Ich habe damals total viel Bob Marley gehört, die Musik hat bei mir auch die richtigen Knöpfe gedrückt. Oder Bands wie NIRVANA. Ich war in meiner Jugend nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt. Punk kam bei mir erst, als ich schon über zwanzig war und in der Stadt gewohnt habe.
Wie war das bei dir, René? Du bist ja erst kurz vor dem neuen Album in die Band gekommen.
René: Bei mir war schon viel Hardcore und Skatepunk dabei. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mit 28 Jahren noch einmal eine Anfrage von einer Band wie AKNE KID JOE bekomme. Ganz kurz fand ich das auch albern. Das hat sich für mich angefühlt, als ob ich mit 28 Jahren noch mal mit dem Rauchen anfange. Jetzt bin ich da und finde es einfach nur cool.
Mit euren ironischen, humorvollen Texten ähnelt ihr in meinen Augen der ANTILOPEN GANG. Könnt ihr was mit denen anfangen?
Matthias: Wir haben uns zwar noch nicht persönlich kennen gelernt, aber als wir unser erstes Konzert im Störtebeker in Hamburg gespielt haben, war Danger Dan im Publikum zu Gast. Ich finde die ANTILOPEN GANG tatsächlich cool. Die machen ständig neue Songs und produzieren auch immer sehr kreative Videos dazu. In ihren Texten denken sie immer ein bisschen um die Ecke und sind natürlich sehr selbstironisch. Das gefällt mir schon sehr gut.
Ich mag ja eure Facebook-Posts sehr. Zuletzt hab ich sehr über die verpasste Chance gelacht, mit euch in den Europapark zu fahren. Ihr scheint ein gutes Händchen für Social Media zu haben.
Matthias: Den Humor, den wir in unsere Texte packen, kann man ohne Probleme auch in einem witzigen Post unterbringen. Ich beschäftige mich beruflich mit dem Thema soziale Medien, weil ich in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Z-Bau tätig bin, einem großen Kulturhaus in Nürnberg. Ich habe an der Kunstakademie fünf Semester Grafikdesign studiert. Ich weiß also durchaus, wie man ein kurzes Video zusammenschneidet, das für einen Lacher sorgt, oder wie man ein Meme bastelt. Es macht uns einfach Spaß, die sozialen Medien nicht nur als klassische Ankündigungs-Plattform zu benutzen, sondern als zusätzliches künstlerisches Ausdrucksmittel neben der Musik. Ich merke aber auch, dass mich soziale Medien oft überfordern. Facebook stresst mich extrem, vor allem die Kommentarspalten. Meinen persönlichen Account habe ich schon vor einer Weile plattgemacht und kümmere mich nur noch die Administration für die AKJ-Seite. Das ist einfach ein krasser Zeitfresser. Trotzdem ist es uns wichtig, dass wir unsere Inhalte auch über Social Media verbreiten.
Sarah: Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Leute einen beschissenen Social-Media-Auftritt haben. Okay, ein oder zwei Sachen gibt es, die noch schlimmer sind. Aber dann sollte man es lieber gar nicht machen. Für viele Dinge braucht man einfach ein Gespür, das haben wir zum Glück. Wenn man es nicht hat, ist es kein Weltuntergang, aber es ist immer gut, wenn man weiß, was man kann und was man nicht kann. Wir können gut Social Media und weniger gut Musik, haha. Und machen trotzdem beides.
Matthias: Man kann Social Media super für sich nutzen, man kann sich dem ganzen Scheiß aber auch komplett entziehen. Eine Band wie PISSE zum Beispiel hat von Anfang an gesagt, das geht uns am Arsch vorbei. Die haben einen Blog und eine Bandcamp-Seite und sind trotzdem eine Band, die in jedem linken Zentrum in Deutschland spielt und die Hütte voll macht. Weil sie musikalisch und textlich saugut sind. Die hätten locker die Skills, einen guten Instagram-Account zu betreiben. Sie haben einfach keinen Bock drauf und das ist auch voll okay.
Sarah: Das hat aber natürlich auch Einfluss auf die Reichweite. Bei denen musst du dich hinsetzen und googlen, um zu erfahren, wo sie Konzerte spielen. Die reiben dir nicht ständig unter die Nase, dass sie bei dir ums Eck auftreten. Wenn du auf ein Konzert von PISSE willst, musst du dich darum kümmern. Das ist natürlich auch ein sehr interessanter Ansatz.
Da sind EA80 noch viel krasser. Die haben kein Merchandise und geben nur ganz wenige Interviews. Und auf ihrer offiziellen Website steht nur ein Schriftzug von ihrem Namen.
Matthias: Die haben natürlich Legendenstatus und müssen sich nicht mehr vermarkten. Heute läuft einfach viel mit Videos, die natürlich auf YouTube veröffentlicht werden. Das ist ja auch ein soziales Netzwerk. Das ist natürlich extrem anstrengend, macht aber auch super viel Spaß, weil es nach dem Belohnungsprinzip funktioniert. Du lädst dein Video hoch, bekommst tausende Klicks und denkst dir: Alter, wie geil. Es kommt ja auch vor, dass man sich mit einem Video total viel Mühe gemacht hat, das dann keiner anschaut. Das ist natürlich sehr frustrierend. Es gibt Bands, die haben schon sechs Alben geschrieben und alle waren besser als unsere, aber kein Mensch interessiert sich dafür, weil der Social-Media-Account einfach zu schlecht ist.
Zu den beiden Songs „RiP“ und „RaR“ habt ihr ein sehr lustiges Kombi-Splatter-Tatort-Video gedreht. Die beiden Festivals scheinen wie ein rotes Tuch für euch zu sein.
Peter: Ich fand bei Rock im Park vor allem cool, wie man reinkommt, ohne Geld zu bezahlen. Jeder kennt irgendeinen Schleichweg. Ich war auf jeden Fall schon ein paar Mal dort und habe mitgefeiert. Jeder, der aus Nürnberg kommt, landet irgendwann mal dort. Für mich ist das wie ins Kino gehen, aber nur wenn das Wetter gut ist. Dann schleiche mich irgendwie rein und denke mir: Was für eine Scheiße. Obwohl auch ab und zu gute Bands spielen.
Matthias: Ich habe einen guten Trick, wie man kostenlos reinkommt. Wir sind immer zu einem Eingang für Personal und haben vorher was Langärmliges angezogen, damit man nicht gleich sieht, ob wir Bändchen haben oder nicht. Wir haben immer eine große Flasche Wein dabei, damit sie uns sagen, dass die nicht rein darf. Dann haben wir die einfach abgestellt und sind reingegangen, weil die Security gar nicht mehr nach dem Bändchen gefragt hat. Sollte jetzt aber irgendwann eine Anfrage kommen, ob wir mit AKNE KID JOE mal dort spielen wollen, müssten wir uns ja nach diesen Songs selbst total verraten. Immerhin können wir dann sagen: War doch alles Ironie, alles nicht so gemeint, haha.
Sarah: Zum Zeitpunkt dieses Interviews gab es auf jeden Fall noch keine Anfrage von Rock im Park. Zumindest wissen wir nichts davon. Ich würde aber nicht ausschließen, dass wir zusagen würden, wenn die Kohle stimmt.
Matthias: Wenn es so weit kommen sollte, dass wir es innerhalb von so kurzer Zeit auf dieses Festival schaffen, dann ist es an Absurdität nicht zu überbieten. Dann müssen wir uns wirklich ernsthaft überlegen, ob wir uns den Spaß nicht geben sollen.
Sarah: Das wäre nicht nur für uns absurd, sondern auch für Rock im Park. Da würden sich beide Seite nicht unbedingt mit Ruhm bekleckern. Deshalb würden wir es gerne machen, haha.
Ihr seid ja in kürzester Zeit richtig bekannt geworden. Dieses Jahr seid auf den Titelseiten von Plastic Bomb, Trust und dem Ox. Dabei gibt es euch gerade mal vier Jahre. Macht das was mit euch?
Sarah: Angst macht es mir keine. Ich finde ziemlich merkwürdig. Manchmal habe ich das Gefühl, das etwas von außen in AKNE KID JOE hineininterpretiert wird, was wir irgendwann vielleicht nicht mehr erfüllen können. Es gab zum Beispiel den Punkt, an dem Leute nach dem Konzert gekommen sind und gefragt haben, ob ich ein Autogramm auf ihre Platte schreiben kann. Da habe ich mir gedacht: Warum soll ich auf dieser Platte unterschreiben? Das Design ist doch voll schön, da schreibe ich doch jetzt nicht meinen Namen drauf. Das ist doch total bekloppt. Plötzlich passieren Dinge, mit denen ich niemals gerechnet hätte. Ich finde es aber auch extrem unterhaltsam zu sehen, wie so was passieren kann. Und teilweise auch krass, weil ich weiß, wie es bei uns hinter den Kulissen zugeht. Mit diesen dummen Ideen so den Nerv der Zeit zu treffen, das ist schon sehr lustig. Vor allem weil ich – und das ist kein Understatement – überhaupt nicht Gitarre spielen kann. Aber jetzt eben in dieser Band bin und es macht mir einfach Spaß. Nach dem Konzert kommen die Leute zu mir und sagen: Wow, megageiles Konzert. Und ich denke mir: Schön, dass es dir gefallen hat. Aber musikalisch betrachtet ist der Fame, den ich bekomme, nicht gerechtfertigt.
Matthias: Entscheidend ist einfach, was du ausstrahlst. Als wir beim Festival „Angst macht keinen Lärm“ vor über 2.000 Zuschauern gespielt haben, ist Sarah einfach ans Mikro gegangen und hat gesagt: Die anderen sind alle total aufgeregt, aber mir ist das scheißegal. Und genau für diese Attitude wirst du vom Publikum bewundert. Du erreichst die Leute nicht damit, dass du ein besonders krasses Solo spielst, das tue ich genauso wenig.
Sarah: Wie wichtig das ist, habe ich erst gemerkt, als ich das selbst erlebt habe. Als ich noch eine passive Haltung zur Musik hatte und nur konsumiert habe, habe ich immer gedacht, die erfolgreichsten Bands sind immer auch die besten Musiker:innen. So ist es aber nicht. Es ist immer das gesamte Paket, was zählt.
Wie DIY seid ihr eigentlich noch? Ihr habt mit Kidnap Music ein tolles Label, Audiolith kümmert sich ums Booking. Bringt der Erfolg immer mehr Allianzen mit sich?
Matthias: Wir können nicht mehr sagen, dass wir eine klassische DIY-Band sind. Wenn DIY heißt, dass man alles selbst macht, dann war unsere Karriere relativ schnell vorbei. Schon unsere erste EP „Haste nich gesehn!“ ist bei Raptor Records erschienen, dem kleinen Label von einem Kumpel von uns. Drei Wochen später hat uns schon Alex von Kidnap Music angeschrieben, ob wir nicht zusammenarbeiten wollen. Damals wussten wir noch nicht mal, dass Labels Geld für eine Plattenproduktion lockermachen. Wir haben nie auch nur eine Bewerbung an ein Label geschrieben. Durch Kidnap waren wir sofort in professionellen Strukturen unterwegs, die aber trotzdem voll in der Subkultur verortet sind. Booking, Artwork, Videos oder Studioaufnahmen, das haben wir immer alles selbst gemacht. Beim neuen Album haben wir uns zum ersten Mal noch mehr Partner ins Boot geholt. Zum Beispiel Claudia Holzinger, die das Artwork gemacht hat. Bis Ende 2019 haben Sarah und ich das Booking alleine gemacht. Aber es wurde einfach immer krasser. Irgendwann wurde die Zahl der Anfragen so groß, dass wir es nicht mehr allein bewältigen konnten. Wir haben teilweise zwanzig Stunden in der Woche gebraucht, um alle Mails zu beantworten. Um auch vernünftige Tourpläne zu erstellen, haben wir uns irgendwann entschieden, mit Audiolith zusammenzuarbeiten.
In der Band habt ihr die verschiedenen Aufgaben auf alle verteilt. Peter kümmert sich ums Studio und die ganze Technik, Matthias ist für Grafik und Social Media zuständig und Sarah organisiert die Buchhaltung. Für eine Punkband seid ihr ziemlich gut organisiert.
Sarah: Für mich ist das Allerwichtigste in der Band, dass ganz klare Zuständigkeiten verteilt sind. Wir ticken alle sehr ähnlich und können uns da auch voll vertrauen. Wenn Peter zum Beispiel irgendwas zur Technik sagt, dann hinterfrage ich das auch nicht, weil ich weiß, er hat viel mehr Ahnung davon als ich. Oder warum sollte ich eine Grafik machen, wenn neben mir ein ausgebildeter Grafikdesigner sitzt. Das macht das Arbeiten in der Band viel einfacher, weil diese ganze nervige Scheiße wegfällt. Wenn im Studio zum Beispiel jeder immer das letzte Wort haben wollte, dann wäre die Band ein extrem nervenaufreibender Prozess. Wir würden uns wohl innerhalb von einem halben Jahr komplett zerstreiten. Es ist ein extremer Glücksfall, dass wir vier Persönlichkeiten mit vier unterschiedlichen Talenten sind. Wichtig ist es, dass es am Ende gut ist. Bei uns ist der Weg dahin sehr entspannt und das freut mich sehr.
Peter: Viele Bands gehen ja kaputt, weil die Egos der einzelnen Mitglieder nicht miteinander vereinbar sind. Als René zu den Aufnahmen dazukam, hatten wir das Schlagzeug schon so programmiert, wie wir uns das so gedacht hatten. Er war dann total entspannt. Bei zwei Songs meinte er sogar selbst, dass wir E-Drums verwenden sollten, weil es einfach besser für die Songs sei. So was ist nicht selbstverständlich für einen Musiker, das eigene Ego hintanzustellen und nur an das Gesamtergebnis zu denken.
Matthias: Wir schaffen es gut anzuerkennen, wer welchen Kompetenzbereich hat, und den auch zu respektieren. Klar gibt es bei uns auch ein Vetorecht, wenn einem etwas überhaupt nicht gefällt. Aber wir schaffen es wirklich gut, dem anderen so wenig wie möglich in seinen Bereich hineinzupfuschen. Das bringt uns einfach schnell und effektiv an unser Ziel. Das gibt es in vielen Bands einfach nicht.
Als ihr die Band gegründet habt, gab es ja eine komplette Rochade an den Instrumenten. Matthias, eigentlich Drummer, spielt jetzt Gitarre. Peter, eigentlich Bassist, bedient den Synthie und Sarah hatte vor der ersten Bandprobe noch nie eine Gitarre in der Hand. Was war der Plan?
Matthias: Sven, unser erster Drummer, war auch kein Schlagzeuger, sondern ein begnadeter Singer/Songwriter. Der kann super singen und Gitarre spielen. Ich hatte einfach die Sehnsucht, eigene Texte zu schreiben und mir zu überlegen, wie Songs klingen sollen. Damals war mir ein gewisser naiver Charme auch total wichtig. Mir war völlig bewusst, dass ich nicht singen kann, und ich wusste auch, dass Sarah nicht gut Gitarre spielen kann. Wir wollten es aber trotzdem so machen, weil wir uns einfach gut verstanden haben und Lust darauf hatten. Wie es klingt, war uns am Anfang scheißegal. Zuerst wollte ich sogar, dass ich nur Gitarre spiele und Sven am Schlagzeug singt. Ich habe es kaum ertragen, mich singen zu hören.
Ihr habt ja offenbar inzwischen auch den einen oder anderen prominenten Fan. Ich weiß zum Beispiel von Matthias Egersdörfer. Wisst ihr noch von anderen?
Matthias: Das mit dem Egersdörfer finde ich persönlich total krass, weil ich den schon kannte, als ich noch im Allgäu gewohnt habe. Aus dem „Quatsch Comedy Club“ im Fernsehen. Oder dem fränkischen „Tatort“, wo er den Typen von der Spurensicherung spielt. Der kennt uns und findet uns sogar gut. Bestes Beispiel sind PASCOW, die uns anschreiben und auf ihrem Label haben wollen. Die habe ich früher immer abgefeiert. Die liken nicht nur ein Foto von uns auf Facebook, sondern rufen an und fragen, ob wir mit ihnen eine Tour spielen wollen. Oder Olli Schulz, der in seinem Podcast „Fest & Flauschig“ erzählt, er hätte unseren Song den ganzen Tag lang gehört. Da wird einem die Reichweite bewusst, die man inzwischen hat.
Sarah: Eines der ersten 150 Likes auf Facebook kam vom Bassisten von TOCOTRONIC. Plötzlich habe ich gelesen: Jan Klaas Müller gefällt AKNE KID JOE. Davon habe ich sofort einen Screenshot gemacht und in der Gruppe gepostet. Alter, was geht denn hier ab! Zu diesem Zeitpunkt hatten nur Leute aus unserem Bekanntenkreis unsere Seite geliket.
René, wie war es eigentlich für dich, in eine so gut geölte Maschine einzusteigen? Eine Band, in der alle ihre Aufgaben haben und sich alle super verstehen.
René: Jede Nachricht, die auf meinem Handy aufploppt, ist für mich ein kleiner Hype. Wir drehen einen Trailer für das neue Album im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg. Krass. Diese Möglichkeiten sind für mich noch so surreal. Alles, was die anderen schon cooler angehen, empfinde ich als voll krass. Deshalb bin ich ständig geflasht von dem, was da so kommt. Bei jeder Nachricht, die in unseren Gruppen-Chat kommt, ist meine Antwort erst mal: Wow, krass.
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