Am 1. November 2024 erscheint auf Gunner Records „Förde Runs Red“, das neue Album von AFFENMESSERKAMPF aus Kiel, deren deutschsprachiger Punkrock von jeher von viel Zynismus bestimmt war. An einem Sonntagmorgen im August schalte ich mich mit Torben (gt), Mirko (bs) und Hannes (voc) online zusammen, um mit ihnen über das Wesen von AFFENMESSERKAMPF und das neue Album und dessen Nicht-Parallelen zu „River Runs Red“ zu sprechen.
Erst mal Glückwunsch zum neuen Album! Bands erzählen ja oft, dass es so ist, als ob man ein neues Kind auf die Welt gebracht hat: Man ist total stolz und möchte allen Leuten davon erzählen. Ist es bei euch auch so oder denkt ihr eher, jetzt ist es fertig und muss für sich selbst sprechen?
Torben: Eine Band ist ja im Gegensatz zu Kindern eine reine Spaßveranstaltung. Ich finde den Vergleich auf jeden Fall schräg. Wir haben uns ja ein bisschen Zeit gelassen, was auch Corona-bedingt war, dadurch hat es einfach gedauert. Natürlich ist man froh, wenn es fertig ist. Obwohl man sich danach vielleicht doch noch mal an ein, zwei Stellen denkt: Ah, das hätte man vielleicht noch mal einen Tick anders machen können. Also es ist schön, aber es ist auf jeden Fall nicht wie ein neues Kind.
Aber würdest du jetzt sagen, das Ding ist fertig und soll für sich alleine stehen, oder möchtest du gerne noch darüber reden?
Torben: Das gehört ja schon dazu und natürlich haben wir uns auch was dabei gedacht und Hannes hat sich ordentlich was bei den Texten gedacht, wir gehen damit raus und dann ist natürlich auch klar, dass wir darüber sprechen und auch sprechen wollen.
Mirko: Aber es hat sich irgendwie auch ewig hingezogen, muss man sagen, und deswegen sind wir auch froh, dass es jetzt fertig ist. Sowohl der Prozess, jetzt überhaupt einen Termin zum Aufnehmen zu finden, ganz abgesehen davon, wie lange man diesmal teilweise an den Songs gekurbelt hat. Und dann auch der Aufnahmeprozess an sich, der sich dieses Mal echt länger hingezogen hat als die letzten Male und als wir eigentlich beabsichtigt hatten. Von daher sind wir auch froh, dass das Thema jetzt erledigt ist und wir uns mit anderen Sachen beschäftigen können, vielleicht auch mal mit neuen Songs.
Torben, du hast gerade schon angesprochen, dass es unter anderem wegen Corona so lange gedauert hat, aber ich glaube, es lag auch daran, dass ihr alle an unterschiedlichen Orten wohnt, zudem habt ihr ja neben der Band noch ein Leben mit Arbeit und Familie. Ich stelle mir vor, dass es da schwierig ist, sich als Band zu koordinieren ...
Mirko: Unsere Wohnsituation hat sich, glaube ich, durchgängig bei allen Alben verändert. Im Vergleich zur vorherigen Platte „Clowns in Wut“ hat sich unsere Wohnsituation eigentlich verbessert, weil wir alle wieder halbwegs in die Nähe voneinander gezogen sind beziehungsweise alle wieder in Kiel leben. Außer Hannes, der ein bisschen in der Peripherie wohnt, aber nicht mehr in Bremen. Und dann kam Corona und hat uns daran gehindert, von dieser verbesserten Wohnsituation zu profitieren.
Hannes: Wir haben uns ja ewig nur zu dritt getroffen ... nicht einmal zu dritt! Wir haben das wirklich sehr ernst genommen, hatte ich so das Gefühl. Wir haben uns gar nicht als Band getroffen, um Musik zu machen. Es haben sich immer nur zwei Leute getroffen. Was eigentlich immer bedeutete, dass Hauke, unser Schlagzeuger, ran musste, um dann mit irgendwem irgendwas zu machen.
Das heißt, ihr habt euch dann getroffen und schon gezielt für das Album geschrieben oder schon was aufgenommen?
[Torben möchte sich bemerkbar machen, man kann ihn aber wegen schlechter Internetverbindung nicht verstehen.]
Mirko: Ich glaube, Torben wollte sagen: Grundsätzlich war es so, dass wir Songs so geschrieben haben, dass irgendjemand mit einer Idee ankam, mit einer Skizze sozusagen, und dass wir das dann im Proberaum zusammengedengelt haben. Während der Corona-Pandemie, als wirklich an Proben nicht zu denken war, sondern sich in der Regel Hauke mit irgendjemandem im Proberaum getroffen hat, da konnten wir natürlich keine alten Songs proben. Das heißt, es wurde viel geschrieben. Aber immer nur von einer Person. Wir hatten dann also, als wir wieder zusammen oder zumindest in kleineren Konstellationen proben konnten, relativ viele unterschiedliche Skizzen und mussten dann schauen, dass wir die zu AFFENMESSERKAMPF-Songs bauen. Was ich bei einigen Songs ein bisschen schwierig fand, teilweise. Bei einigen Songs haben wir da wirklich bis ins Nirwana rumgeorgelt und umgebaut, verkompliziert und wieder zurückgebaut und irgendwann gesagt: einfacher, einfacher, einfacher, alles rausschmeißen. Und dann ist der Song in der Regel so auf der Platte gelandet, kann man sagen. Wir hatten zum Beispiel einen Song, ich weiß gar nicht, von wem der kam, der war konzipiert als ein Zehn-Minuten-Stück im Stile von ROLLINS BAND. Ich glaube, jetzt hat er wieder zwei Minuten und klingt wie alles von uns. Und dann haben wir zwischendurch gesagt: Okay, das ist jetzt teilweise so frustrierend, an diesen Baustellen zu arbeiten, jetzt machen wir zur Abwechslung mal den billigsten Song, den wir je geschrieben haben. Davon sind auch ein paar auf der neuen Platte.
Mirko hat gesagt, dass es etwas dauerte, bis aus den Skizzen echte AFFENMESSERKAMPF-Songs geworden sind. Was charakterisiert einen echten AFFENMESSERKAMPF-Song?
Mirko: Es gibt eigentlich kein Konzept. Was heißt „eigentlich“, es gibt kein Konzept! Es gibt auch keinen musikalischen Querschnitt, wo wir sagen: „Okay, so wollen wir klingen“. Ich sage mal: Ungefähr 200 bpm und zwei Minuten sind der gemeinsame Nenner unserer Songs. Aber darüber hinaus gibt es kein musikalisches Konzept.
Warum heißt das Album „Förde Runs Red“?
Hannes: Weiß ich nicht.
Mirko: Ich glaube, wir hatten sehr viele Titel, oder?
Hannes: Ja, wir hatten super viele Titel. Aber was wir noch nie gemacht haben, ist, einen Songtitel als Plattentitel zu nehmen. Hatten wir noch nie, oder?
Torben: Nein, mag ich auch nicht.
Hannes: Ich fand ganz gut, mal was anderes zu machen. Der Slogan ist cool, das Album „River Runs Red“ von LIFE OF AGONY ist geil. Und der erste Song auf dem Album „Förde Runs Red“ ist also „Förde runs red“ und das ganze Artwork ist: Die Kieler Förde runs red.
Ich hätte gedacht, dass es wie „River Runs Red“ ein Konzeptalbum ist ...
Hannes: Nee, am Text von dem Song haben wir auch super ewig herumgedoktert. Das war zu der Zeit, als ich aus Bremen nach Kiel zurückgezogen bin und es war so: Ja, jetzt bist du wieder hier und eigentlich wird die Stadt immer beschissener, aber schließlich willst du jetzt auch nicht so den Nostalgiker oder den sentimentalen Trottel raushängen lassen, der den Leuten erzählt, dass früher alles besser war. Aber es ist nun mal so, wie es ist: Dinge verändern sich. Manche werden besser, manche werden schlechter. Und irgendwie finde ich es auch ein typisches Punk-Thema, über den Ort zu labern, an dem man lebt, „weil da alles kacke ist und so“. Und ich dachte, das mache ich jetzt einfach auch mal. Und der Slogan ist halt geil. Das ist jetzt so eingedenglischt, das finde ich immer geil.
Torben: Aber Hannes, du sagst, das ist ein typisches Punk-Thema, über die Stadt herzuziehen, wo man herkommt, aber ich habe eher das umgekehrte Gefühl, dass da so ein Lokalpatriotismus immer voll geil ist. Der mich immer eher annervt.
Hannes: Ja, das stimmt, das nervt mich auch eher an. Ich habe jetzt auch nicht den nervenden Ansatz genommen, sondern ich habe einfach über die Stadt gelabert, in der ich gelebt habe und aufgewachsen bin. Das finde ich auch sehr angemessen, ich finde, die Stadt ist noch gut weggekommen.
Mirko: Zieht sich das als Konzept nicht mindestens durch manche Songs?
Torben: Gemecker?
Mirko: Ja, Gemecker auf jeden Fall. Nee, aber auch das Reden über den Ort, wo man wohnt. Es gibt, glaube ich, mehrere Songs, die Hannes’ Erfahrung widerspiegeln, jetzt auf dem Dorf zu wohnen. „Deutsche Hecke“ zum Beispiel. Das ist, wenn man so will, am ehesten der rote Faden.
Hannes: Irgendwie zieht sich das so ein bisschen durch, das stimmt. Ich meine, klar, worüber soll ich auch sonst schreiben? Ich meine, wenn ich für irgendwas Experte bin, dann für mein eigenes Leben. Obwohl das die Songs jetzt auch nicht authentisch macht, ne?
Um mal auf die Parallelen oder Nicht-Parallelen zu „River Runs Red“ zurückzukommen: An dessen Ende steht ja ein Selbstmord. Am Ende von „Förde Runs Red“ steht „A.F.F.E.N.M.E.S.S.E.R.K.A.M.P.F.“ – ein Song, den man eher als Opener auf einem Debütalbum erwarten würde ... Warum habt ihr den als letzten Track gesetzt?
Torben: Der unbewusste Abgesang ...
Mirko: Ich glaube, genau aus dem Grund, weil er eigentlich als Opener am passendsten gewesen wäre. Deshalb haben wir gesagt: Machen wir das Gegenteil.
Hannes: Das ist ja so ein Themensong. Auf der letzten Platte hatten wir auch einen Themensong, „Affenmesserattitude“. Da war es der erste Song. Jetzt ist es eben der letzte Song, da steckt kein großartiges Geheimnis dahinter und auch keine Parallele zu „River Runs Red“.
Wir haben jetzt relativ viel über die Texte gesprochen und darüber, dass Hannes für gewöhnlich vom alltäglichen Leben inspiriert ist. Was inspiriert denn die Instrumentalisten in der Band?
Torben: Mirko hat ja vorhin schon gesagt, dass wir eigentlich wenige gemeinsame Nenner haben. Wir hören mega unterschiedliche Musik, also für den Bereich, in dem wir Musik hören. Mirko ist vermutlich noch am breitesten aufgestellt. Im Prinzip ist es eigentlich so, dass wir überwiegend im Proberaum schreiben oder jemand – meist von den Gitarristen – hat eine Linie, die irgendwie gut ist, und darauf fummelt man dann herum, bis das schockt. So läuft eigentlich unser Songwriting-Prozess.
Mirko: Ich würde auch mal sagen, was mich im Kontext der Band am ehesten inspiriert, sind die anderen Instrumente oder auch die Texte.
Torben: Musikalisch ist das tatsächlich viel Zusammenarbeit. Wir müssen ja diese GEMA-Meldung machen: Nicht umsonst sind wir alle als Komponisten gelistet, weil wir die Songs im absoluten Regelfall komplett miteinander erarbeiten. Und da ist zum Beispiel auch wichtig zu überlegen, was das Schlagzeug an der Stelle macht und wie das Schlagzeug weitergehen kann und was wir dann spielen. Es ist fast nie so, dass jemand mit einem Song kommt, der fertig ist oder wo alle Teile vorhanden sind. Es gibt einen oder zwei Songs auf dem Album, wo alle Teile von einem geschrieben und dann nur noch Strukturen verlängert, verkürzt, versetzt wurden. Also, das ist tatsächlich immer so ein kommunikativer Prozess, finde ich. Und dann kommt schon mal von Hannes die Aussage: „Da kommt jetzt ein Teil, der muss klingen wie XY“, das passiert auch schon mal.
Hannes: Ich kann ja gar kein Instrument spielen. Ich konzentriere mich beim Schreiben der Texte hauptsächlich auf das Schlagzeug. Wir haben einen begnadeten Schlagzeuger.
Torben: Das ist auch etwas, was AFFENMESSERKAMPF sehr ausmacht: das Schlagzeug, was Hauke wie spielt, und dann Hannes darauf. Das ist einfach so.
Mirko: Den Rest können wir weglassen. Ein Fun Fact noch zur musikalischen Inspiration: Es gibt genau eine Band oder ein Album, auf das wir uns alle einigen können, das ist „Set Your Goals“ von CIV.
Hannes: Das ist wirklich das absolut einzige Konsensalbum, das wir haben.
Torben: Überall sonst hat irgendjemand was zu meckern.
Aber das ist doch super, dass man sich so immer gegenseitig inspirieren kann. Das ist ja auch bei Freundschaften so. Wenn man immer dieselbe Meinung hat, kommt eigentlich auch nichts Interessantes dabei raus ...
Mirko: Wenn man das mit einem Freundeskreis vergleicht, wo alle dieselbe Meinung haben: Auch menschlich ist das bei uns nicht so. Es gibt viele Reibungspunkte und vielleicht macht es das auch aus.
Torben: Das macht es aber auch nicht einfacher.
Hannes: Mir gefällt dieser Vergleich sehr gut, weil Freundschaft zwischen uns auch eben nicht nur ein sicherer Ort ist, sondern ein Ort, wo ich mich mit den Meinungen anderer Leute auseinandersetzen und meinen Horizont erweitern muss. Warum denken andere über dasselbe Thema anders als ich? Und das finde ich nach wie vor sehr befruchtend. Was Torben immer sehr betont und womit er total recht hat, ist, was für ein schönes Privileg es ja eigentlich auch ist, dass wir alle seit so langer Zeit zusammen Musik spielen, uns jede Woche im Proberaum treffen und mittlerweile alle über vierzig sind und Familie haben und so ein komisches normales Leben. Das ist ja total geil. Wer in meinem Alter trifft sich denn jede Woche mit vier Freunden, um einem gemeinsamen Hobby nachzugehen, über das ich mich dann auch noch mit demjenigen streiten muss.
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