ACHT EIMER HÜHNERHERZEN

Foto© by B. Jubin

... über viel zu früh verstorbene Musiker:innen

Wenn Musiker:innen sterben, dann oft zu jung und meist zu plötzlich. Wir haben getrauert und getrunken und an sie gedacht. Wir haben Lieder über unsere Traurigkeit gemacht. Wir denken an euch: Damo Suzuki, Mojo Nixon, Frank Z., Sir Harris of Dresden, Torsun, Shane, Armin X-Mist, NMZS, Tom Verlaine, Spot, Mark Stewart, Ari Up, Keith Levine ... Hier möchten wir nun an vier verstorbene Musiker:innen erinnern, die nicht so oft im Punk-Kontext genannt werden und die wir für wichtig/mutig/wegweisend halten.

Olifr M. Guz (02.12.1967 – 19.01.2020)

Der Schweizer wird den meisten am ehesten als Sänger von DIE AERONAUTEN bekannt sein. Dabei umfasst sein Schaffen unzählige weitere Platten mit anderen Bands (unter anderem DIE ZUKUNFT) und auch zwölf Soloscheiben unter dem Namen GUZ. Wenn ihr ihn das erste Mal auf dem Mixtape eines Freundes singen hört, mit Zeilen wie „Doch sie fingen an zu tröten auf selbstgemachten Flöten / Und ich wusste, es waren Arschgeigen“, wird er auch die von der harten Hardcore-Punk-Fraktion sofort ins Herz treffen und nicht mehr loslassen. Tiefgang mit absurdem Humor, stoischer Gelassenheit und ehrlicher Verzweiflung. Diese Welt ist ein schlechterer Ort, ohne GUZ.

Françoise Cactus (05.05.1964 – 17.02.2022)
Alles, was wir gerade zu GUZ geschrieben haben, gilt auch so ähnlich für Françoise. Oder noch mehr. Neben toller Musik mit STEREO TOTAL und den LOLITAS schuf sie auch Bücher, Bilder und Skulpturen, eine davon die „Wollita“, eine lebensgroße gehäkelte Puppe, die 2004 von den Springer-Blättern Bild und B.Z. als angeblicher Beweis für eine „Kinderpornoausstellung im Künstlerhaus Bethanien“ dutzendmal verrissen und skandalisiert wurde. Tatsächlich beschäftigte sich die Ausstellung „When Love turns to Poison“ mit den Schattenseiten der Sexualität und mit sexueller Gewalt. Als Antwort auf die Springer-Kampagne schrieb Françoise zusammen mit Wolfgang Müller (DIE TÖDLICHE DORIS) das Buch „Wollita – Vom Wollknäuel zum Superstar!“. Und den Aufruf „Wollita (18) muss den B.Z.-Kulturpreis bekommen!“ unterzeichneten über 250 Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen.

Janis Joplin (19.01.1943 – 04.10.1970)
Der erste weibliche Rockstar und die Vorreiterin für Frauen in der Rockmusik wurde nicht nur vom Musikbusiness, vom Kreativitätsdruck, Drogen und ihrem eigenen Umfeld kaputt gemacht, sondern auch von den Dämonen ihrer Kindheit. Als Teenagerin von einer chronischen Akne gezeichnet, die nicht nur äußerliche Narben hinterließ, wurde sie auf einer provinziellen und super rassistisch-geprägten texanischen Highschool von ihren Mitschülern:innen gemobbt und als „Schwein“ oder „N*****-Liebchen“ beleidigt. „Ich war eine Außenseiterin. Ich habe gelesen, ich habe gemalt, ich habe nachgedacht. Ich habe die Schwarzen nicht gehasst.“ Wir Hühnerherzen möchten Janis mit unserem Titel „Kozmic Schlüsseldienst“ einen (kleinen) Tribut zollen.

Mohsen Shekari (24.02.2000 – 08.12.2022)
Der iranische Rapper wurde im Dezember 2022 nach einem offensichtlichen Scheinprozess in Teheran hingerichtet. Mohsen war während der landesweiten „Jin, Jiyan, Azadi (Frau, Leben, Freiheit)“-Proteste gegen den gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im September 2022 verhaftet und dann in völliger Isolation verhört worden. Sein angebliches öffentliches Geständnis wurde vom Regime augenscheinlich unter Folter erzwungen, berichtet Amnesty International. Von einem „Islamischen Revolutionsgericht“ am 1. November 2022 aufgrund der Anklage, er führe „Krieg gegen Gott“, zum Tode verurteilt, fand fünf Wochen später seine Hinrichtung statt. Alles geschah in hektischer Geschwindigkeit, ohne irgendeine Chance auf ein faires Verfahren und ohne Rechtsbeistand, während seine Familie und Freund:innen in der Hoffnung auf eine Berufungsverhandlung von der Justiz hingehalten worden waren.