Im Sommer 2014 kamen Gerüchte auf, RAWSIDE-Sänger Henne sei wegen Dealens mit Crystal Meth verhaftet worden, es war von vier Kilogramm (!) die Rede. Da seitdem immer weitere Geschichten die Runde machten, wollte ich von Henne selbst wissen, was damals geschehen war und wie es mittlerweile bei ihm aussieht. Nach einem längeren Telefonat während Hennes Therapie besuchte ich ihn zu Hause, wo er mir Rede und Antwort stand.
Ich war ziemlich überrascht, als ich 2014 gehört hatte, du wärest mit vier Kilo Crystal Meth erwischt worden. Andererseits war von dir als „kleinem Fisch“ einer Drogendealerbande die Rede. Was ist genau passiert?
Ach ja, ich habe die Gerüchte erst viel später mitbekommen, als es mir meine Freundin erzählt hat. Sauer war ich im Nachhinein, da die Gerüchte Ausmaße annahmen, die von der Einfuhr von Betäubungsmitteln im Kilogrammbereich bis hin zum Dealen an Jugendliche reichten. Diese Anschuldigungen entsprachen natürlich nicht der Wahrheit. Ich wurde mit einer sogenannten „kleinen Menge“ Crystal Meth festgenommen, die für den Eigenbedarf bestimmt war. Das waren zwanzig Gramm. Von Drogendealen und sogar ganzen vier Kilo kann überhaupt nicht die Rede sein, so ein Blödsinn.
Ich habe dich in der Vergangenheit immer ziemlich straight erlebt und nie „voll“ oder „prall“.
Ich war zwanzig Jahre lang amphetamin- und methamphetaminsüchtig.
Kannst du mir erklären, wie du dazu gekommen bist?
Sicher. Rückblickend ist das ganz einfach, durch die Therapie konnte ich es mir auch ganz gut erklären. Während der zwanzig Jahre Sucht hatte ich beruflich sehr viel zu tun. Ich war selbständig, hatte die Security-Firma, war nebenbei Hausmeister, arbeitete auf Baustellen und hatte am Ende so vier, fünf eigene Gewerbe. Da ich meine Sache wohl ganz gut machte, wurde es immer mehr, es kamen immer mehr Aufträge rein. Das ist einerseits natürlich gut. Andererseits hat man ein Problem, wenn man wie ich nicht nein sagen kann. Ich stand laufend unter Stress. Dazu hatte ich noch die Band und war auch immer nur unterwegs. Um den ganzen Alltag zu bestehen, habe ich mit Amphetaminen angefangen. Ich habe im Grunde genommen ein Doppelleben geführt – einerseits war ich Arbeitgeber und Bandleader, andererseits Junkie. Und das ist eben nicht ewig gut gegangen.
Hattest du vor der Verhaftung Probleme mit der Polizei in Bezug auf den Drogenkonsum?
Ja, es gab da immer mal wieder Probleme. Da ich allgemein ein bunter Hund war und auch mit der Band nicht unbedingt die staatstragendsten Texte veröffentlicht hatte, bekam ich Probleme mit der Obrigkeit. Zum Beispiel wurde ich 2010 beim Fahren unter Drogeneinfluss erwischt. 2011 wurde mir dann der Führerschein abgenommen und ich bekam eine Bewährungsstrafe.
Wie kam es dann 2014 dazu, dass du festgenommen wurdest und schließlich im Gefängnis gelandet bist?
Ich wurde mit zwanzig Gramm Methamphetamin, also Crystal, erwischt, was wie schon gesagt absolut nichts mit Dealerei zu tun hatte. Daraufhin kam ich in Untersuchungshaft. Dort wird erst mal geprüft, ob Verdunklungs- und Wiederholungsgefahr besteht. Ich wurde da natürlich auch selbst auf Drogen getestet und es wurde dann bestätigt, dass ich Langzeitkonsument war. Insgesamt dauerte die Untersuchungshaft achteinhalb Monate, was etwas länger war als normal. Das hatte unter anderem mit einem Anwaltswechsel zu tun. Schließlich wurde ich wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Da du bereit warst eine Therapie zu machen , musstest du die Strafe nicht komplett absitzen. Wie kam es dazu?
Es gab nach § 35 Betäubungsmittelgesetz für mich die Möglichkeit des „Therapie statt Strafe“-Prinzips nach Verbüßen von 17 Monaten. Dann konnte ich mit der Therapie beginnen. Da ich selbst gemerkt hatte, dass es mit den ganzen Drogen nicht mehr so weitergehen konnte, habe ich um den Therapieplatz gekämpft. Mein Platz war für Mai 2015 genehmigt, ich hatte schon die Koffer gepackt und in letzter Sekunde kam der Bewährungswiderruf für die Straftat von 2010, dem Fahren ohne Fahrerlaubnis. So verzögerte sich der Therapieantritt ein wenig, aber schließlich konnte ich im November 2015 anfangen und ging nach Bad Neustadt in die Therapieeinrichtung.
In der Therapie soll man ja unter anderem herausfinden, welche Gründe für die Straftaten und den Langzeitkonsum bestanden. Du hast das auch schon anfangs beschrieben. Bist du einer von jenen, die irgendwann nicht mehr kapiert haben, dass da etwas enorm falsch läuft?
Ich bin nicht jemand, der sagt, dass er in irgendetwas reingerutscht ist oder vor lauter Drogen nicht mehr wusste, was er tut. Nein, ich wusste, was ich tue. Punkt. Und dazu stehe ich. Und das war scheiße. Ich will mich auch nicht rausreden im Sinne eines armen Junkies, der nichts dafür kann. So bin ich nicht und so war es nicht. Die Gründe habe ich anfangs schon erläutert. Es hört sich womöglich blöd an, aber ich bin echt froh, dass es dazu gekommen ist. Genau da wusste ich, dass es reicht. Ich hatte keinen Bock mehr, ich wusste, dass es so nicht mehr hätte weitergehen können. Und von alleine hätte ich es nicht geschafft, von den Drogen wegzukommen. Ohne dieses Bewusstsein bringt auch keine Therapie irgendwas. Fünf weitere Jahre wäre es mit mir nicht mehr gut gegangen.
Wie läuft es momentan?
Für mich läuft es super. Mir ist vieles über mich klar geworden, wie ich anfangs geschildert habe. Ich fühle mich auch so fit wie lange nicht mehr. Was gerade für mich wichtig ist, ist, dass ich gelernt und gesehen habe, dass ich auch ohne Amphetamine leistungsfähig bin, dass ich auch clean arbeiten kann. Ich habe auf Therapie auch das volle Programm mitgemacht und es hat mir verdammt viel gebracht. Aufgrund der guten Fortschritte konnte ich die Therapie sogar um fast zwei Monate verkürzen.
Wie ist der Stand jetzt, ein paar Wochen nach der Therapie? Hängst du noch in der Luft oder hast du neue Aufgaben, die für einen nachhaltigen Erfolg ja wichtig sind?
Ich habe das Glück, dass mich eine soziale Einrichtung als Hausmeister eingestellt hat. Ich habe offen und ehrlich gesagt, was passiert ist und was ich gemacht habe, und sie haben mich trotzdem genommen. Ich bin hochmotiviert und der Job macht mir sehr viel Spaß. Ich kann das und, wie du sagst, ist es für eine geregelte Struktur wichtig. Dann werde ich meine Freundin heiraten, mit der ich seit 22 Jahren zusammen bin. Am Valentinstag hat sie klassisch einen Strauß Blumen bekommen, haha. Außerdem habe ich einen schon recht großen Sohn, für den ich da sein will und da sein werde.
Willst du musikalisch noch einmal aktiv werden?
Früher oder später werden RAWSIDE wahrscheinlich auch noch einmal zusammenfinden, um erst mal ein paar Shows zu spielen. Außerdem hat mein Sohn zwei eigene Bands, WULFPACK und DROPKILL, bei denen ich eventuell mal als Gastsänger auftreten werde. Alles Weitere wird die Zukunft zeigen.
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