In Zeiten, in denen sich die meisten Bands mit einer mehr oder weniger gut gepflegten MySpace-Seite zufrieden geben, um im Internet präsent zu sein, haben die Niederländer BFP neben MySpace und ihrer regulären Homepage noch zwei weitere Internetseiten ins Leben gerufen. Diese setzen sich aktiv mit der derzeitigen politischen Lage und der allgegenwärtigen Finanzkrise auseinander. Zu den Hintergründen und Fakten der neuen Internetauftritte, aber auch zum Besetzungswechsel nach dem Ausstieg von Ex-Shouter Che und zu anderen Themen stand mir der neue Frontmann Rob Franssen Rede und Antwort.
Rob, deinen Wechsel vom Bass zum Mikrofon bei BFP nahm ich zum Anlass, mal wieder meine alten CDs zu Hause zu durchstöbern, denn im Hinterkopf dämmerte mir beim Hören eures neuen Albums „Survival“ und deiner Stimme etwas ... Und tatsächlich bin ich dann auf deine alte Band BACKDRAFT gestoßen, wo du Anfang/Mitte der 90er Jahre ja auch gesungen hast. Was ist eigentlich aus der Band geworden?
Die Band hat sich irgendwann Mitte der 90er aufgelöst, wie es halt so ist. BACKDRAFT war auch eher eine Art Nebenprojekt, welches ich neben FEEDING THE FIRE gemacht habe, meiner damaligen Hauptband. Die Leute von damals sehe ich nur noch, wenn man sich rein zufällig über den Weg läuft.
Seit meinem letzten Interview vor etwa zwei Jahren ist viel passiert innerhalb eures Bandgefüges. Che ist ausgestiegen und als Ersatzmann hattet ihr zwischenzeitlich unter anderem Carl Schwartz von FIRST BLOOD am Mikro. Wie kam es zum Ausstieg von Che und wie zu deiner Entscheidung, selbst das Mikro in die Hand zu nehmen?
Na ja, Che hatte eigentlich keinen Bock mehr, in einer Band zu spielen. Er wollte ein ganz „normales“ Leben führen und hat sich immer mehr distanziert. Wir wollten uns weiterentwickeln und haben uns dann irgendwann mit ihm ausgesprochen. Danach hat er BFP verlassen. Im Endeffekt ist das aber auch gut so, denn er hat nicht mehr so fest an die Band geglaubt wie wir. Nachdem wir dann eine ganze Reihe von Aushilfssängern hatten – wobei Carl Schwartz bei den wenigsten Shows dabei war – und sich nach acht Monaten immer noch keine adäquate Lösung gefunden hatte, kam seitens der Band und unseres Umfeldes die Idee auf, dass ich den Posten am Mikrofon übernehmen könnte. Schließlich verfügte ich über Erfahrung als Sänger und Textschreiber aus meinen BACKDRAFT- und FEED THE FIRE-Zeiten. Ehrlich gesagt hat es sich anfangs schon recht komisch angefühlt, wieder ein Mikrofon in den Händen zu halten, aber schnell wurde uns klar, dass das genau der richtige Schritt ist. Nach einigen Proben und viel Training meinerseits haben wir angefangen, in der neuen Konstellation live zu spielen. Der Rest ist Geschichte.
Beim letzten Album „War“ habt ihr euch gleich vier Gastsänger mit ins Boot geholt. Dieses Mal hast du den Gesang fast ganz alleine übernommen. Liegt es an internen Besetzungswechseln und daran, dass du jetzt selbst am Mikro stehst – und dich vielleicht auch erst mal als neuer Frontmann beweisen musst –, dass auf „Survival“ so gut wie keine Gastsänger dabei sind?
Also, es gibt ja schon zwei Gastsänger auf „Survival“: Marcel von THE PLATOON singt mit bei „Zeitgeist“ und Scott von TERROR singt mit bei „Zero hour“. Ich stimme dir aber zu, dass wir das dieses Mal ziemlich „low-key“ gemacht haben. Wir wollten ein klares Statement abgeben, um allen zu zeigen, dass wir grundsätzlich niemand anderen brauchen, um diese Band weiter zu machen. Wie du schon sagst, war es für mich persönlich auch sehr wichtig, mich erst mal selbst zu behaupten. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass wir es dann auch genau so gemacht haben und natürlich über das Endergebnis!
Bei „War“ hatte Gitarrist Dominik großen Einfluss auf den Songwriting-Prozess. Wie war es dieses Mal? Hast du aufgrund deiner neuen Position als „Kopf“ der Band auch dort mehr Einfluss genommen?
Dom hatte auf jeden Fall wieder einen starken Einfluss auf das Songwriting, aber auch Karl hat wieder viel mehr beigesteuert beim neuen Album als noch für „War“. Ich habe, so wie immer schon, alle Vocal-Lines und Texte geschrieben und hier und da auch mit an der Musik geschraubt. Roy hat sich arrangementtechnisch auch eingeschaltet. Bei uns kann sich grundsätzlich immer jeder einschalten, in jeder Stufe des Songwritings. Wir haben da schon viel Zeit reingesteckt und uns ganze Tage im Proberaum verkrochen, um vor allem selbstkritisch zu sein und zu nicht zu schnell einen Song als „fertig“ zu betrachten. Wir haben auch viel Material während dieser Zeit wieder verworfen. Letztendlich sind dabei elf Songs rausgekommen, mit denen wir als Band sehr zufrieden sind. Die Arbeit hat sich also gelohnt.
Musikalisch habt ihr euch nicht wirklich verändert, die Fans bekommen also auf „Survival“ genau das, was sie nach „War“ auch erwarten konnten. Trotzdem ist, finde ich, die düstere Grundstimmung von „War“ jetzt stellenweise noch deutlicher zu spüren, das macht eure neuen Songs noch intensiver. Habt ihr schon beim Schreiben der Songs auf solche Arrangements geachtet oder kam das mehr aus dem Bauch heraus?
Wir versuchen von Anfang an, die Songs so effektiv wie möglich zu schreiben, um so das, was wir denken, effektiv zu transportieren. Wir haben uns viel mehr Mühe gemacht, um Kontraste zwischen Groove, Geschwindigkeit, Melodie und Härte herauszuarbeiten. Ich denke, wenn man das gut macht und dazu auch diese ganzen Samples mit einbezieht, kann man schon eine gute Stimmung erzeugen. Das ist sehr entscheidend.
Was hat es mit dem Artwork auf sich? Die Pyramide, die Schlange, das Auge und die Sonne erinnern mich an die amerikanischen Ein-Dollar-Noten, aber auch an den Film „Sakrileg“.
Richtig, das hat ja auch einiges zu tun mit derselben Thematik. Was wir da abbilden, sind Symbole, die die herrschenden Mächte dieser Welt sich als wiedererkennbare Zeichen ausgesucht haben. Es ist eine Identifikation des Feindes. Die Mächte, die diese Welt größtenteils kontrollieren, wurden aus einem unstillbaren Hunger nach Macht heraus geboren. Das ist nicht erst seit 20 Jahren so. Diese Leute haben ihre eigenen Gesetze, ihre eigenen Werte und ihre eigenen Ziele, die nichts mit dem Willen des Volkes zu tun haben. Das kann man jeden Tag sehen und merken. Wir wollen klarstellen, wie man heutzutage überleben kann und wer der wahre Feind ist.
Mit dem Titel „Survival“ findet sich auf survivalstateofmind.blogspot.com eine von euch ins Leben gerufene Seite, die sich mit folgenden Worten selbst charakterisiert: „A place for a critical view on the powers that be. (...) And a place where the call for survival in a controlled and governed world is voiced. “ Dort finden sich viele Videos amerikanischer Nachrichtensender, die sich unter anderem mit der amerikanischen Finanzkrise beschäftigen. Aber auch Musikvideos von Szenegrößen wie KREATOR, GREEN DAY, HEAVEN SHALL BURN und EMINEM sind dort vertreten. Offensichtlich habt ihr euch damit viel Mühe gemacht. Wer betreut sie, wer nutzt sie und wie sind die Reaktionen darauf?
Ich betreue diese Seite selbst. Ich hoffe, damit recht viele Leute zu erreichen und dass sie sich alle Videos und Informationen ansehen, die dort aufgeführt sind. Es ist der Versuch, den Nutzern klar zu machen, dass es noch eine andere Wahrheit gibt als nur die, die uns die Regierung immer präsentiert. Wir versuchen „awareness“ bei den Leuten zu erzeugen. Wir nehmen für uns zwar nicht in Anspruch, dass die dort aufgeführten Beiträge die abschließende und einzige Wahrheit sind, aber das Blog und die Informationen sollen dazu anregen, die Inhalte, die in den medialen Kanälen kommuniziert werden, kritisch zu hinterfragen. So werden hoffentlich viele Leute sensibler und können besser nachvollziehen, warum manche Machthaber ihre Entscheidungen so fällen, wie sie sie eben fällen. Manchmal passiert es ja sogar, dass Skandale tatsächlich auch in den Mainstream-Medien publiziert werden. Wichtig ist aber, immer selbst nach der Wahrheit zu suchen!
Ebenso habt ihr die „Suicide Nation“ ins Leben gerufen, zu finden unter suicidenation.org/this-is-suicide-nation. Ich habe den Sinn der Seite so verstanden, dass ihr sie nutzt, um einen weiteren Webauftritt neben MySpace zu haben. Unter „BFP-TV“ habt ihr zum Beispiel Videos von euch verlinkt, trotzdem verweist ihr unter dem Punkt „Look For Truth“ wiederum auf die Seite „Survival“. Ihr seid also derzeit im Internet schwer aktiv.
Also, BFP-TV ist ein YouTube-Kanal, auf dem wir BFP-Live-Material und Videos senden. Künftig werden wir dort auch viele „Survival Blog“-Videos verlinken und senden, genau wie Berichte über unsere lokalen Aktionen mit der Band, in denen wir uns zum Beispiel für Organisationen wie die „Tafel“ einsetzen. Der Link unter „Look For Truth“ ist das ja schon besprochene „Survivalstateofmind“-Blog. „Suicide Nation“ ist eine Seite, die wir nutzen wollen, um eine Community aufzubauen, für Leute, die mit uns aktiv werden möchten. Dort können sie der Band näher kommen, ihre Meinung kund tun oder einfach nur Musik hören. Dann gibt es natürlich noch die Homepage und die MySpace-Seite. Wir sind jetzt so aktiv im Web, weil fast jeder im Internet unterwegs ist und wir es für einen sehr effektiven Weg halten, um zu kommunizieren. Außerdem ist es noch immer eines der wenigen Kommunikationsmittel, die nicht zu fast hundert Prozent zensiert und kontrolliert werden.
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