Nur bei sehr wenigen Bands verfolge ich die Entwicklung über Jahre hinweg mit gleichbleibender Neugierde und Spannung. Einige verabschieden sich aus dem Fokus, weil sie einem irgendwann ein bis zwei Stinker als Platten untergejubelt haben, die seinerzeit als wegweisend angepriesen wurden, um später wieder kleinlaut zu den bewährten Mustern zurückzukehren.
Nicht so TURBOSTAAT, die 2001 mit „Flamingo“ das erste Mal in der Stadt waren und seitdem, auch bei ihrem kurzzeitigen Major-Aufenthalt, keine Scheibe abgeliefert haben, die Stillstand vermittelte oder aber zukünftig irgendwann als misslungenes Experiment unter den Teppich gekehrt werden müsste.
Weiterentwicklung war hier stets Bestandteil und wirkte nie entfremdend. „Abalonia“ setzt diese tadellose Reihe fort, ist unverkennbar TURBOSTAAT, die sich wieder einen Schritt weiter gewagt haben, textlich wie musikalisch.
Über die komplette LP-Länge gesehen ist das Album ein klein wenig ruhiger, dafür vielschichtiger, breiter, tiefer, um in den richtigen Momenten daran zu erinnern, wo sie herkommen und tief im Herzen und vor allem im Kopf immer noch stehen.
Der Grundtenor ist ein düsterer, morbider, bei dem der Tod in vielen Stücken eine zentrale Rolle einnimmt. Alles dreht sich um Verfall, Flucht, überfällige Umbrüche, die erst stattfinden, wenn es längst zu spät ist, und letzten Endes um die Ankunft im fiktiven „Abalonia“ (das ich mit dem Spiel interpretiere, bei dem ein Spieler den anderen vom Spielfeld drängt).
Gäbe es für Musik eine Farbe, ist das Grau des Covers die perfekte Wahl, ebenso wie das verschwommene Motiv für die poetischen, komplexeren Texte steht, die nur dann ein klares Bild ergeben, wenn man es sich selber zusammensetzt.
Bestes Beispiel ist für mich „Der Wels“, der die Fragen stellt, die man sich monatelang in der Aufarbeitung des Vorabends am Dienstag einfach stellen musste. TURBOSTAAT verarbeiten die Geschehnisse, die gesellschaftlichen Zustände der letzten zwei, drei Jahre als Ganzes, ganz ohne Parolen, auf einer für die Band textlich völlig neuen, sprachlichen Ebene, bei der ein Haudrauf-Sound völlig fehl am Platze wäre.
Wäre es nicht gelungen, würde ich an dieser Stelle „ambitioniert“ schreiben, was unterschwellig immer ein Scheitern beinhaltet, aber es ist gelungen, darum keine verklausulierte Einschränkung.
Aufgenommen wurde einmal mehr alles analog, mit der großen Liebe zu altem Gerät, mit bewährtem Team an einem Ort, für dessen Besuch manche bereit wären, eine Straftat zu begehen. Am Ende hinterlässt Album Nr.
6 einen in einer dunklen Stimmung, aus der man seine eigenen Schlüsse ziehen kann (und muss). Wer unbedingt etwas zu nörgeln sucht, bitte sehr: Warum erscheint eine Herbstplatte im Januar? Vielleicht weil mittlerweile das ganze Jahr Herbst ist, 365 Tage lang.
Großartig!
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