Wie beschreibt man den Meister der Reduktion, ohne dass der Text zu wortreich wird - und so im Widerspruch zur Musik steht? Diese Frage hat sich schon so mancher gestellt, der etwas über Tom Waits geschrieben hat.
"Orphans" lädt dabei geradezu ein sich seitenlang über diese Ikone des alternativen Songwritings auszulassen. Aber lassen wir Fakten sprechen: Das Album versammelt auf drei CDs 56 Songs, von denen 30 neu oder bislang unveröffentlicht sind und die übrigen 26 lediglich auf Compilations und Filmsoundtracks zu hören waren.
Ein RAMONES-Cover ist ebenso vertreten wie ein Gedicht von Charles Bukowski, Büchners "Woyzeck" oder Kurt Weills und Bertold Brechts "What Keeps Mankind Alive". Die Lieder sind nach musikalischen Themen auf die drei CDs verteilt.
Während "Brawlers" stampfende Bluessongs bietet, sind auf "Bawlers" Balladen voller Melancholie vertreten, und "Bastards" schließlich enthält die etwas experimentierfreudigeren Arbeiten. So bekommt man nebeneinander Stücke aus den unterschiedlichen Schaffensphasen Waits' präsentiert und kann die Veränderung seines Hauptinstruments, seiner Stimme, eindrucksvoll verfolgen.
Mal singt ein junger Tom Waits noch melodisch zu einem Delta Blues, um im nächsten Augenblick vom alten Waits abgelöst zu werden, der kaum verständliche Satzfetzen krächzt, während er von einem verzerrten Bass und Hammer-auf-Metall-Schlagen-Perkussion begleitet wird.
So eindrucksvoll diese über dreistündige Zusammenstellung ist, so interessant sind auch die Gastmusiker, die sich an den unterschiedlichen Aufnahmesessions beteiligt haben und von Les Claypool über Trevor Horn zu Brett Gurewitz reichen.
Abgerundet wird das ganze von einem 94seitigen Booklet, das viele private Fotos enthält. Wer bislang nicht viel mit Tom Waits anfangen konnte, wird auch mit dieser Sammlung bei seiner Meinung bleiben.
"Orphans" ist in erster Linie ein Werk für Fans, die froh sein werden, diese teilweise auch für Waits ungewöhnlichen Lieder zu hören, ohne nach der Notwendigkeit einer Veröffentlichung zu fragen.
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #88 Februar/März 2010 und Thomas Kerpen
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Zoli Pinter
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und Thomas Kerpen