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POSTCARDS

The Good Soldier

Losgelöst von Zeit und Raum, das trifft auf dieses Album so sehr zu, wie es bei kaum einer anderen Band möglich ist: POSTCARDS sind ein Trio aus Beirut, und während dort mal wieder ein Bürgerkrieg droht, die Gesellschaft entlang religiöser Grenzen ihre Konflikte austrägt und junge Menschen auf die Straßen gehen, auf denen die korrupte Regierung noch nicht einmal die Müllabfuhr organisiert bekommt, stehen Julia Sabra, Pascal Semerdijan und Marwan Tohme im Proberaum oder Studio und spielen zartesten Dreamgaze von der Sanftheit eines sonnigen Frühlingstages.

Im Gegensatz zu vielen Ländern in der Nachbarschaft gibt es im Libanon und speziell in Beirut eine kleine Rockmusikszene, und wo andere vielleicht mit Wut und Lärm auf die Verhältnisse reagieren, wirkt das nach „I’ll Be Here In The Morning“ (2018) zweite Album des Trios wie ein Rückzug ins Private, doch kann man manche der Texte der mit einer sanften, weichen, hellen Stimme intonierenden Julia Sabra (auch Gitarre) als verklausulierte Kommentare zur Lage im Libanon interpretieren.

„The Good Soldier“ ist ein bestens produziertes, mit einem halligen Quasi-Surf-Sound versehenes Album, das sowohl auf britischen Shoegaze der frühen Neunziger wie auch auf Post-Punk zurückgreift und das durchaus seine Chris Isaak- und RAVEONETTES-Momente hat.

Mir gefällt die durchgehende Entspanntheit von POSTCARDS, das Fehlen jeglicher süßer Verkitschtheit. Dennoch, etwas mehr Dramatik und Dynamik hier und da dürfte sein.