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POSTCARDS

After The Fire, Before The End

„Sind das POSTCARDS?“ Kaum hatte ich die CD angemacht, fragt Uschi das von einem Schreibtisch weiter. Shoegaze-Bands mit verträumt wirkenden female vocals und eher dezenter, nie zu Lärmexzessen tendierender Instrumentierung gibt es einige, und leider ist der Sound dann auch recht beliebig. POSTCARDS aus Beirut, Libanon schaffen es schon seit einigen Jahren, in dieser Nische eigene Akzente zu setzen, sich zu behaupten. 2018 kam ihr Debüt „I’ll Be Here“, mit „After The Fire, Before The End“ ist nun das düster betitelte Nachfolgealbum fertig, aufgenommen zwischen Oktober 2020 und April 2021 – also nach der katastrophalen Explosion, die den Hafen von Beirut am 4. August 2020 zerstörte. Und inmitten der Wirtschaftskatastrophe, welche die einstige „Schweiz des Nahen Ostens“ mittlerweile fast unregierbar und unregiert gemacht hat. Dass Musiker:innen in so einer Zeit überhaupt noch ans Musikmachen denken, ist bewundernswert – oder purer Eskapismus. Und dass dabei auch noch solch zarte Klänge entstehen, die sanft wie Spinnweben durch den herbstlichen Sonnenschein schweben, ist umso erstaunlicher. Ein Album aus einer seltsamen Zwischenzeit, wie der Titel anzudeuten scheint, wundervoll sanft dominiert von Julia Sabras gehauchten Vocals und einer Gitarrenarbeit, die mich immer wieder an MADRUGADA erinnert. Shoegaze meets Dreampop, mit Texten, die bei genauem Hinschauen das Grauen dieser Stadt, dieses Landes dokumentieren: „You were lying where / you had cut my hair / right beneath the table / where we eat the bread you make / home is so sad / Glass in our coffee / towels on trees / blood from your nostrils / blood from your ears / soil splattered on our walls like drops of blood / home is so sad / There’s a hole/ where your knee should be / but I am not afraid / I am not afraid / home is so sad / it stays as it was left“, singt Sabra in „Home is so sad“, und so sanft der Song dahingleitet, läuft es einem bei diesem Text, der sich nur leicht verschlüsselt mit der Explosionskatastrophe beschäftigt, doch eiskalt den Rücken hinunter. Ähnlich dezent, aber deutlich sind auch die anderen Texte. Dies trägt zu Intensität des Albums bei, das damit nur noch mehr aus diesem Genre herausragt. Hoffen wir, dass POSTCARDS bald wieder touren können.