Es ist 2002 und ein heißer Sommer in der Toskana. Wir, die Referendargruppe 01/02, sollen auf dieser Bildungsreise nach Italien eine „Klassenfahrt“ kennen lernen, wo Dinge wie Unterkunft, Ausflüge etc. organisiert werden müssen. Witzigerweise sind in diesem bunt gewürfelten Haufen eine Handvoll Metal- und Hardcore-Fans, die, ähnlich wie ich, auch schon als Tourmanager oder Booker gearbeitet haben und über die uns gestellten Aufgaben nur schmunzeln können. Die Fahrt wird ein Weltklasseerfolg und es gibt so viele Geschichten, dass man darüber ein Buch schreiben könnte. Eine Szene hat sich fest in mein Hirn gebrannt: Drei angehende Lehrkräfte, reichlich angesoffen, moshen nur mit Metalshirts, Unterhosen und Schlumpfmützen (hatte einer der Kollegen noch vom Jungesellenabschied in der Tasche) bekleidet, im Springbrunnen auf dem Marktplatz der Stadt! Der Soundtrack, der damals aus den Boxen des Ghettoblasters schallte, kam von einer Band aus Bremen namens MÖRSER und nannte sich „10.000 Bad Guys Dead“. Einheimische sowie Kolleg:innen und Mitreferendare schüttelten beim Betrachten dieser Szene ungläubig den Kopf und hielten sich zeitweise die Ohren zu. Verständlich bei dem Gewitter, das damals über den Markplatz blies. Die CD hatte ich mir bei einem MÖRSER-Konzert ein paar Monate zuvor im Bielefelder AJZ gekauft und sie lief damals in Dauerrotation. Der eigenwillige Mix aus allem, was im Metal ganz im Dunklen steht, übte einen irren Reiz auf mich aus. Obwohl ich sonst eher auf klassischen Oldschool-Hardcore stehe und nur einige wenige Death-Metal- beziehungsweise -core-Scheiben wirklich gut finde. Später verlor ich die Truppe aus der Hansestadt etwas aus den Augen, das letzte Album, das ich bewusst hörte, war „1. Class Suicide“ aus dem Jahr 2010. Als ich dann vor einigen Wochen durch Zufall darauf aufmerksam wurde, dass MÖRSER mit einem neuen Album in den Startlöchern stehen, war ich gespannt darauf, was wohl diesmal wieder aus Bremen auf Menschheit losgelassen wird. Und, was soll ich sagen? Es gibt immer noch ordentlich auf die Fresse. Die beiden Sänger DC und Denny growlen, brüllen und schreien sich durch 13 Tracks, die stilistisch ganz weit von jeglicher Massenkompatibilität entfernt sind. Death- und Grindcore, Powerviolence und Metal wird zusammengequirlt und brachial verwurstet. Die Texte versteht man wie gehabt kaum, doch „Thank You For Leaving“ iat wieder ein schwer verdaulicher Brocken voller Hass und Brutalität geworden. Die Platte ist so düster und hart, dass sie bestens als Gegenpol zur derzeitigen Corona-Situation, dem beschissenen Nieselwetter oder den irren Theorien der Impfgegner dienen kann. Packt die schwarzen Kapuzenpullis aus, dreht den Regler ganz weit auf und zeigt der Welt den Stinkefinger: Fuck you, I’m with MÖRSER!
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