Foto

SKINNY LISTER

Shanty Punk

Aus Anlass des Titels des neuen SKINNY LISTER-Albums habe ich mich mal ins Thema Shanty eingelesen – und siehe da, es ist komplexer, als ich dachte, und geht weit über den Chor bei „Inas Nacht“ und das 2021er-Revival von „Soon may the wellerman come“ hinaus. Im Grunde hat diese Art des Gruppengesangs natürlich was mit der Seefahrt zu tun, als diese noch mit Segelschiffen betrieben wurde – gemeinsames Ziehen und Schleppen ging besser von der Hand, wenn man dazu halb grölte, halb sang. Ein Revival und die zunehmende Abtrennung von der Arbeit auf dem Schiff fand dann ab dem 19. Jahrhundert statt – was heute an Shanties „original“ und Tradition ist, was inszenierter Kitsch, ist schwer zu sagen. Die Londoner Folk-Punks SKINNY LISTER haben ihr neues Album nun frei heraus „Shanty Punk“ genannt, klingen darauf aber über weite Strecken auch nicht anders, als man sie schon lange kennt. „13 miles“ ist dabei die Ausnahme, weil eindeutig als Shanty identifizierbar. Insofern ist der Albumtitel fast schon eine Anmaßung, denn SKINNY LISTER machen musikalisch einen großen Rundumschlag durch alles, was sie bislang stilistisch abgebildet haben, inklusive der fast schon an Dolly Parton erinnernden Nummer „Mantra“, bei der die Stimme von Frontfrau Lorna Heptinstall im Vordergrund steht. So nett das im Grunde alles ist, mir fehlt hier über weite Strecken das, was die Urväter des Genres, die POGUES ausmachte: der Rotz und eine gewisse Kaputtheit und Schärfe. So aber klingt das zumindest auf Albumdistanz seltsam zahm.