2009 gründeten sich SKINNY LISTER in London, nach einigen Singles kam 2012 das Debüt „Forge & Flagon“, man reiste kreuz und quer durch Europa, tourte in den USA, spielte in Japan – und musste auch ein paar Besetzungswechsel ertragen. Mit Dan Heptinstall, Max Thomas, Lorna Thomas und Sam „Mule“ Brace sind aber die meisten Gründungsmitglieder noch dabei und sorgen mit einer Mischung aus Folk und Punk regelmäßig für Stimmung. THE LEVELLERS lassen grüßen, natürlich auch THE POGUES, aber insgesamt fällt hier positiv auf, dass die „Celtic Punk“-Karte nicht so vordergründig gezogen wird. Anlässlich des neuen Albums „Down On Deptford Broadway“ stellte ich Dan (Gesang, Gitarre) ein paar Fragen.
Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie ihr euch zum ersten Mal getroffen habt und auf die Idee gekommen seid, eine Band zu gründen?
Ich, Max und Sam sind aus unterschiedlichen Ecken Englands gekommen, um in South East London zu studieren, da haben wir uns getroffen und einige Jahre gelebt. Sam und ich haben in einem Haus ziemlich zentral in Greenwich gelebt, direkt neben einem großartigen Pub namens The Cricketers, der wöchentlich eine Folk-Session veranstaltete. Wir sind jeden Dienstag auf ein paar Bier hingegangen, um bei den Seemannsliedern und traditionellen Songs mitzusingen. Rückblickend entstand bei diesen Sessions wohl das Konzept von SKINNY LISTER. Zur selben Zeit hat Max mit dem Akkordeonspielen angefangen, und mit mir an der Akustikgitarre haben wir begonnen, traditionelle Stücke zu üben und in den umliegenden Pubs zu spielen. Wir begannen dann auf Partys von Freunden zu spielen. Zunächst haben wir es nur zum Spaß gemacht, aber als es so gut lief, haben wir es ernster genommen und begonnen, für die Auftritte unsere eigenen Songs zu schreiben. Lorna, Max’ Schwester, machte mit, weil sie eine Möglichkeit sah, umsonst auf Festivals zu kommen. Das Line-up war komplett, als Michael Camino – den wir auf der Vans Warped Tour kennen und lieben gelernt haben – sich uns am Kontrabass anschloss. Für das letzte Album „Down On Deptford Broadway“ kam noch Thom an den Drums hinzu.
Wie konkret waren eure Vorstellungen vom SKINNY LISTER-Sound, wie hat er sich über die Jahre entwickelt?
Da SKINNY LISTER beim Spielen von alten englischen Volksliedern entstanden ist, haben wir versucht, es sehr traditionell zu belassen. Manchmal haben wir das erreicht, indem wir merkwürdige althergebrachte Melodien in unsere Songs geschmuggelt haben. Dass wir diesen Sound machen, hat den Vorteil, dass SKINNY LISTER sich von vielen anderen auftauchenden „folkigen“ Bands unterscheiden, denn die scheinen eher amerikanisch beeinflusst zu sein. Eine gewisse „Britishness“ ist sicherlich stilprägend für SKINNY LISTER. Wir haben uns auf den Spirit von Bands wie den POGUES und THE CLASH gestützt. Ich denke, dieses Punkige ist etwas, das auf dem neuen Album auffälliger geworden ist, und diesbezüglich haben uns sicherlich Bands wie FLOGGING MOLLY und DROPKICK MURPHYS beeinflusst, die wir beide schon auf US-Touren begleitet haben.
Für mich gibt es grundlegend zwei Arten von „Folk-Rock/Punkbands“ – die, die diesen keltischen Touch der POGUES haben, und dann die anderen. Ihr erinnert mich eher an die LEVELLERS ...
Meiner Meinung nach ist das nichts Schlechtes.Wir haben übrigens eine kleine UK-Tour mit den LEVELLERS gespielt, das war großartig. Es ist toll, mit ihnen unterwegs zu sein. Sie bekommen es hin, traditionellen Sound mit einem feinen Gespür für Popmusik zu kombinieren, was wirklich sehr gut funktioniert. Ihr Publikum war uns gegenüber sehr aufgeschlossen und freundlich. Obwohl wir die POGUES definitiv als Einfluss sehen, denken wir, dass unser Sound abwechslungsreicher ist. Wir spielen auch gerne mal eine Ballade wie „Bonny away“ oder „The dreich“, und wir wollen auch auf keinen Fall in die „Celtic Punk“-Schublade gesteckt werden.
Ihr wart gerade erst mit Chuck Ragan und seinem „Wanderzirkus“ auf Tour. Was verbindet euch musikalisch und auch sonst, über die Kontinente hinweg?
Wir haben Chuck das erste Mal vor ein paar Jahren auf der Warped Tour in Amerika getroffen und haben uns sofort gut verstanden. Es war eine großartige Chance, mit Chuck und seiner Band auf Tour zu gehen. Chucks Sound klingt viel amerikanischer als unserer, aber ich denke, wir haben etwa eine ähnliche Atmosphäre und es gibt auf jeden Fall eine gemeinsame musikalische Basis. Chuck hat einen eher punkigen Background und ist folkiger geworden, wohingegen wir einen folkigen Background haben und punkiger geworden sind. Ich denke, wir treffen uns irgendwo in der Mitte. Auf Tour hat Max jeden Abend mit Chuck einige Songs auf seinem Akkordeon gespielt, was sehr gut funktioniert hat. Jon Gaunt, Chucks Geiger, hat uns dann immer bei einigen Songs begleitet. Es ist schön, sich auf diese Art gegenseitig zu befruchten.
Was ist euer Trick, Leute zum Tanzen und Feiern zu bringen, egal, wie groß oder klein der Veranstaltungsort ist?
Wenn du selbst Spaß an der Musik hast, dann wirkt das ansteckend. Wenn die Energie auf das Publikum überspringt und das wieder auf uns zurückstrahlt, dann wird es zu einem Wechselspiel. Ich denke, eine gute, alte traditionelle stampfende Melodie ist etwas Besonderes oder ein altes Seemannslied zu singen, das spricht in uns allen ursprüngliche Bedürfnisse an. Das war immer so, egal, in welchem Land wir waren. Wir haben auch immer unsere Geheimwaffe mit: Eine Flasche Rum, die wir herumgehen lassen, um die Stimmung zu heben.
Du, Max, Lorna und Sam sind Gründungsmitglieder, viele andere kommen und gehen. Zufall oder Absicht?
Unser ursprünglicher Kontrabassist musste wegen anderer persönlicher Verpflichtungen aufhören, weswegen wir Michael Camino gefragt haben, ob er bei uns einsteigen will. Crowdsurfen mit dem Kontrabass war sicherlich so eine „neue Idee“, die er mitgebracht hat und was seitdem zu einer Art Markenzeichen von SKINNY LISTER geworden ist. Dass jetzt ein Drummer dabei ist, hat das Line-up auch verändert und das war auf jeden Fall eine bewusste Entscheidung, um eine neue Dynamik in die Band zu bringen. Die Drums haben es uns ermöglicht, auf dem zweiten Album andere Wege einzuschlagen, und haben dem Ganzen ein bisschen mehr Druck verliehen.
Was hat es mit eurem Logo auf sich? Ist das ein mutiertes Einhorn?
Das Logo basiert auf dem Lister-Familienwappen, das Max entdeckt und etwas modifiziert hat hat. Wir nutzen das schon von Beginn an und es ist auch immer noch bei uns auf der Bühne im Hintergrund zu sehen und auf ziemlich viel von unserem Merch. Ich glaube, das Tier ist ein Hirsch. Aber mir gefällt die Idee des mutierten Einhorns.
Worum geht es in „This is war“?
Das ist eines der vielen Stücke auf dem Album, in dem es um London geht, um den Kampf, den Alltag zu überleben, nicht um Krieg in einem militärischen Sinne. Es geht darum, in einer Stadt wie London zu leben. Es geht um die große Vielfalt an Charakteren, auf die du in solch einer Stadt triffst, und alle gehen ihren Geschäften nach. Im Refrain kommen sie dann alle zusammen: „We’ve all got something that we’re fighting for“. Live ist der Track inzwischen einer unserer Favoriten.
Und was war der „Trouble on Oxford Street“?
Das ist noch ein Song über London. Das ist die wahre Geschichte, wie ich vor ein paar Jahren auf der Oxford Street eine kleine Meinungsverschiedenheit hatte. Ich bin an ein paar Punks geraten, war ein bisschen frech, habe einem seinen Iro ruiniert und dafür ein bisschen Haue kassiert. Ich mache dafür voll und ganz den Alkohol verantwortlich. Ich habe Max die Geschichte erzählt und er schlug vor, einen Song daraus zu machen. Der Vorfall selbst war nicht besonders schön, aber wenigstens ist ein Song daraus entstanden. Wir haben das Video zu dem Song genau an der Stelle gedreht, an der sich der Vorfall ereignet hatte, und es gipfelte darin, dass ich auf einer Krankentrage zu einer SKINNY LISTER-Show in den 100 Club geschleppt werde. In diesem Fall nahm die Sache ein etwas glücklicheres Ende.
Und um was geht es in „George’s glass“?
„George’s glass“ ist ein Song über die britische Pub-Kultur. Eine Ode an unseren Tempel, die Kneipe. George ist Max und Lornas Vater, auch bekannt als „Party-George“. Er war von Beginn an ein wichtiger Bestandteil der Band. Er kommt so oft wie möglich zu uns bei „Forty pound wedding“ auf die Bühne – ein Song, der von ihm ist und der auf unserem ersten Album „Forge & Flagon“ drauf ist. „George’s glass“ beschwört diese paar dämmrigen Stunden, in denen du in der Gesellschaft guter Freunde ein paar Drinks nimmst und deine Welt wieder zurechtrückst. Er handelt auch davon, dass du deinen eigenen Weg gehst und nicht irgendetwas tust, nur weil es von dir erwartet wird oder es schon immer so war.
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