SKINNY LISTER

Foto© by Sara Louise Bowrey

Fröhlich, positiv und zeitlos

Es gibt Bands, die hören sich so an, als seien sie noch weniger als andere dafür geeignet, Musik nur im Studiokontext zu machen. Die Londoner Folkpunks SKINNY LISTER klingen einfach so sehr nach feuchtfröhlicher Pub-Stimmung, dass man ahnt, wie gehemmt sich die Band während der Pandemie gefühlt haben muss. Ihr neues Album „A Matter Of Life & Love“ ist zwar ein Kind des Lockdowns, aber zum Glück klingt es nicht so. Dan und Lorna antworteten auf meine Fragen.

Wie habt ihr die Pandemie überstanden?

Dan: In privater Hinsicht war das Timing der ganzen Pandemie-Sache nicht allzu schlecht für uns. Lorna und ich bekamen im März 2020 unser erstes Baby und hatten deshalb sowieso ein sehr ruhiges Jahr geplant, was Live-Shows angeht. Das Neugeborene hat uns in den ersten Monaten des Lockdowns auch sehr beschäftigt, was ein Segen war. Außerdem hatten wir dadurch viel Zeit, um neues Material zu schreiben, also war es gar nicht so schlecht. Ich denke, es kommt darauf an, das Beste aus so einer Situation zu machen, und ich konnte weiterhin sehr produktiv arbeiten. Ich konnte auch Musik fürs Fernsehen schreiben, was uns finanziell über Wasser gehalten hat.

Hat die britische Regierung Musiker:innen wie euch geholfen?
Dan: Die staatlichen Zuschüsse waren jedenfalls für uns als selbständige Musiker:innen ein Rettungsanker. Sie haben sichergestellt, dass unser Einkommen im Vergleich zu den Vorjahren gleich blieb, was wir sehr zu schätzen wussten. Ich weiß aber, dass andere Selbstständige durch die Maschen gerutscht sind und es sehr schwer hatten zu überleben, daher bin ich mir nicht sicher, ob die Unterstützung alle erreicht hat, die sie hätte erreichen sollen.

Vor Corona gab es keinen Brexit und für britische Bands war es einfach, in Europa zu touren. Was erwartet ihr von eurer nächsten Expedition auf dem Kontinent?
Dan: Um ehrlich zu sein, haben wir die Gedanken darüber, was uns erwartet, bisher verdrängt. Wahrscheinlich werden wir uns nach dem Abschluss unsere aktuellen UK-Tour wieder um Europa kümmern. Für Anfang Juni 2022 ist jedenfalls eine kurze Deutschlandtour geplant, also hoffen wir, dass sich die Dinge bis dahin etwas entspannen und wir als Musiker keine Visa oder so was benötigen werden. Wir haben schon etliche Horrorgeschichten über den ganzen Papierkram und die Gebühren gehört, die auf uns zukommen. Das ist wirklich deprimierend, vor allem weil das Touren durch Europa für uns in den letzten Jahren immer so ein stressfreies Vergnügen war. Aber egal, wie die Anforderungen aussehen – wir werden im Juni wieder in Deutschland sein und können es kaum erwarten!

Wie ist „A Matter Of Life & Love“ in diesen turbulenten Zeiten entstanden?
Dan: „A Matter Of Life & Love“ ist sozusagen ein Produkt der Muße, die ich während des Lockdowns zum Nachdenken und Schreiben hatte. Aber das Allerletzte, worum es auf dem Album gehen sollte, waren die Pandemie und die Beschränkungen und so weiter. Ich wollte, dass es ein fröhliches, positives und zeitloses Album wird, und ich hoffe, dass wir genau das eingefangen haben. Dies ist das erste SKINNY LISTER-Album, das komplett von mir produziert, aufgenommen und abgemischt wurde, was eine sehr befreiende Erfahrung war. Wir konnten uns hoffentlich ein paar Dinge von den großartigen Produzenten abschauen, mit denen wir über die Jahre gearbeitet haben, und diese zusammen mit unserer eigenen Vision nutzen, um ein sehr persönliches Werk zu schaffen, sowohl inhaltlich als auch in der Umsetzung.

Ich mag den Titel und den gleichnamige Song „A matter of life & love“ – „Eine Frage von Leben und Liebe“. Was ist die Geschichte dazu?
Dan: In „A matter of life & love“ geht es darum, die kleinen Augenblicke im Leben zu schätzen, die sich manchmal unwichtig oder belanglos anfühlen, aber auch die Momente sein können, die im Leben wirklich zählen. Die kostbaren Stunden mit der Familie und Freunde zum Beispiel. Wahrscheinlich kommt es auch daher, dass wir sie monatelang nicht sehen konnten. Da wird einem erst so richtig bewusst, was man sonst für selbstverständlich hält.

In Deutschland gab es in letzter Zeit eine Diskussion über die Unterrepräsentation, Sichtbarkeit und manchmal auch Diskriminierung von nicht-männlichen Musizierenden und Sänger:innen in der Punk-Szene. Lorna, was sind deine Erfahrungen, Gedanken und Ideen dazu?
Lorna: Ich kann nicht sagen, dass ich schlechte Erfahrungen gemacht habe, um ehrlich zu sein. Keiner hat mich je gefragt, ob mein Freund in der Band ist oder so etwas. Klar, Frauen sind nicht besonders häufig anzutreffen. Wenn du in der Musikbranche eine Frau triffst, dann eher als Künstlerin oder Tourmanagerin und nicht als Ton- oder Lichttechnikerin. In der ganzen Zeit, in der wir auf Tour waren, kam es nur ein einziges Mal vor, es war übrigens in Deutschland, dass das gesamte Veranstaltungsteam einschließlich der Ton- und Lichttechnik weiblich war. Das war erstaunlich und wie nicht anders zu erwarten, haben sie einen absolut professionellen Job gemacht. Die ganze Band hat es bemerkt und alle fanden es toll. Es ist wirklich eine Schande, dass man das nicht öfter sieht.

Wie stehst du zu eurer Musik in Bezug auf den Aspekt, dass sie – zum Glück! – nicht wirklich „neu“, sondern „klassisch“ ist?
Dan: Die Wurzeln von SKINNY LISTER liegen in der Folkmusik. Die Band entstand aus der Liebe zu Traditionals und Shantys, die meiner Meinung nach eine Art „klassischen“ Sound haben. Aber um das Ganze für uns und hoffentlich auch für unsere Fans interessant zu halten, lassen wir auch andere Einflüsse einfließen. Das neue Album basiert auf Achtziger-Jahre-Acts wie Elvis Costello, MADNESS und THE SPECIALS, aber im Kern ist der Skinny-Sound einfach Folk. Das ist ein Genre, in dem wir uns sehr wohl fühlen, und wir verspüren ganz sicher nicht den Drang, eine Popband zu werden.

Euer Albumcover zeigt einen großen, mit Filzstiftzeichnungen verzierten Krug ... Was ist die Geschichte dazu ...?
Dan: Für das Albumcover wollten wir ein klassisches SKINNY LISTER-Bild verwenden, und wir hatten schon immer einen mit Rum gefüllten Krug, den wir bei unseren Konzerten herumreichen. Ein schmuckloser Humpen hätte aber nicht sehr reizvoll ausgesehen, also haben wir einen Freund von Max’ Frau beauftragt, ihn zu verzieren. Er nennt sich IownThisART und du kannst ihn und seine tollen Arbeiten auf Instagram finden. Wir waren wirklich zufrieden mit dem Ergebnis und die Resonanz auf das Artwork und insgesamt das Album war bisher großartig.

Kannst du mir die Hintergründe zu ein paar Stücken verraten, die sich alle auf bestimmte Orte zu beziehen scheinen? Ich rede von „Bavaria area“, „Breakfast at Heathrow“ und „Damn the Amsterdam“.
Dan: Ich habe „Bavaria area“ geschrieben, nachdem wir von der Polizei angehalten, in eine Garage gebracht und gründlich durchsucht wurden, als wir in Bayern auf Tour waren. Sie durchsuchten unsere Taschen, den Van und unsere Koffer. Sie brachten sogar Spürhunde mit und überprüften unsere verschreibungspflichtigen Medikamente. Letztendlich haben sie nichts Verdächtiges gefunden, aber es war schon eine ziemlich nervenaufreibende Erfahrung. Aus irgendeinem Grund hält uns die bayerische Polizei ziemlich gerne an und kontrolliert uns. Das liegt wahrscheinlich an den englischen Nummernschildern und dem verbeulten Van. Ich befürchte, dass es nach dem Brexit noch häufiger zu solchen Vorfällen kommen wird, wenn wir in Gegenden wie Bayern unterwegs sind. Wie auch immer – wir haben einen Song daraus gemacht, das ist positiv! In „Damn the Amsterdam“ geht es um einen Schiffbruch vor der Küste von Hastings in East Sussex, wo Lorna und ich leben. Das Schiff lief dort 1749 auf seiner turbulenten Jungfernfahrt auf Grund. Die Reise wurde von vielen Problemen geplagt, darunter Gelbfieber, das fünfzig Mann der Besatzung tötete, und eine Meuterei. Schließlich geriet das Schiff im Ärmelkanal in stürmisches Wetter, wo es mit einen Felsen kollidierte und das Ruder verlor, bevor es am Strand von Hastings auflief. Ich fand, dass die Geschichte genug hergibt, um einen brillanten Shanty zu schreiben. Es war toll, den Shanty-Chor THE LONGEST JOHNS aus Bristol als Gastmusiker für den Song zu gewinnen, um ihm mehr Tiefe zu verleihen. In „Breakfast at Heathrow“ geht es um die Flugangst unseres Bassisten Scott. Er muss immer ein oder zwei Bier trinken, um seine Nerven zu beruhigen. Und da wir meistens früh morgens abfliegen, ist ein Drink zu Scotts regelmäßigem Frühstück vor jeder Flugreise geworden. Außerdem haben wir uns vorgenommen, auf jedem Album mindestens ein Trinklied zu haben.