Sie sind noch ein Geheimtipp, die DEAD PIONEERS aus Denver, Colorado. Und ihr Debütalbum, 2023 in den USA erschienen und jetzt in Europa via Hassle zu haben, ist eine in mehrfacher Hinsicht spannende Angelegenheit, denn der derbe Hardcore-Punk wird immer wieder durch Spoken-Word-Passagen aufgebrochen, die den Inhalten von Frontmann Gregg Deal maximalen Raum verschaffen. Der Mann ist Aktivist, Künstler, Musiker und sein Thema – daher auch der Bandname und das Bandlogo mit dem brennenden Planwagen – ist auf verschiedenen Ebenen der Kampf für die Rechte der nordamerikanischen Ureinwohner, die bis heute in Deutschland in verschiedenen Kontexten immer noch als „Indianer“ bezeichnet werden – es wäre wohl an der Zeit, das Wort aus unserem Sprachgebrauch zu verbannen. Gregg Deal hat dazu eine klare Meinung, die er im Interview darlegt. Ein Interview, das mir in verschiedener Hinsicht verdeutlichte, wie komplex Diskussionen um Identität, Vorurteile, Selbst- und Fremdwahrnehmung sind. Siehe dazu auch „Bad Indian“ auf diesem Album. Und wer das nächste Mal zusammenzuckt, wenn irgendwo ein „Western-Klassiker“ läuft oder was von Karl May, hat verstanden, worum es hier geht. Das Album ist eine auf den ersten Blick ungewohnte Kombination aus „richtigen“ Punkrock-Songs einerseits und Spoken-Word-Passagen andererseits, in denen Gregg Deal etwa die endlos nervende Frage thematisiert, warum er denn keinen „richtigen Indianernamen“ habe. Oder sich über die ach so beliebten Traumfänger auslässt, die auf jedem Ramschflohmarkt vertickt und gerne auch mal tätowiert werden. Apropos Spoken Word, apropos DEAD PIONEERS als Name: ein Schelm, wer da (nicht) an die DEAD KENNEDYS denkt, denn sowohl von der sehr deutlichen Intonation bei den Textbeiträgen her, aber auch musikalisch ist da durchaus eine gewisse Parallele zu Jello Biafra zu erkennen. Der wichtigste Song hier könnte „This is not a political song“ sein, in dem Deal klarstellt, dass alle Kämpfe für Gleichberechtigung verbunden sind oder zumindest sein sollten: „Black Lives Matter / Land rights / Equal rights / Marriage rights / Voting rights / Gay rights / Trans rights / Black rights / Latino rights / Indigenous rights / Workers rights / Labor rights / Immigrant rights“. Ich feiere DEAD PIONEERS, deren neues Album nicht lange auf sich warten lassen wird, für die Klarheit in den Aussagen, wo andere Bands, die gemeinhin als politisch bezeichnet werden, oft nicht deutlich genug werden in ihren Ansagen – oder nur da. Deal erklärt, erzählt, rüttelt auf, er reißt aus der Bequemlichkeit eingeübter Narrative und tut das mit einer Band in einer Weise, die Menschen, die lieber konstantes Durchballern wollen und „Gelaber“ nicht mögen, vielleicht auch abschreckt, gerade weil hier auch verstanden werden muss, was gesagt wird. Deutsche Textübersetzungen wären da eine Hilfe.
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