Wenn alte Bands ihre Reunion feiern, nach Jahrzehnten wieder auf der Bühne stehen und am Ende auch noch ein neues Album aufnehmen, dann ist zumindest Misstrauen immer angebracht, zu oft hat man schließlich erlebt, wie sich alte Männer bei so einer Gelegenheit blamieren, den eigenen Ruf als Legende beschädigen.
Nun, im Falle der NEW YORK DOLLS kann da Entwarnung gegeben werden. Zwar sind von der Ur-Besetzung nur noch Sylvain Sylvain und David Johansen übrig geblieben, stellten sie, nachdem kurz nach dem von Morrissey initiierten Reunion-Gig im Sommer 2004 plötzlich Arthur "Killer" Kane, der Dritte im Bunde, an Leukämie starb, eine neue Band zusammen (unter anderem mit Sami Yaffa von HANOI ROCKS am Bass, also ein großer Dolls-Versteher), doch ist das erst dritte Album der von 1971 bis 1975 bzw.
1977 existierenden Proto-Punkband trotzdem ein würdiger Nachfolger des titellosen Debüts von 1973 und "Too Much Too Soon" von 1974. Die NEW YORK DOLLS prägten seinerzeit einen hemmungslosen Rock'n'Roll-Sound, irgendwie angesteckt vom Brutal-Sound der STOOGES, aber doch viel lässiger und weniger testosterongefüttert - was bei Typen in bunten (Frauen-)Kleidern und hochhackigen Schuhen auch irgendwie nicht so recht funktioniert hätte.
Die Dolls waren Paradiesvögel, nahmen die Extravaganz von Glam vorweg, die hemmungslose Selbstzurschaustellung des Punk, die Affektiertheit des Haar-Metals - und machten dabei auch noch verdammt großartige Musik.
Dass Sylvain, Johansen und Co. jetzt noch ein solch stimmiges Album aufgenommen haben, das weder plump historisiert noch versucht, neue Wege zu gehen, ist eine reife Leistung, und dass das Album kaum Schwächen aufweist, man fast bis zum Ende von einem mitreißenden Song-Unikat zum nächsten weitergereicht wird, verdient Bewunderung - auch für die neuen Mitmusiker, die ja beinahe die schwerste Aufgabe hatten.
"We're all in love", "Runnin' around", "Plenty of music", "Dance like a monkey", "Punishing world", "Fishnet and cigarettes" - alles begeisternde Songs im typischen Dolls-Stil, weitgehend von Sylvain Sylvain geschrieben, und Johansen ließ sich bei Texten von niemand dreinreden.
Ein würdiges Spätwerk, das mit jedem Durchlauf wächst. (47:48) (08/10)
© by - Ausgabe # und 9. Juli 2020
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #84 Juni/Juli 2009 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #139 August/September 2018 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #95 April/Mai 2011 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #44 September/Oktober/November 2001 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #40 September/Oktober/November 2000 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #100 Februar/März 2012 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #32 III 1998 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Joachim Hiller