Foto

SKAM

No Name

Die Geschichtsschreibung wird von den Gewinnern bestimmt. Das klingt hart und ist der Würdigung der Lebensleistung von Ian MacKaye und Dischord Records nicht angemessen, aber wenn man mal eine Umfrage starten würde, welche Bands und Namen den Leuten so einfallen zum Thema Punk und Hardcore aus der US-Bundeshauptstadt Washington, DC, dann würde es nach der Nennung von drei, vier Bands auf Dischord und BAD BRAINS schnell eng. SKAM? Who? Eben. Das Label bringt die unspektakuläre Bandgeschichte auf diese nüchternen Worte: „Recorded in ’82-’83 and unreleased until 2023. SKAM was from Bailey’s Crossroads, VA, just outside Washington, DC.“ Bass spielte John „Jack“ Anderson (heute Fotograf, später bei HUG und NO TREND), Drums John Hugo und Gitarre und Gesang kamen von Obadiah Snooks und Vince Forcier (RACER X, SECOND WIND). An erster Stelle wird in der Thankslist SCREAM gedankt, und wer sich das Ox-Interview mit Peter Stahl durchliest, bekommt einen Idee, dass die frühe Punk-Szene von DC eben auch eher cliquenhaft und kleinteilig war: nicht jede Band war mit Ian und Henry verkumpelt. SKAM hatten immerhin das Glück, 1982 einen Studiotermin zu ergattern und neun Songs aufzunehmen (inklusive STOOGES-Cover „Search and destroy“), die Seite A dieser LP bilden. Darunter ist auch das famose „Toxic city“, und Titel wie „Organized religion“, „Open your eyes“ oder „I want war“ machen klar, wie wütend die Jugend war. Man hört hier weniger den neuen Hardcore der Dischord-Leute, sondern eher Einflüsse aus UK, etwa STIFF LITTLE FINGERS und THE CLASH. Auf der B-Seite finden sich dann noch ein paar Live-Tracks von 1983. Vorbildlich: auf dem Beiblatt sind alle Texte, Linernotes von Jack Anderson und Vince Forcier sowie Flyer zu finden. Wie relevant dieser Rerelease ist? Hängt davon ab, wie weit das Interesse an DC-Punk reicht.