Mit „AmeriKKKant“ von 2018 hatte Al Jourgensen MINISTRY zu alter Größe geführt, getreu der Binsenweisheit, dass beschissene Zeiten großartige Musik hervorbringen. Auf der Tour zum Album war nicht zu übersehen und zu überhören, dass Jourgensen, der MINISTRY 1981, vor exakt vierzig Jahren, als Synthie-Pop-Band gründete und dann Ende der Achtziger zum ultra aggressiven EBM-Hardcore-Monster umformte, Schaum vor dem Mund hatte angesichts der USA unter Trump. Subtilität ist für die anderen, Jourgensen scheut nicht davor zurück, mit flashy Slogans und Nazi-Anspielungen klarzustellen, was er vom rechten Trumpisten-Gesindel hält. Es darf vermutet werden, dass „Moral Hygiene“ trotz seines Erscheinens im Herbst 2021 noch 2020 entstanden ist, in Zeiten des brutal polarisierendem US-Wahlkampfs. Dass mittlerweile mit Biden ein Demokrat im Weißen Haus sitzt, tut nichts weiter zur Sache, die innenpolitische Lage ist in den USA weiterhin zugespitzt, die Analysen und Parolen von Jourgensen sind trotz des neuen POTUS immer noch angemessen. In „Good trouble“ kotzt Jourgensen – in Großbuchstaben – „WE DON’T GET NO JUSTICE YOU DON’T GET NO PEACE [...] FUCK THE POLICE“ – wer da nicht an „Black Lives Matter“ denkt, hat nicht aufgepasst. Und erst „Sabotage is sex“ – das ist die Auferstehung von LARD! Jello Biafra singt hier und erinnert daran, wie bahnbrechend einst das gemeinsame Projekt der beiden war, die sich in der Deutlichkeit ihres Ausdrucks kaum unterscheiden, nur dass Biafras Wortwahl dezenter ist. Absolut großartig: das STOOGES-Cover „Search and destroy“, wow, das ballert! „Broken system“, aber auch „We shall resist“ sind packend, fesselnd, stehen in allerbester MINISTRY-Tradition à la „Psalm 69“ (1992), und „Death toll“ schließlich ist der Song zur Corona-Pandemie, beginnt mit der Feststellung, dass alleine während der Produktionsphase dieses Albums mehr als eine halbe Million Amerikaner an einer COVID-19-Infektion gestorben sind – mehr als im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie den Kriegen in Korea und Vietnam zusammen ... Ein klares, notwendiges Statement in Zeiten, da andere Musiker: innen nur Geschwurbel hören lassen. „Moral Hygiene“ ist das Punkrock-Album, das zig andere Bands in dieser Klarheit in diesen Tagen vermissen lassen. Scheiß auf ach so reflektierte Nabelschau, wir brauchen auch einfach mal Slogans!
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