Schöne Musik, scheiß Thema: Im Vorfeld des Releases des neuen GY!BE-Albums kam mal wieder die Diskussion auf um die Unterstützungsunterschriften für die „international campaign for Boycott, Divestment and Sanctions against Israeli apartheid“ (kurz: BDS), die im Februar 2010 von den Constellation Records-Gründern Ian Ilavsky und Don Wilke zusammen mit vielen anderen Künstlern geleistet worden waren, und auch GY!BE-Kopf Efrim Menuck, selbst aus dem jüdischen Kulturkreis stammend, äußerte sich mehrfach recht deutlich zum Thema.
Als BDS im August 2017 zum Boykott des Berliner Pop-Kultur-Festivals aufrief, weil die israelische Botschaft sich an Reisekosten von Künstlern beteiligt hatte, kam das BDS-Thema wieder hoch, zudem wurde im Vorfeld des neuen GY!BE-Albums bekannt, dass die Großhändler mit dem Hinweis „No export to Israel“ seitens Constellation unmissverständlich zum aktiven Israelboykott aufgerufen wurden – und es gab nun wiederum hiesige Plattenläden, die ihrerseits über einen Boykott des anstehenden GY!BE-Albums nachdachten.
Eine so komplexe wie absurde Situation, ist das Label aus Montreal, Kanada doch für eine grundsätzlich sympathische antikommerzielle, antikapitalistische und globalisierungskritische Einstellung bekannt, in Sachen BDS aber so seltsam auf Abwege geraten wie manche von der Gegenseite, den gegenüber Israel völlig unkritischen „Antideutschen“.
Ganz grundsätzlich halte ich bei aller angebrachten Kritik am Vorgehen Israels in den besetzten Gebieten einen Kunstboykottaufruf gegen Israel, mit dem schon vor einigen Jahren auch Jello Biafra konfrontiert wurde, für kompletten Schwachsinn, trifft so was doch zu einem sehr großen Teil nur Musikfans wie unsereins, die ihrer jeweiligen Regierung in der Mehrzahl grundsätzlich misstrauisch gegenüber eingestellt sind.
Israelischen Punks amerikanische Punk-Platten und -Bands vorenthalten, nur weil sie in Israel geboren wurden und dort leben, mal so als Beispiel? Wie absurd! Total bekloppt wird die Sache angesichts der Tatsache, dass physische Tonträger ja zunehmend an Bedeutung verlieren.
Boykottieren Constellation und GY!BE denn auch Streaming-Einnahmen, die ihnen durch Bandcamp zufließen, die in Israel generiert wurden? Lässt sich das überhaupt tracken und herausrechnen? Und was dann, wird der israelische Anteil dann an BDS gespendet oder was? Spätestens hier wird klar, dass BDS einfach ein einziger dummer Haufen Kacke ist.
Und was sagt das über „Luciferian Towers“, das neue GY!BE-Album, das nun nur am Rande erwähnt wird? Schöne Musik, „as sublime and engrossing a drone as Godspeed gets“, wie es auf der Label-Website heißt, aber irgendwie schmeckt mir das gerade nicht mehr.
Nein, ich boykottiere die Band nicht, nicht dass mir daraus irgendwer einen Strick dreht ...
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