Mehr noch als bei ihrem Debütalbum haben sich die vier Ritter der Apokalypse des Modern Psychedelic Blues-Rock um keine Erwartungshaltung gekümmert. Diese Herangehensweise hat aber bei Nick Cave mittlerweile konzeptionellen Charakter, insbesondere bei GRINDERMAN.
Cave taucht hier in einen teils schweren Progressive-Blues-Rock-Sumpf ab und streift dennoch gekonnt – ganz besonders beim Song „Bellringer blues“ – einen mit Sitar und Flöten bewaffneten Psychedelic-Rock, der so eindringlich klingt, als ob sich die frühen JEFFERSON AIRPLANE, AMON DÜÜL und LED ZEPPELIN in einer Jam-Session in einer Opiumhölle an einem einsamen Strand in einem entlegenen Flussdelta in Vietnam drogenschwanger verloren hätten: ein Song wie ein Trip.
Die Dichte der Metaphern, derer sich Nick Cave mittlerweile in einem einzelnen Song bedient, verlässt hier seine etwas eingetretene bibelaffine Wortgewalt und öffnet sich, ganz intensiv beim Song „Palaces of Montezuma“, einer derart globalen Bildersprache, wie aus einem Selbsterkenntnisseminar mit internationalen Teilnehmern verschiedenster Religionen.
Die erste Single-Auskoppelung „Heathen child“ (bei der Version „Super heathen child“ wirkte Robert Fripp mit), kommt daher wie der böse Rip-Off des eigenen großartigen Songs „No pussy blues“ vom ersten GRINDERMAN-Album: minimalistisch, roh und wie der erste ungeschliffene Take, der nicht nachbearbeitet wurde, und sei es aus Prinzip.
Es ist Spekulation, welche Pilze im Studio gereicht wurden, aber musikalisch wie – vor allem – textlich ist hier nichts gefiltert, und alle Songs verdichten sich in einem extrovertierten Wahnwitz eines Kollektivs musikalischer Freigeister.
Mitunter erschlägt einen die Anzahl der assoziativen Schlüsselbegriffe in den Songs und es scheint, dass Cave, so wie er einst seine Texte nach langen Nächten des Bibelstudiums schrieb, nun in einer Art Cut-Up-Technik, wie früher der Schriftsteller William S.
Burroughs, sämtliche Headlines diverser Tageszeitungen mit den Headlines des National Geographic sowie verschiedener Passagen aus seinem Roman „The Death of Bunny Monroe“ verwebt. Der Wanderprediger Nick Cave lässt kein Auge trocken und schwankt mitunter zwischen Franz Kafka und Hippie-Klamauk.
Zeitgleich zur Veröffentlichung des Albums denkt die Bundesregierung wieder über das Thema Cannabis auf Rezept nach. Das Marketingkonzept von „Grinderman 2“ gleicht einem Geniestreich.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Markus Kolodziej
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Markus Kolodziej
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #101 April/Mai 2012 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Markus Kolodziej