GRINDERMAN

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Four supernatural guys

Die vier apokalyptischen Reiter des Progressive Blues Rock und abgrundtiefer psychedelischer Sequenzen holen ein zweites Mal zu einem gekonnten Wurf aus. Das Album „Grinderman 2“ löst sich dabei aus den im klassischen Blues verankerten Wurzeln des ersten Albums der Band und öffnet sich mit Songs wie „Heathen child“ – das dazugehörige Video von Regisseur und Nick Cave-Buddy John Hillcoat oszilliert dabei zwischen Genie und Wahnsinn – oder „Palaces of Montezuma“ sehr dichten lyrischen und psychedelischen Metaphern sowie Buddha-Reminiszenzen, dass man annehmen muss, Nick Cave hatte die Bibel gegen einen Haufen stimulierender Pilze eingetauscht. Fakt ist, dass das neue Album, welches die Herren Nick Cave, Martyn P. Casey, Warren Ellis und Jim Sclavunos im Rahmen von GRINDERMAN abliefern, wesentlich mehr Überraschungspotenzial und Intensität in sich birgt als die letzen Alben, die sie als NICK CAVE & THE BAD SEEDS eingespielt haben: GRINDERMAN ist ohne Frage die musikalische Experimentier- und Improvisationsplattform dieser vier Brüder im Geiste. Oft genug weist die Band darauf hin, dass es bei GRINDERMAN darum geht, sich aus dem engen Korsett und von den mitunter einengenden Erwartungen an die BAD SEEDS zu lösen und musikalische Freiräume auszuloten und freier als Musiker zu agieren, als bloß Erwartungen zu befriedigen. Oder wie es Nick Cave formulierte: „The whole thing with GRINDERMAN is being away to escape the weight oft the BAD SEEDS.“ Und das ist ihnen zweifelsohne gelungen. Ich sprach mit dem gut gelaunten GRINDERMAN/BAD SEEDS-Schlagzeuger Jim Sclavunos.

Als ich mir das neue Album von GRINDERMAN komplett angehört hatte, war mein erster Gedanke, dass der Prozess, wie Songs für GRINDERMANN entstehen, ein komplett anderer sein muss, als der, wenn ihr Songs für NICK CAVE & THE BAD SEEDS einspielt. Der wesentliche Unterschied scheint mir die Improvisation zu sein.

Es ist komplett unterschiedlich, wie Songs für die BAD SEEDS oder GRINDERMAN entstehen. Wenn du es verkürzt sehen willst, sind die BAD SEEDS ein Vehikel für Nick und seine Songs. Meist kommt er bereits mit der Idee eines zu 100% ausgearbeiteten Songs ins Studio, die dann auch so umgesetzt wird. Es kann zwar Ausnahmen geben, wie beispielsweise beim letzten Album, speziell beim Song „Dig, Lazaruz, dig!!!“. Aber generell hat Nick eine sehr elaborierte und konkrete Vorstellung eines Songs für die BAD SEEDS, bevor er mit uns ins Studio geht. Bei GRINDERMAN ist das komplett anders. Stell dir eine leere Leinwand vor. Das ist die Situation, wenn wir ins Studio für Aufnahmen für GRINDERMAN gehen. Im Grunde genommen gibt es keine sehr konkrete Idee von einem Song, bevor wir im Studio sind. Alles entsteht dann in einem Fluss, während der Sessions im Studio und auf Basis unserer ersten eruptiven Ideen, die dann sehr genau ausgearbeitet werden. Die Ergebnisse sind dann natürlich wesentlich ursprünglicher und roher. Es werden noch einige Overdubs vorgenommen und Nick bessert die eine oder andere Zeile in einem Text aus oder verändert sie leicht. Nick kann sehr gut sein beim Improvisieren von Lyrics. Im Wesentlichen dauert das dann fünf Tage oder etwas länger, bis die Aufnahmen im Kasten sind.

Was würdest du sagen, waren die wesentlichen Einflüsse während der Aufnahmen zum neuen GRINDERMAN-Album, sagen wir mal, neben klassischen Blues-Musikern? Nick hat in diesem Kontext schon mal Namen von Progressive-Rock- beziehungsweise Fusion-Bands wie GONG oder AMON DÜÜL fallen lassen.

Das kann man so nicht sagen. Es gibt keine direkten „Einflüsse“, wie du dir das vermutlich vorstellst. Natürlich spielen bestimmte musikalische Strömungen immer eine Rolle für uns, aber deren Einflüsse und Effekte sind weniger offensichtlich, als man gemeinhin denkt. Ich habe in der Zeit der Aufnahmen zu „Grinderman 2“ beispielsweise viel KING CRIMSON gehört, aber das wirst du keinem Song unmittelbar anhören. Ich schätze Schlagzeuger wie Elvin Jones, der als Jazz-Schlagzeuger des JOHN COLTRANE QUARTETTs bekannt wurde, Keith Moon von THE WHO oder Ringo Starr von den BEATLES, aber deren Art, Schlagzeug zu spielen, fließt nicht so unmittelbar in unsere Songs ein. Es ist eher die grundsätzliche Art und Weise, wie sie spielen, die mich indirekt beeinflusst. Natürlich wird uns diese Frage oft gestellt und Nick mag aus dem Moment heraus AMON DÜÜL genannt haben, aber bei GRINDERMAN kannst du eigentlich gar nicht so direkt von konkreten Einflüssen sprechen.

Einer der Songs, der es mir auf eurem neuen Album besonders angetan hat, ist „Bellringer blues“, wie sieht es da bei dir aus?

Tatsächlich? Sehr erstaunlich. Was mich betrifft, kann ich dir das heute gar nicht so genau sagen. Das hättest du mich vor einigen Monaten fragen sollen, als wir mit den Aufnahmen zum Album beschäftigt waren. Vermutlich hätte ich dir damals gesagt, dass es „Evil“ oder „Micky Mouse and the goodbye man“ wären. Aber bei „Grinderman 2“ geht es nicht so sehr um die Bedeutung eines einzelnen Songs, sondern um das gesamte Album in seiner gesamten Sequenz von Songs. Natürlich ist mir bewusst, dass heute keiner mehr ein ganzes Album komplett am Stück anhört und CDs auf „Shuffle“ gestellt werden, aber genau davon lebt das Album, es in einem Zug anzuhören, und nicht so sehr von der Qualität eines einzelnen Songs.

Du musst mir mal das kuriose GRINDERMAN-Tourplakat erklären: Ihr vier in merkwürdigen Posen und Rüstungen, wie sie römische Soldaten getragen haben. Was hat es damit auf sich?

Im Grunde genommen handelt es sich hier um eine Art Missverständnis, dass wir mit der beauftragen Agentur hatten. Eigentlich wollten wir als eine Art „Supernatural Boys“ erscheinen, etwa als griechische oder römische Götter. Sie sind dann mit diesen römischen Rüstungen angekommen, wie sie ein Zenturio im alten Rom getragen hat, und wollten unsere ursprüngliche Idee auf diese Weise umsetzen. Es war zwar nicht unsere eigentliche Intention, aber wir haben es dann dabei bewenden lassen. Du musst dir unbedingt unser Video zu „Heathen child“ ansehen, dann verstehst du vielleicht eher, auf was wir hinauswollten.

Ich hatte gerade ein Interview mit Alli und Panther von den BOOTBLACKS aus Brooklyn, die du kürzlich bei deren Debütalbum am Saxophon und in der Produktion unterstützt hast. Stehen weitere Kollaborationen und Tätigkeiten als Produzent bei dir an und wie sieht es mit deiner eigenen Band THE VANITY SET aus?

Es war großartig, mit Alli und den BOOTBLACKS zusammenzuarbeiten. Sie spielen diese Art Post-Punk und No Wave, wie wir ihn damals mit TEENAGE JESUS & THE JERKS gespielt haben. Was THE VANITY SET anbelangt – was ja ohnehin keine Band mit wirklich konstantem Line-up ist –, so liegt das Projekt zur Zeit auf Eis, da verschiedene Mitglieder sich auf ihre Familien und Kinder konzentrieren, genauer gesagt hat unsere Tubaspielerin Jennifer ein Kind von unserem Bassisten Sasha bekommen. Insofern ist da etwas Ruhe eingekehrt. Ich habe in der Vergangenheit aber auch für THE HORRORS als Produzent und kürzlich mit Beth Orton zusammengearbeitet bei ihrer Version eines Songs von George Harrison für eine Cover-Compilation des Mojo Magazins, das sich in einer Ausgabe speziell den BEATLES widmet. Mit Peter Mavrogeorgis, der neben seiner Tätigkeit als Gitarrist bei THE VANITY SET auch als Produzent für die BOOTBLACKS arbeitet, habe ich bei verschiedenen Projekten zusammen etwas gemacht, da wir ein gemeinsames Studio auf Long Island haben, das wir für verschiedene Produktionen nutzen. Zusammen mit Alli von den BOOTBLACKS, Peter und Alice Texas habe ich auch vor einiger Zeit bei einer „Alex Chilton Tribute Night“ gespielt. Wir haben eine Coverversion des Chilton-Songs „Kangaroo“ zum Besten gegeben. Mit Steve Wynn von DREAM SYNDICATE, der auch in New York lebt, habe ich in jüngster Vergangenheit auch zusammengearbeitet. Also, es ergeben sich immer wieder solche Konstellationen und musikalischen Zusammenkünfte. Ich möchte so was auch nicht wirklich planen. Die Dinge laufen einfach so und man findet sich dann zusammen.

Hast du eigentlich noch Kontakt zu alten „Weggefährten“ wie Lydia Lunch und Blixa Bargeld?

Mit Lydia habe ich vor einiger Zeit in der Knitting Factory in New York – und später auf einer kleinen Tour in den USA – einige Konzerte mit unserer alten Band TEENAGE JESUS & THE JERKS gespielt. Das war ziemlich großartig, auch wenn wir die Originalbesetzung wechseln mussten, weil unser Drummer Bradley Field leider verstorben ist und wir James Chance für dieses Projekt nicht gewinnen konnten. Teilweise spielte Thursten Moore von SONIC YOUTH am Bass. Aber es waren tolle Konzerte. Blixa lebt seit einiger Zeit in San Francisco – er hat aber glaube ich auch immer noch einen Wohnsitz in China und Berlin – und er hat uns zu einem Barbecue in San Francisco eingeladen, als wir mit GRINDERMAN dort gespielt haben. Er ist nun auch Vater geworden.

Du lebst ja schon seit ewiger Zeit in New York. Hast du das Gefühl, dass das Ende des CBGB’s ein Verlust für das kulturelle Leben in New York ist?

Nein, überhaupt nicht. Natürlich war es dort sehr aufregend ganz am Anfang, als Bands wie TELEVISION und BLONDIE im CBGB’s gespielt haben. Es war eine ganz wichtige Brutstätte für aufregende Musik, aber es hat auch unsäglich viel Mist dort gespielt, insbesondere wenn du dir vor Augen führst, dass sie dort an fast jedem Abend in der Woche drei bis fünf Bands über die Bühne gejagt haben. Zum Schluss hat dort wirklich niemand mehr Interessantes gespielt und der kommerzielle Aspekt, als Marke zu existieren, hat viel kaputt gemacht.

Was war das letzte gute Konzert, das du dort gesehen hast?

Ich möchte nicht anmaßend sein, aber das letzte gute Konzert, bei dem ich anwesend war, ist vermutlich das, welches wir mit THE VANITY SET gespielt haben. Nein, aber ernsthaft, neben dem CBGB’s gab es ja die CB’s 313 Gallery und dort waren zum Schluss eher die interessanteren Konzerte. Zuletzt habe ich dort Daniel Johnston gesehen. Das war ein großartiges Konzert. Aber insgesamt muss ich sagen, dass es zum Ende das CBGB’s auch wirklich zu viele schlechte Bands auf der Bühne gegeben hat und New York hat weitaus mehr gute Clubs zu bieten.