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SHAME

Drunk Tank Pink

Das zweite Album ist immer besonders schwierig, besonders wenn das Debüt so durch die Decke ging. SHAME eroberten die Herzen der Indie-Gemeinde mit „Songs Of Praise“ vor ziemlich genau drei Jahren im Sturm. Es hagelte gute Kritiken von NME, BBC oder Mojo. Danach haben SHAME zwei komplette Jahre fast durchgehend Konzerte gespielt. Allein im Jahr 2018 waren es 160 Konzerte weltweit. Ihr schnodderiger Post-Punk hat ziemlich genau den Zeitgeist getroffen. Zusammen mit Bands wie IDLES aus Bristol und FONTAINES D.C. aus Dublin werden die Jungs aus South London als der heiße Scheiß gehandelt. Dabei ist das Quintett um den quirligen Sänger Charlie Steen noch blutjung. Aber der Buzz um die Band forderte seinen Tribut. Anfang 2019 genehmigten sich die Londoner eine großzügige Auszeit und fielen prompt in ein tiefes Loch. Sie hatten verlernt, ein ganz „normales“ Leben abseits von Backstage-Räumen, Aftershow-Partys und Reisebussen zu führen. Genau diese Identitätskrise prägt die Songs von „Drunk Tank Pink“ maßgeblich. Sänger Charlie Steen schloss sich in einen begehbaren Kleiderschrank ein, den er vorher pink angestrichen und „Die Gebärmutter“ getauft hatte. Eine Farbe, mit der in Amerika Ausnüchterungszellen gestrichen werden, um Aggressionen abzubauen. Die Idee für „Drunk Tank Pink“ war geboren. Dort setzte er sich mit dem Ende seiner Beziehung, dem Verlust seines Selbstbewusstseins und seiner wachsenden Identitätskrise auseinander. Zeitgleich verbarrikadierte sich Gitarrist Sean Coyle-Smith in seinem Schlafzimmer und revolutionierte sein Gitarrenspiel. Er vertiefte sich in den Sound von Bands wie TALKING HEADS, TALK TALK oder ESG und verpasste so der Musik von SHAME ein Update. „Wir hätten niemals ‚Songs Of Praise‘ Teil zwei aufnehmen können“, sagt Charlie Steen. „Man kann einfach nicht die Zeit zurückdrehen und nochmal 18 Jahre alt sein. Wir hätten höchstens so tun können.“ Natürlich folgen die elf neuen Songs von SHAME noch dem bewährten Post-Punk-Schema. Aber sie erweitern auch das musikalische Arsenal der Londoner ganz erheblich. Sie variieren ihr Tempo und setzen vermehrt auf Laut/leise-Dynamik. Aufgenommen haben sie „Drunk Tank Pink“ in den La Frette Studios in einem Schloss in der Nähe von Paris. Produzent war James Ford, der vorher schon Bands wie ARCTIC MONKEYS, KLAXONS oder DEPECHE MODE betreut hatte. Mit ihrem zweiten Album beweisen SHAME wirklich Mut, denn ein Nachfolger im Stil des erfolgreichen Debütalbums wäre „A gmahde Wiesn“ gewesen, wie man in Bayern sagt – eine sichere Sache. Das wäre dem künstlerischen Anspruch des Quintetts aber nicht gerecht geworden. So liefert „Drunk Tank Pink“ Hits in anderem Gewand, die aber definitiv ähnlich viel Potenzial wie „Songs Of Praise“ haben.