Fans von IDLES müssen jetzt ganz stark sein. Ihre Lieblinge klingen nicht mehr so wie auf den ersten drei Alben. „Crawler“ gleicht einer musikalischen Revolution im IDLES-Kosmos. Aber von Anfang an: Mit seinem Debütalbum „Brutalism“ ploppte das Quintett aus Bristol vor vier Jahren auf der Bildfläche auf und eroberte die Herzen der Inselbewohner im Sturm. Diese rohe Kraft, diese konfrontative Art, diese Weirdos auf der Bühne. Das faszinierte und schreckte ab zugleich. Es folgten die beiden Alben „Joy As An Act Of Resistance“ (2018) und „Ultra Mono“ (2020), ausgiebige Touren durch Europa und die USA. Ihre Popularität wuchs und immer mehr Bands mit vergleichbar fiebrigem Post-Punk-Sound fanden den Weg ins Rampenlicht: FONTAINES D.C., SHAME oder TV PRIEST. Das wirkte fast schon wie eine Wiederholung der „Cool Britannia“-Welle aus den Neunzigern. IDLES waren immer mittendrin statt nur dabei, wurden meist als erste Referenz in Kritiken genannt. Dann kam Corona und die große Pause. Ihr 2020er Album „Ultra Mono“, das bis auf Platz eins der britischen Albumcharts kletterte, konnte die Band kein einziges Mal live präsentieren. Deshalb machten sie aus der Not eine Tugend und begannen mit der Arbeit an „Crawler“. Das Ziel: alles anders machen. In der ersten Single „The beachland ballroom“ erkennt man Sänger Joe Talbot kaum wieder. Ein getragener Soulsong mit James Bond-Vibe. „Ich wusste nicht, dass Joe so singen kann“, sagt Gitarrist Mark Bowen dazu. Die Lust an Experiment und Expansion ist an allen Ecken und Enden zu spüren. Geholfen hat dabei der kalifornische HipHop-Produzent Kenny Beats (FKA Twigs, Vince Staples), der schon bei „Ultra Mono“ mitgearbeitet hat. Er half der Band, ihren Traum von elektronischen Songs in Gitarrenform zu verwirklichen. Aber natürlich gibt es auch Stücke wie „King snake“, die klingen wie typische IDLES-Kracher. Inhaltlich ist „Crawler“ ein tiefer Blick ins Leben von Joe Talbot. Der von schweren Schicksalsschlägen gebeutelte IDLES-Sänger war schwerer Alkoholiker und hatte massive psychische Probleme. „Crawler“ ist die Geschichte seiner Heilung, seiner Rückkehr in die Normalität. Talbot sieht die neuen Songs aber auch als Blaupause für alle, die Ähnliches durchlebt haben. Zeitgleich zum neuen Album wurde ein Dokumentarfilm über IDLES fertig. Der britische Filmemacher Mark Archer, ein Freund der Band, zeichnet ein sehr intimes Porträt der fünf Wahl-Londoner. „Don’t Go Gentle“ ist wie ein neunzigminütiges Erklärvideo zum Innenleben der Band, das perfekt zu „Crawler“ passt. Jetzt liegt es an den Fans, den neuen Weg mitzugehen, den IDLES eingeschlagen haben. Eine Band, die durch ihre brutal ehrliche und konfrontative Art mindestens genauso viele Fans wie Hater hat.
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