EMSCHERKURVE 77

Buch des Lebens

Manchmal ist es ganz gut, wenn man im Musikzirkus eine Band hat, bei der man weiß, was man bekommt, und bei der man sicher sein kann, dass auf der neuen Platte nicht gleich das Rad des Punkrocks neu erfunden wird.

EMSCHERKURVE 77 hatten nie den Anspruch, sich weiterzuentwickeln in dem Sinne, dass sie ihren Punk mit allerlei Gedöns pimpen und plötzlich auf Pop oder Werweißwas machen. Sie sind eine der am stärksten geerdeten Punkbands hierzulande.

Sie machen – Achtung: Floskel! – immer weiter ihr Ding. Und sie machen es konsequent und hervorragend. „Wir werden immer Punkrock sein“ – dieses Versprechen aus dem Song „Von Null auf Hundert“ ihres neuen Albums ist keine Lüge und keine Anbiederei an die Szene.

Es ist aufrichtig und die Essenz, um die es in diesem extrem von Lebensgefühl und Attitüde geprägten Genre im besten Falle geht: Einmal Punk, immer Punk. Punkt. „Buch des Lebens“ ist Punk.

Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger. Punk, der politisch ist („Jetzt wieder rechts“, „Damals“). Punk, der die eigene Herkunft beschwört und verklärt („Alte Zeiten“, „Virus“, „Punkrock Rakete“).

Punk, der albern ist (die Dieter-Krebs-Hommage „Einer von uns“, „Teufel“, „Café au Lait“). Und Punk, der mit allen, die vorgeben, Punk zu sein, das aber nur als Mittel zum Schock-Zweck machen, abrechnet („Harte Jungs“).

Alles ist da. Und die Musik ist über jeden Zweifel erhaben: Frontmann Spiller und seine Jungs wissen, wie ein Arrangement in ihren Sphären zu klingen hat: aggressiv und schnell. Mit druckvollen Gitarren.

Mit wechselndem Gesang, bei dem nicht zu viel geschrien wird. Mit ein paar geschickt drapierten Chören. Und eingängig. Das muss sein. Denn die Eingängigkeit ist – bei aller Pop-Verachtung des Punk – seine wichtigste Zutat.

Punk war immer schon melodiös. Sonst wäre er Metal Light und damit wäre keine weltweite, bereits vier Jahrzehnte überlebende Angelegenheit geworden. Indes: Eines ist „Buch des Lebens“ dann doch – dieses Zugeständnis an die im Punk still und heimlich so verhasste Weiterentwicklung darf man machen –, es ist das musikalisch bislang reifste Album der Band aus Oberhausen.

Weil es noch einen Tick homogener klingt als die beiden Vorgängeralben „Lieder aus der Kurve“ und „Dat soll Punkrock sein?“. Liegt es daran, dass dieses Mal kein Fußballlied dabei ist? Weil die Texte, auch wenn sie durchaus mal albern daherkommen, durchweg gut sind? Weil es dieses Mal noch ein bisschen schneller und dennoch gewohnt geschmeidig nach vorne geht? Letztlich lässt sich dieser Eindruck nicht festmachen an einem Song oder irgendwelchen technischen Sperenzchen.

Er ist einfach da. Und darum geht es ja schließlich: um ein Album, das Eindruck macht, weil es schlichtweg toll klingt.