EMSCHERKURVE 77

Foto

Die Jungs aus der Kurve

Wenn man erst mal die offizielle Stadionhymne für einen Zweitligisten geschrieben hat, kann einer Band regional schon mal nicht mehr viel passieren. Die Jungs von EMSCHERKURVE 77 sind seit einiger Zeit die Haus- und Hof-Band von Rot-Weiß Oberhausen und somit eine feste Größe in der dortigen Fankultur. Aber auch außerhalb der Welt des runden Leders haben sich die fünf Ruhrpottler um die beiden Sänger Spiller und Böhle einen Namen als stimmungsvolle Live-Band gemacht. Nicht zuletzt durch zahlreiche gemeinsame Konzerte mit den KASSIERERN ist man weit herumgekommen und hat schon so manches Skinhead- und Punkerbein zum Tanzen beziehungsweise -Kehle zum Grölen gebracht. Schließlich kann man den Liedern mit Titeln wie „Deine Eltern sind Geschwister“, „Lieder aus der Kurve“ oder „Wir sind das Ruhrgebiet“ durchaus den Stempel „mitsingkompatibel“ aufdrücken. Nach einem Cover-Album, einer Mini- und einer Split-LP ist nun mit „Liedern aus der Kurve“ der erste richtige eigene Longplayer herausgekommen. Grund genug, den Herren vom Niederrhein einmal auf den Zahn zu fühlen.

Welche Erwartungen oder Hoffnungen kann man als RWO-Fan an das Jahr 2009 richten?

Böhle 77: Der dritte Aufstieg hintereinander und nächstes Jahr dann Champions League! Alles andere wäre die reinste Enttäuschung für uns, wir sind halt schwer verwöhnt worden in Oberhausen in den letzten zwei Jahren.

Seid ihr mit dem neuen Album der Stadiontribüne nun endgültig entwachsen?

Böhle 77: Was heißt entwachsen? Wir gehen immer noch gern zum Fußball. Die meisten Leute, die sich nie oder nur oberflächlich mit unserer Musik beschäftigt haben, drücken uns den Stempel Fußballprollwasweißichwas-Combo auf. Natürlich haben wir seinerzeit die offizielle Stadionhymne für Rot-Weiß Oberhausen geschrieben, worauf wir nach wie vor stolz sind. Nur vergessen oder übersehen eben diese Kritiker oft, dass wir neben Fußball eine Menge anderer Gedanken in unseren Stücken verfolgen. Ich schreibe Texte über alles, was mich beschäftigt, bedrückt, stört oder erfreut. Auf „Lieder aus der Kurve“ gibt es exakt zwei der insgesamt 15 Songs, die sich mit der schönsten Nebensache der Welt beschäftigen. Trotzdem höre ich immer wieder so Sachen wie: „Ach, ihr mit euerm Fußballpunk!“ Das ist schon frustrierend manchmal, zeigt einem aber auch, dass auch die Punkrock-Szene nach wie vor nicht ohne irgendwelche künstlichen Klischees auskommt, obwohl gerade diese Szene dies am wenigstens nötig hätte.

Spiller: Und auch hier verweise ich nur zu gerne auf Bands wie die COCKNEY REJECTS, BUSINESS, COCK SPARRER, DISCIPLINE oder gar SPRINGTOIFEL, DAILY TERROR und wie sie alle heißen, die auch dafür bekannt sind, ihren Heimatverein zu unterstützen und Fußball unter anderem auch zum Thema ihrer Songs zu machen. Nur wird wohl niemand auch nur eine dieser Bands auf eben dieses Thema reduzieren, wie es bei uns eben immer der Fall ist. Und dass die Kritiker beim neuen Album überrascht sind, dass so wenig über Fußball gesungen wird, beweist für mich doch nur, dass sie sich unsere anderen Veröffentlichungen gar nicht wirklich zu Gemüte geführt haben. Denn wir haben schon von jeher nicht nur über den beliebtesten deutschen Volkssport gesungen. Nur scheint es keinem aufgefallen zu sein.

Marcel: Ich denke, dass man den Namen EK77 immer mit Fußball verbinden wird, was auch absolut okay ist, nur sollte man uns nicht nur darauf beschränken.

Wieso hattet ihr euch bislang mit Eigenkompositionen so zurückgehalten?

Böhle 77: Na ja, früher, also in der Zeit vor „Lieder aus der Kurve“, habe ich ja teilweise in drei Bands gleichzeitig gespielt. Da war es dann einfach auch vom Zeitaufwand her für unser damaliges Nebenprojekt EMSCHERKURVE 77 nötig, auf langwierige Kompositionsvorgänge zu verzichten. Da hab ich dann meistens recht spontan einen eigenen Text zu einer bereits vorhandenen schmissigen Melodie geschrieben. Das ging halt schneller und wurde auch immer spontan verlangt, wenn eine CD-Veröffentlichung oder ein Samplerbeitrag angefragt wurde. Es war einfach eine Zeitfrage. Heute, wo EMSCHERKURVE 77 eine selbstständige Band ist, wo ich keine SONDASCHULE-Songs mehr bastle, wo die PORTERS längst auf eigenen Pfaden wandeln, ist es halt nur noch die Kurve, die übrig geblieben ist und sich als neue Hauptband herauskristallisiert hat. Im Prinzip ist alles wie früher und man schreibt jetzt halt die Songs selber, die seinerzeit bei der SONDASCHULE gelandet wären. Na ja zumindest die meisten, einige Covers sind ja auch auf dem neuen Album zu finden.

Da fallen jetzt Bandnamen wie SONDASCHULE oder PORTERS. Kläre doch bitte mal die Leser auf, welchen musikalischen Background die einzelnen EMSCHERKURVE-Mitglieder haben und wie ihr euch zusammengefunden habt.

Böhle 77: Ich hab die SONDASCHULE ja seinerzeit mit einem der beiden Gitarristen gegründet. Ist quasi mein Baby gewesen, diese Band. Eigentlich schade, was heute draus geworden ist. Auch bei den PORTERS war ich von Anfang an dabei. Grüner, der Bandgründer, hatte damals die Idee, eine Folk-Band zu machen. Er hat eine EMSCHERKURVE 77-Platte gehört und dachte sich, die Stimme passt perfekt, weil so schön versoffen, zu den Porters, ließ nach mir ausschicken und ich folgte seinem Ruf. Haha, kein Scherz, so war das damals! Aber in drei Bands, die auch alle viel touren, zeitgleich zu spielen, ist einfach zu viel des Guten. Da musste man sich dann entscheiden.

Gastmusiker haben bei euch ja inzwischen eine große Tradition. Wo liegt der Reiz für euch, nicht nur bei Coverversionen darauf zurückzugreifen?

Böhle 77: Also erstens kennt ja in der Punk-Szene eh jeder jeden und zweitens ist es so, wenn man denkt, der Song ist jetzt aufgenommen, man selbst hat aber das Gefühl, da fehlt doch noch irgendwas, bis man dann merkt, na klar, da muss unbedingt noch ein Akkordeon rein. Da aber keiner aus der Band dieses Instrument beherrscht, fragt man halt den guten Kub von den BROILERS und gut ist. Ebenso erging es uns mit der Bläserfraktion der SKA BUGS und unserem Kumpel Beagle von LOS PLACEBOS bei unserem Ska-Song. Es muss halt immer authentisch klingen, ist also eher zweckgebunden und dient dem einzelnen Song an sich, als dass eine Tradition dahinterstecken würde. Ich bin mächtig stolz darauf, so viele fähige Musiker zu kennen, die man mal eben anrufen kann, die dann auch rumkommen und dazu beitragen, die eigenen musikalischen Träume wahr werden zu lassen.

Was beschäftigt euch in euren Texten denn so außer Fußball?

Böhle 77: Es geht um alle möglichen Dinge. Alkoholgeschwängerte Kneipenerlebnisse haben da genauso Platz wie Songs über vergangene Freundschaften, nachdenkliche Texte über rückgratlose Kopfnicker oder aber auch ernst gemeinte Huldigungen an unsere persönlichen Helden wie zum Beispiel Bud Spencer und Günter Netzer. Das Thema Fußball wird hier eher am Rande behandelt, findet aber auch in zwei Stücken statt. Es sind alles in allem feine kleine Geschichten aus dem Leben, die jeder so oder so ähnlich auch mal erlebt haben dürfte oder vielleicht noch erleben wird. Die meisten Songs kommen eher mit etwas Zynismus und einem Augenzwinkern daher, auch wenn die Message dahinter oft eine deutliche und klare Aussage beinhaltet.

Was bringt das Jahr 2009? Pläne, Wünsche, Hoffnungen?

Marcel: Gute Shows,viel Spaß und einfach abwarten.

Spiller: Wie auch im letzten Jahr wird man uns natürlich auch dieses Jahr wieder live auf allen möglichen Bühnen der Republik zu sehen kriegen, wo wir das neue Album präsentieren werden. Und dabei ist es uns völlig egal, ob das kleine Jugendzentren oder große Open-Air-Bühnen sind. Wer uns buchen will, soll uns einfach kontaktieren.