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AMYL AND THE SNIFFERS

Big Attraction & Giddy Up

Seltsam, wie man manchmal das Gefühl bekommt, es mit einer Band zu tun zu haben, von der man noch hören wird. Die Australier AMYL AND THE SNIFFERS sind so ein Fall. Mit „Giddy Up“ und „Big Attraction“ veröffentlichten sie 2016 und 2017 in Eigenregie je eine EP, im März 2018 gab es einen neuen Song („Cup of destiny“), doch ein „richtiges“ Album lässt noch auf sich warten, so dass man erstmal mit dieser 10-Song-Compilation leben muss, mit der sich Damaged Goods aus London die Band gesichert hat und auf der die Songs der beiden EPs zusammengefasst sind.

AMYL AND THE SNIFFERS kommen – wenig überraschend – aus der südaustralischen Musikhauptstadt Melbourne, die für diesen Kontinent längst die Rolle spielt wie Berlin für Deutschland, London für UK und New York oder Los Angeles für die USA.

Wirklich aus der Stadt kommen die Beteiligten entsprechend selten, und auch Amy Taylor (Vocals), Bryce Wilson (Drums) und Dec Martens (Gitarre), die die Band gründeten, als erstere zufällig in einer WG landeten, sehen in der aktuellen Besetzung mit Gus Romer (Bass) zumindest so aus, als wäre ihre Heimat das platte Land weitab der Metropole.

Irgendwie haben die drei Jungs eine große Schwäche für den „mullet“, wie im englischen Sprachraum die hinterwäldlerische Vokuhila-Frisur genannt wird und die im Falle von Australien eine schwer nachvollziehbare Vorliebe für das grausige Victoria Bitter-Bier impliziert sowie den Besitz eines „Ute“, jenes typisch australischen und von der Landbevölkerung auch gerne getuneten Vehikels, das vorne Pkw und hinten Pick-up ist – damit kann man am Wochenende sowohl zum Saufen in die Kleinstadt fahren wie werktags Stroh, Schafe und Sonstiges transportieren.

„People look at me like I’m a hooker“, singt Amy(l) in „I’m not a loser“ und wird von ihren Bandmates per Chorgesang bestätigt: „No, she’s not a loser!“, tut aber alles, um als Frontfrau die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: blondierte Haare funktionieren immer, die Jungs stehen seit den ersten Londoner Punkbands auf so was, face it.

Und sie hat eine famose Stimme, sweet und rauh und rotzig und wütend zugleich, Wie Dolly Parton, schrieb irgendwer mal irgendwo, und die Musik ist so simpel wie eingängig und durchschlagkräftig: Die Aussie-Überhelden AC/DC müssen, sollen und können genannt werden, speziell die Frühphase, aber auch die COSMIC PSYCHOS, denn AMYL AND THE SNIFFERS haben es gerne straight und direkt.

Und dann ist da auch noch eine Menge früher Punk, Johnny Thunders höre ich da raus, genauso wie RUNAWAYS und JOAN JETT & THE BLACKHEARTS. Ich bin gespannt, was da noch kommt – dieses Mini-Album, das nicht mal eines ist, macht Lust auf mehr.

Nach UK und USA im Juni wäre es außerdem auch Zeit für eine Europatour – und das richtige Album. Hoffentlich (wieder) auf einem coolen Label.