2018 schrieb ich in Ox #138 anlässlich der just auf Damaged Goods erschienenen 10-Song-Zusammenstellung „Big Attraction & Giddy Up“: „Seltsam, wie man manchmal das Gefühl bekommt, es mit einer Band zu tun zu haben, von der man noch hören wird. Die Australier AMYL AND THE SNIFFERS sind so ein Fall. Mit ‚Giddy Up‘ und ‚Big Attraction‘ veröffentlichten sie 2016 und 2017 in Eigenregie je eine EP, im März 2018 gab es einen neuen Song (‚Cup of destiny‘), doch ein ‚richtiges‘ Album lässt noch auf sich warten, so dass man erstmal mit dieser 10-Song-Compilation leben muss.“ Es zeichnete sich dann schnell ab, dass da da mehr am Start ist als eine weitere krawallige Aussie-Band mit offensivem Auftreten, verkörpert durch ihre Frontfrau Amy Taylor. Rough Trade aus London gewann das Ringen um das erste (titellose) Album, das 2019 erschien und mit dem der Vierer den ersten Teil seines Siegeszuges antrat, der auf furiosen Liveshows basiert. Mitten in der Pandemie, die gerade in ihrer Heimatstadt Melbourne mit eisernen Lockdowns bekämpft wurde, veröffentlichten AMYL AND THE SNIFFERS im September 2021 ihren zweiten Longplayer „Comfort To Me“ und gingen dann gefühlt auf Dauertour. „Hallo, neues Album?“ wollte man schon meckern, da wurde es endlich angekündigt für Ende Oktober 2024, wieder auf Rough Trade. AMYL AND THE SNIFFERS sind auch 2024 noch Amy Taylor (voc), Bryce Wilson (dr), Declan Martens (gt) und Gus Romer (bs), kein unwesentlicher Faktor – wir reden hier von einem Bandgefüge, das immer den Eindruck einer eingeschworenen Gang macht. 13 Songs haben sie für ihr drittes Album produziert, das erstmals den Eindruck macht, einen Schritt über das bisherige, völlig überzeugende Schaffen hinauszugehen, aber nicht im Sinne eines kalkulierten Schielens nach mehr Aufmerksamkeit – die bekommen sie sowieso schon weltweit –, sondern insofern, als dass hier Songs in einem breiteren Spektrum geboten werden. Aber keine Sorge, 100% Amyl is hier alles. Schon der wegen „Schimpfwörtern“ für Airplay untaugliche Opener „Jerkin’“ ist eine massive Ansage, auch textlich, „Chewing gum“ lockt dann scheinentspannt, mit „Tiny Bikini“ haut Amy ihre Kampfansage an „male gaze“ und Co. raus, mit „Big dreams“ können sie sogar – Achtung! – Ballade, nur um dann mit „It’s mine“ gefühlt derber und hardcoriger als je zuvor die Fäuste rauszuholen – nach Feuerzeugschwingen kurz davor jetzt Blutpogo. „Doing in me head“ – ein Instant-Hit. „Me and the girls“: wieder ganz anders, weirder Pop, aber genial. Und „Bailing on me“ lässt mich an Helen Schneider denken, die Anfang der 1980er Jahre mit „Rock’n’roll gypsy“ einen Hit hatte. „Cartoon Darkness“ ist eine unglaublich Wucht von Album, und Amy Taylor könnte damit noch mehr zur Ikone des female empowerment werden. Wie Taylor Swift, aber mit guter Musik.
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