ZEAL & ARDOR

Foto© by Daniel Claudin

Metal-API

2013 stellte Manuel Gagneux auf der Internetplattform 4chan die Frage, welche zwei Genres er für ein Stück kombinieren sollte. Daraus entstand das Projekt ZEAL & ARDOR, in dem er seitdem amerikanische Soul-Musik mit Black Metal vermischt.

Manuel, kannst du dich noch an andere Genrekombinationen erinnern, die damals vorgeschlagen wurden?

Es waren sehr viele, viele waren auch schrecklich. Das kann ich jetzt offen zugeben. Aber ein paar waren gar nicht mal so schlecht. Es gab Dreamjazz Serial Music, Industrial Grunge, aleatorischen Antifolk, Surf-R&B und Vapordoom, weil Vaporwave ziemlich wichtig war. Aber das ist verpufft.

Was war ausschlaggebend für deine Wahl?
Ich habe Black Metal gehört, als ich noch Teenager war, aber ich musste mir beides erst ein bisschen aneignen, auch die Soul-Sache. Dass es ganz viele NSBM [National Socialist Black Metal]-Leute ein bisschen ans Bein pissen würde, hat mich wirklich daran gereizt. Das fand ich schön.

Wie verbreitet ist diese Art von Genrekombi mittlerweile? Hatten ZEAL & ARDOR eine Vorreiterrolle?
Ich habe das Gefühl, wir sind auf einer Welle mitgeritten, da jetzt zum Beispiel THE HU aus der Mongolei sehr traditionelle Musik ihres Landes mit Metal ausarbeiten, BLOODYWOOD Punjabi-Musik mit Metal verbinden oder ALIEN WEAPONRY dieses neuseeländische Hacka mit Musik und Metal vereinigen. Das ist wie bei Ben & Jerry’s: „Metal mit das und das“. Ich glaube, wir waren mit die Ersten, aber nicht die Vorreiter. Crossover wäre eigentlich dasselbe Konzept gewesen, wenn man HipHop involviert. Und ich glaube nicht zuletzt, dass ­SYSTEM OF A DOWN – auch wenn es nicht so an die große Glocke gehängt wird wie bei mir – ihren Metal extrem mit armenischer Musik gewürzt haben. Deshalb: Everything is a remix – alles ist geklaut. Ich besitze keine Originalität, haha.

Deine damaligen Aufnahmen fanden anfangs kaum Beachtung, bis sie von einer Musikjournalistin entdeckt wurden und viral gingen.
Das war Kim Kelly, die damals für Noisey geschrieben hat und mittlerweile eine brillante Journalistin ist. Sie hat meine Musik auf Twitter gepostet, das hat irgendwie den Ball ins Rollen gebracht. Hätte die einen schlechten Tag gehabt oder der Tee wäre zu kalt gewesen, wäre ich jetzt nicht hier. Sehr vielen Bands fehlt so ein Moment. Man darf das nicht als Selbstverständlichkeit betrachten, dass mir das passiert ist. Besonders heutzutage ist Glück ein Riesenfaktor. Wenn man auf TikTok schaut, gibt es zig Menschen, die auf verschiedenste Weise versuchen, Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Und wenn das nie passiert wäre?
Musik ist immer noch meine Lieblingsbeschäftigung. Ob ich dafür bezahlt werde oder nicht.

Wie siehst du aktuell das teilweise komplizierte Verhältnis zur Black-Metal-Szene?
Die Leute, die uns nicht mögen, nehmen auch nicht Kontakt mit uns auf. Aber weil viele Bands dem Black Metal eine andere Richtungen gegeben haben, habe ich das Gefühl, dass das ein altes Thema ist und die True Black Metaller eben ihre Musik von 1994 hören und dann frustriert schnauben den ganzen Abend lang. Ich glaube, leider ist der Zug abgefahren. Es ist wie Satanismus. Man schockiert niemanden mehr, wenn man satanistische Inhalte wiedergibt. Das ist jetzt stubenrein und salonfähig.

Wie unterscheidet sich das neu erscheinende Album von vorherigen Aufnahmen?
Das Album ist weicher. Und die Tatsache, dass alle ihre eigenen Instrumente gespielt haben, war irgendwie merkwürdig. Früher war immer ich das. Bis auf das Schlagzeug habe ich alles selbst eingespielt und mittlerweile muss ich zugeben, dass ich vielleicht gar nicht so gut Bass spielen kann, wie ich dachte, haha. Es ist ein verspielteres Album als die anderen. Es ist weniger drohend im Sinne von „Ich drohe mit dem Finger und Satan will das“, sondern „Hey, ich habe mich mal nicht so gut gefühlt und war traurig. Das ist ein Lied darüber“ oder sogar „Ich habe mich gefreut und hier ist ein heiteres Lied auf einem Metal-Album“, wenn man das überhaupt Metal-Album nennen kann. Mal sehen, ob es klappt.

Übernimmst du das komplette Songwriting nach wie vor alleine?
Ja, ich habe alles geschrieben und davon Demos aufgenommen. Ich finde, Kunst im Plenum klappt oft nicht. Aber vielleicht ist es auch so ein Selbstschutzmechanismus. Wenn ich die Leute in den Schreibprozess involviere und es dann viel besser wird als das, was ich selbst mache, dann muss ich zugeben, dass ich das irgendwie vier Alben lang scheiße gemacht habe. Und diese Situation wird nie eintreffen, wenn ich weiterhin alles selber schreibe, haha.

Der Albumtitel „Greif“ bezieht sich auf einen alten Schweizer Brauch. Was hat es damit auf sich?
Traditionen können aus so vielen Gründen entstehen. In dem spezifischen Fall ist der Brauch 800 Jahre alt. Es ist fast unmöglich, dass wir immer noch die dieselbe Absicht verfolgen, wenn wir das durchführen. Und ich komme ja auch zur Hälfte aus Amerika, das ist so ein junges Land, die sind ganz wild auf Tradition. Wenn Football im Fernsehen läuft, dann heißt das „Super Bowl Sunday“ und wird jedes Jahr zelebriert. Ich glaube, der Mensch hat ein Verlangen nach Routine oder nach einer gewissen Beständigkeit und deshalb finde ich auch manche Traditionen schön. In Bezug auf den Vogel Greif ist es so, dass jedes Kind, das in Basel aufgewachsen ist, das mal erlebt hat. Man geht vielleicht sogar mit der Schule hin und sieht diese alten Kostüme und wie sie ihren uralten Tanz aufführen und der Vogel Greif dreht sich mit dem Rücken zum Großbasel, zur Bourgeoisie. Das ist irgendwie Teil der Identität, dass man es den Reichen zeigt. Und ich finde das eigentlich einen schönen Brauch, der es verdient hat, mit der Welt geteilt zu werden.

Wie vermittelst du das auf dem Album?
Es steckt auf jeden Fall in den Texten, aber es ist nicht didaktisch oder klar. Ich finde es immer noch wichtig, dass man auch einfach nur die Musik hören kann und vielleicht nicht acht Stunden auf Wikipedia verbringen muss, um das Album zu genießen. Aber wenn man graben will, ist auf jeden Fall genug Fleisch am Knochen.