WIPERS

Irgendwie hasse ich ja diese imaginären "Insellisten", diese Aufstellung jener 5 oder 10 oder 20 Platten oder Personen oder Gegenstände, die man auf eine Insel mitnehmen würde, auf der man für absehbare Zeit von der sogenannten Zivilisation abgeschnitten wäre. Vorausgesetzt, man verfügt auf dieser Insel, über Generator oder Solarpanel, sowie Plattenspieler und/oder CD-Player, fände sich in meiner Liste von Inselplatten ganz weit vorne das "Youth Of America"-Album der WIPERS. Die WIPERS? Eine Blitzumfrage im engeren Kreise ergab, dass man bei Menschen, die unter 25 sind, kaum erwarten kann, mit dem Output dieser legendären "Band" aus Portland, OR vertraut zu sein. Aber es ist eben ruhig geworden um WIPERS-Mastermind Greg Sage, der seine ersten Platten mit den Ende ´77 gegründeten WIPERS 1978 aufnahm, der als Wrestling-Fan mit dem zufällig in der Nachbarschaft wohnenden Wrestling-Star Beauregarde eine Platte einspielte und sich von der "Alien Boy"-EP über die das epochale "Is This Real?"-Album bis zu meinem Favoriten "Youth Of America" steigerte.
1986, zum "Land Of The Lost"-Album, war es dann, dass die WIPERS auf Deutschlandtour kamen, ich hatte am nächsten Tag eine wichtige Prüfung, konnte nicht hin und ärgerte mich masslos. "Land Of The Lost" enttäuschte seinerzeit alte Fans etwas, Sage machte aber weiter, kämpfte sich durch akzeptable Solo-Alben, lieferte alle zwei, drei Jahre ein neues Album ab, aber kam nie mehr an seine frühere Klasse heran, obwohl auch die Spätwerke jenen unverwechselbaren Gitarrensound aufweisen, welcher den roten Faden im WIPERS-Klangteppich darstellt.
Anfang der Neunziger dann wieder eine WIPERS-Tour, ich natürlich hin und im Odeon in Münster dahingeschmolzen. Mochte die letzte Platte auch schwach sein, Songs wie "Youth of America", "When it´s over", "Is this real", "Dimension 7" oder "Pushing the extreme" waren live immer noch Killer. Greg Sage machte weiter Platten, seine ´97er Tour verpasste ich leider, und dann schneite kurz vor Deadline zum letzten Heft das neue Album "Power In One" ins Haus, und ich war nach einem kurzen Moment der Skepsis absolut begeistert. Steve Plouf, der alte WIPERS-Drummer, ist auch wieder dabei, kein Synthie-Drumset stört (wie in der jüngeren Vergangenheit), und man könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, "Power In One" knüpfe an "Over The Edge" an - und mit "Rest of my life" ist zudem ein echter Hit enthalten. Der Kontakt zu Greg Sage ist dann recht schnell per eMail hergestellt, der Telefonkontakt etwas schwieriger, aber schliesslich habe ich den eigenwilligen, mal wortkargen, mal sehr auskunftsfreudigen Mann Anfang Januar doch noch ans Telefon bekommen.

Du bist schwer zu erreichen - hast du viel zu tun derzeit?

"Immer. Ich muss auch gleich wieder los, ein paar Besorgungen machen, aber für das Interview habe ich schon Zeit."

Was machst du so den ganzen Tag?

"Ach, ich finde immer was, um mich zu beschäftigen. Ich nehme auf, sitze im Studio, hänge vor dem Computer und so weiter."

Arbeitest du an eigenen Aufnahmen oder produzierst du jemand?

"Sowohl als auch."

Und was hast du in den letzten zwei, drei Jahren gemacht? Man hat eigentlich gar nichts von dir gehört seit der letzten Platte.

"Na, ich habe das neue Album aufgenommen. Damit war ich anderthalb Jahre beschäftigt. Ich habe nie konstant daran gearbeitet - hier mal etwas, da mal etwas, zwischendurch was anderes."

Für mich schliesst das neue Album an die WIPERS-Alben von Mitte der Achtziger an. Was ist "Power In One" für dich?

"Ich weiss es nicht. Ich kann meine eigene Arbeit nicht einschätzen. Ursprünglich sollte es ein Solo-Album werden, für das ich schon über 120 Songs geschrieben hatte, und als ich dann die nicht so guten ausgejätet hatte, erinnerten mich die verbliebenen schwer an die alten WIPERS-Songs, und so wurden dann eben WIPERS-Songs daraus."

Wie entscheidest du, ob eine Platte ein Solo-Album oder ein WIPERS-Album wird? Letztendlich spielst du ja doch das meiste selbst.

"Das ist eine lange Geschichte, aber ich erzähle sie. Das erste WIPERS-Projekt vor über zwanzig Jahren war eben genau das: keine Band, sondern ein "Recording Project". Ich wollte etwas machen, das sich grundlegend von allem anderen unterschied, und meine Idee für dieses "Projekt" war damals, über einen Zeitraum von zehn Jahren 15 Platten aufzunehmen. Keine Touren, keine Konzerte, keine Interviews, keine Fotos - und die Idee dahinter war, etwas Neues zu schaffen, etwas Geheimnisvolles, das die Leute schon rein aus Neugier konzentrierter wahrnehmen würden. Ich wollte damit die engen Grenzen des Musikbusiness sprengen, aber es zeigte sich leider schnell, dass das nicht möglich war. Denn obwohl damals alles völlig independent war, gab es doch gewisse Zwänge und Erwartungen, und so führte das eine zum anderen. Aber eines blieb: die Idee, dass die WIPERS keine Band sind, sondern ein "Recording Project" mit einer etwas anderen Herangehensweise.

Leider hatten wir über die Jahre immer wieder grosses Pech mit unseren wechselnden Plattenfirmen, und von kaum einer haben wir mal Geld gesehen. Da wir nie Geld sahen, wurde es immer schwieriger und dauerte immer länger, die nächste Platte aufzunehmen. Die Situation ist letztendlich so, dass ich vor einer Weile sogar gezwungen war, meine alte Gitarre, die ich über 20 Jahre lang gespielt hatte, an ein Rockmusik-Museum zu verkaufen. Es braucht eben sehr lange und kostet eine Menge Geld, eine Platte zu machen. Wenn du dann von den Labels und den Vertrieben nicht bezahlt wirst, braucht es eine ganze Weile, bis du dich davon erholt hast und die nächste Platte machen kannst. Die Situation ist letztendlich so, dass du umsonst arbeitest und sogar noch dafür bezahlst, dass jemand dein Album veröffentlicht. Mit Trap Records hatte ich schon ganz zu Beginn der WIPERS mein eigenes Label gegründet, und nach all den Jahren und all den schlechten Erfahrungen erschien es mir dann das Klügste zu sein, das letzte Album der WIPERS auch wieder selbst zu veröffentlichen. Also gründete ich Zeno Records, schon allein deshalb, um auch in dieser Hinsicht wieder möglichst nah an den Ausgangspunkt, an die Grundidee von vor 20 Jahren zurückzukehren. Auch das war ein Grund, dass die neue Platte ein WIPERS-Album geworden ist, neben der Tatsache, dass sie auch so klingt. Das Gute ist, dass ich jetzt endlich wieder selbst die Kontrolle über alles habe, und es ist, finde ich, durchaus angemessen, eine Sache so zu Ende zu bringen, wie man sie angefangen hat.”

Willst du damit wirklich sagen, "Power In One" könnte das letzte WIPERS-Album sein?

”Man sollte niemals nie sagen, aber soweit ich das sehe, war es das wohl. Wir haben unsere letzte Show ja auch schon 1997 gespielt, und mein Plan war, auch weiterhin Musik zu machen und Solo-Sachen zu machen. Die WIPERS waren einfach eine Idee, die in diesem Universum nicht überleben konnte. Klar, unsere Platten haben sich immer gut verkauft, aber das bedeutete nicht, dass die WIPERS erfolgreich waren. Dazu bin ich noch nie der Typ gewesen, doch dieses Business sieht eben so aus, dass man sich selbst prostituieren muss, um was rauszuholen. Mit den 20 Jahren, die ich dabei bin, habe ich bewiesen, dass man nicht immer nach den Regeln spielen muss, um sich durchzusetzen, aber man muss in jedem Fall in der Lage sein, sich selbst über Wasser zu halten, alles zur Not auch im Alleingang durchzuziehen. Ich habe mir alles, was ich kann, im Laufe der Jahre selbst beigebracht, und darauf bin ich stolz. Ich verlasse mich auf niemanden ausser auf mich selbst.”

Mit Steve Plouf, dem Drummer, hast du aber doch zumindest jemanden, mit dem du seit Mitte der Achtziger kontinuierlich zusammen arbeitest.

“Klar, mit Steve mache ich schon lange zusammen Musik. Er wohnt ganz in der Nähe von Tempe - wie du weisst, bin ich Ende der Achtziger aus Portland nach Arizona umgezogen. Ich habe über die Jahre aber schon mit einer ganzen Menge Leute gearbeitet. Das erste Line-Up der WIPERS bestand aus Sam Henry am Schlagzeug, Dave Koupal am Bass und mir als Sänger und Gitarrist. Das nächste Line-Up bestand dann aus Brad Davidson am Bass und Brad Naish am Schlagzeug, und Mitte der Achtziger stieg dann Steve Plouf als Drummer ein. Die WIPERS waren eben nie eine Band, was ja auch eine feste Besetzung impliziert, und sie haben nie wie eine Band funktioniert.”

Du hast eben die Probleme mit euren Plattenlabels erwähnt, und in der Tat ist es kaum nachzuvollziehen, wie viele verschiedene Pressungen mit teilweise unterschiedlichem Artwork es von euren Platten gibt. Hast du selbst einen Überblick - auch darüber, was heute noch erhältlich ist?

“Nein, ich habe da leider auch keinen Überblick, denn ich habe auch schon versucht, unsere Rechte zurückzukaufen - sogar von Labels, die uns nie bezahlt haben. Die scheissen aber auf uns, die geben mir nicht mal Auskunft darüber, was der Stand der Dinge ist.”

In Deutschland sind eure frühen Sachen über Weird System erschienen, später gab es dann mal Lizenzpressungen von Gift Of Life bzw. Fire Engine.

“Zu denen habe ich keinen Kontakt, ich weiss also auch da nicht, was noch erhältlich ist und was nicht. Ich habe die Platten nicht an diese Labels lizenziert, ich habe damit nichts zu tun und man hat mir diese Platten "gestohlen". Das lief alles hinter meinem Rücken, auch bei Gift Of Life, die die Platten von einem anderen Label lizenziert haben. Klar, eigentlich sind das alles unsere Platten, aber wir haben die dann an ein Label lizenziert, und wenn das dann weitere Lizenzen vergibt, bekommen wir davon nichts mit und wir können auch nichts dagegen tun. "Is It Real?" und "Youth Of America" wurden uns wirklich gestohlen. Wir haben uns schon überlegt, die Verantwortlichen zu verklagen, aber man sagte uns, wir seien zu arm, uns das leisten zu können. So sieht´s aus. Auch wenn wir in Europa auf Tour waren, hat sich kein Label mal darum bemüht, mit uns in Kontakt zu treten. Wenn die auch nur ein bisschen was auf uns geben würden, wenn das echte Fans wären, wenn die auch nur etwas Respekt vor uns hätten, hätten die sich wenigstens mal melden können. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.”

Die WIPERS sind also ein weiteres Beispiel für eine Band, die zwar allenthalben als einflussreich und stilprägend zitiert wird, deren kommerzieller Erfolg aber eher gering war und ist.

“Weisst du, das ist alles eine Frage des Standpunktes. Wenn du dich prostituieren willst, dann kannst du sicher mehr erreichen. Oder wenn du bereit bist, ständig auf Tour zu sein, dann wirst du es auch schaffen, deinen Lebensunterhalt mit der Band zu verdienen, aber das war nie das, was ich mir vorgestellt habe.”

Apropos: Ich habe in einem alten Interview mit dir gelesen, dass du Musik als Kunst betrachtest.

"Oh ja!"

Gut, aber mit dieser Ansicht wirst du auch anno ´77 schon im Gegensatz zum Grossteil der Punkszene gestanden haben.

"Ja, aber das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ich habe dazu meine klare Meinung und sehe vieles anders als andere, aber das ist deren und mein gutes Recht.”

Portland, Oregon: würdest du sagen, dass die geographische Herkunft für die Geschichte der WIPERS von Bedeutung war? In den Sechzigern war der Nordwesten schliesslich sehr fruchtbarer Boden für die Garage-Szene.

"Nun, da bin ich geboren und aufgewachsen, und später, als wir mit den WIPERS Platten veröffentlichten, wurden wir dafür in Portland kaum beachtet, dafür aber anderswo um so mehr. Trotzdem war es damals sehr schön, dort zu leben, eben auch, weil es der uncoolste Ort war, wo du leben konntest. Wenn wir auf Tour waren und interviewt wurden, oder wenn es darum ging, unsere Platten zu promoten, wurden wir immer gebeten, zu verschweigen, dass wir aus Portland kommen. Später, Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger, wurde der Nordwesten plötzlich total populär und jeder wollte da hinziehen - mit dem Effekt, dass es heute sehr teuer ist, dort zu leben. Das ist alles eine Frage der Trends, das hat mit der Realität nichts zu tun. In Amerika dreht sich eben alles um Hypes, die Leute machen sich keine eigenen Gedanken. Was immer man ihnen um die Ohren schlägt, das kaufen sie. Darin haben sich die USA schon immer stark von Europa unterschieden, und das war auch der Grund, weshalb wir immer lieber in Europa auf Tour waren als in den USA. In Europa machen sich die Leute eher eigene Gedanken, da läuft nicht so viel über Hypes. Wir haben uns da eher wohl gefühlt, hatten nicht das Gefühl, uns verstellen, einem Image entsprechen zu müssen, um die Leute zu erreichen.”

Was waren deine, eure musikalischen Einflüsse, als die WIPERS gegründet wurden? Als Fan höre ich Garage, Surf und Punk heraus, in Interviews erwähnst du aber auch die KINKS, die ANIMALS und Jimi Hendrix und dass du als Kind viel klassische Musik gehört hast, wegen der Bilder, die diese in deinem Kopf hervorrief.

"Nun, so einfach ist das nicht. Mein Zugang zur Musik war quasi über die Hintertür. Mein musikalischer Einfluss stammt weniger von anderen Musikern, als vielmehr von der eigentlichen "Kunst", vom Handwerk des Plattenmachens. Ich war in der fünften oder sechsten Klasse, als mir mein Vater eine professionelle Schallplattenschneidemaschine schenkte und ich fing an, für meine Klassenkameraden Songs aus dem Radio auf Platte mitzuschneiden. Mein Vater arbeitete damals in der TV- und Radioindustrie, und damals, Anfang der Siebziger, verwendeten noch alle Radio- und TV-Sender diese riesigen Maschinen, um damit ihre Werbeclips aufzunehmen, und als sich dann die Bandmaschinen anfingen, durchzusetzen, also die Vorläufer der Compactcassette, konnte er so eine Maschine sehr billig erstehen. Ich brachte mir dann selbst bei, wie man Schallplatten schneidet, und zu Kontrollzwecken hat die Maschine ein riesiges Mikroskop eingebaut, um die einzelnen Rillen kontrollieren zu können und sicherzustellen, dass die Wellen richtig geschnitten sind. Für mich war das eine magische Sache, Musik optisch, also in Wellenform betrachten zu können. Für mich war das eine wunderschöne Sache, eine Kunst für sich, und daraus entwickelte sich meine Motivation, ein Instrument spielen zu lernen - nämlich um dann meine eigene Musik in Wellenform umgesetzt unter dem Mikrofon betrachten zu können. Für mich war das, wie ein Bild zu malen, und genauso sah auch meine Herangehensweise an Musik aus. Ich nahm also meine Gitarre, einfach etwas, mit dem ich Lärm machen konnte, und daraus entstand letztendlich die Idee mit den WIPERS, so erlernte ich die Kunst des Musikmachens. Ich weiss, das ist ein völlig anderer musikalischer Ansatz als bei anderen Menschen, die es als das Grösste ansahen, eines Tages mal auf einer Bühne zu stehen, eben diese ganze Rockstar-Sache der Siebziger.”

Du hast auch bald angefangen, für andere Leute aufzunehmen.

"Ich arbeitete eine Weile in Portland in einem Kino und konnte dort einen Raum als Aufnahmestudio nutzen. Spät in der Nacht, nach der letzten Vorstellung, habe ich dann dort obskure kleine Bands aufgenommen. Ich habe dann auch angefangen, Radio-Commercials aufzunehmen, vor allem für die Filme, die in dem Kino liefen - mit dem Effekt, dass die Radiostationen sich immer wieder weigerten, die Commercials zu spielen, weil sie zu obskur waren.”

Irgendwann kam der Entschluss, selbst eine Platte zu veröffentlichen.

"Ja, aber mein Ansatz sollte ein völlig anderer sein - und das hatte noch gar nichts mit Punk zu tun, das war noch, bevor man von Punk hörte. Als Punk losbrach, war es sehr schnell ein modisches Statement, man wolle independent und ganz anders sein, und es war ein reiner Zufall, dass Punk mit meinen eigenen musikalischen Ambitionen zusammenfiel. Nochmal: mein Ansatz war, Musik als Kunst anzusehen und nicht als modischen Trend.”

Die meisten Songs und Texte der WIPERS wirken eher "dunkel" und nicht gerade fröhlich.

"Ich würde nicht "dunkel" sagen, nein. Als ich mich entschloss, Musik auf Platten zu veröffentlichen, hatte ich nicht vor, selbst ein "Performer" zu werden, also die Musik auch auf einer Bühne zu präsentieren. Ich stellte meine Musik auf eine Stufe mit Gemälden oder Filmen, mir ging es darum, ein Image, ein Bild zu vermitteln, das mehr umfasst als nur die Musik. Mein Schreibstil bei den Texten baute deshalb auf ganz grundlegenden Gefühlen auf. Wie kann man mit Klängen Bilder und Farben erzeugen? Nun, du musst etwas hinzufügen, nämlich die Texte. Ich habe über die Jahre die unterschiedlichsten Reaktionen auf meine Texte bekommen, und viele meinten, die Texte seien düster - weil sie so anders sind. Dabei ist das Gegenteil der Fall: ich habe immer alles mit Überlegtheit gemacht, habe meine Gefühle in Musik und Text gelegt, auf ganz persönliche Art und Weise - ohne den Hintergedanken, damit auf einer Bühne zu stehen oder Interviews zu geben, sondern um mittels der Platten direkt in den Köpfen der Leute neue Ideen zu pflanzen, ja die Imagination der Leute anzustacheln. Auch wenn das heute kaum noch jemand weiss oder für möglich hält: bis in die Achtziger gab es kein MTV, da waren die Leute auf ihre eigene Vorstellungskraft angewiesen und konnten sich nicht auf die vorgefertigte Visualisierung von Musik durch die Musikvideos zurückziehen. MTV hat die Situation geschaffen, dass Musik auch immer gleich das Bild ist, dass die "Substanz" von Musik zu etwas Vorgefertigtem wurde. MTV hat dazu beigetragen, dass der eigene Zugang zu Musik immer weiter in den Hintergrund gedrängt wurde, und damit auch die Kreativität des Einzelnen, sich ganz persönliche Gedanken dazu zu machen. Schon lange vor MTV wollte ich mit meiner Musik Bilder, Farben und Emotionen schaffen, um mehr als "nur" Musik zu schaffen und die Leute dazu zu bringen, genauer zuzuhören. Das war meine Idee, und die lässt sich nicht umsetzen, wenn du oberflächliche Texte schreibst.”

Du nimmst von jeher die Platten selbst auf, und auch "Power In One" ist in deinem "Zenorecords Sound Studio" entstanden, wobei du sehr viel mit selbstgebauten Geräten arbeitest.

"Ja, ich baue meine Verstärker selbst, arbeite mit Röhrenverstärkern, aber auch mit digitalem Equipment. Ich habe noch nie viel Geld gehabt, gute Geräte sind aber teuer, und so helfe ich mir eben selbst und baue das meiste selbst. Ich habe mir die Grundlagen dazu in den Achtzigern erworben, weil ich mir eben nicht Equipment für $50.000 leisten konnte. 90% der Sachen in meinem Studio sind selbst gebaut, aber ich habe schon auch gekaufte analoge Bandmaschinen und auch digitale Geräte. Die Klänge, die ich erzeugen will, kann ich eben nur mit meinen eigenen Geräten erzeugen.”

Abschliessend die Frage, ob es noch eine Chance geben wird, die WIPERS hierzulande live zu erleben.

"Ich denke schon. Ich plane dieses Jahr, mit den WIPERS nach Europa zu kommen.”

Greg, ich danke dir für das Interview.

"Ich danke dir.”

Ach ja, der Name WIPERS: Angeblich kam Greg Sage die Idee dazu, als er die vom Zigarettenrauch verschmutzten Fenster des Kinos, in dem er arbeitete, und von dem aus man Portland überblicken konnte, mit einem "Wischer" reinigte. Waren die Lichter der Stadt vorher nur verschwommen erkennbar, leuchteten sie plötzlich hell und klar...