WEAKERTHANS

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Secretly Canadian

Mit „Reconstruction Site“ haben die WEAKERTHANS ihr neues Album fertig gestellt, ihr erstes für Burning Heart Records aus Schweden. Das kanadische Quartett hat mit diesem Album im Handumdrehen den Stempel „sehr gut“ verdient. Auf „Reconstruction Site“ setzen die WEAKERTHANS ihren bewährten Stil fort – irgendwo zwischen Indie- Pop, Rock und Punkrockwurzeln – und können das Vorgängeralbum „Left And Leaving“ locker übertrumpfen. Ein extrem vielseitiges Album, das die drei Jahre Wartezeit vollkommen rechtfertigt. John K. Samson, Sänger der WEAKERTHANS und Ex-Bassist von PROPAGANDHI, saß mir an einem regnerischen Sommerabend im Berliner Kato gegenüber und ließ sich bei einem Glas Bitter Lemon löchern.

„Reconstruction Site“ macht auf mich im Vergleich zu euren Vorgängeralben den Eindruck, ein wesentlich ausgefeilteres Album zu sein. Wie siehst du das?


Das sehe ich ähnlich. Darüber hinaus glaube ich, dass ‚Reconstruction Site‘ bis dato das fröhlichste WEAKERTHANS-Album ist. Wir haben beim Schreiben sehr viel über die Songs nachgedacht und an jedem einzelnen hart gearbeitet. Beim Aufnehmen der Songs hatten wir immer wieder Gespräche mit unserem Produzenten, wie gut die Songs jetzt klingen und so. So haben wir jeder ein sehr enges Verhältnis zu den Songs aufgebaut, weshalb die Songs ausgearbeiteter klingen, als auf ‚Left And Leaving‘. Drei Jahre lang haben wir daran sehr hart gearbeitet.

Drei Jahre, eine lange Zeit. Wieso habt ihr so lang gebraucht?

Wir wollten uns nach ‚Left And Leaving‘ nicht zu einem neuen Album drängen lassen. ‚Reconstruction Site‘ sollte dann fertig sein, wenn es fertig ist – nicht vorher. Es wäre nicht in unserem Sinne gewesen, ein schlecht klingendes Album herauszubringen, nur um in einer bestimmten Frist zu bleiben. Wenn du mich fragst, hätte ich noch mehr Zeit darauf verwenden können, das Album zu machen. Da wird es dann wieder sinnvoll, eine Deadline zu haben und zu sagen, ‚Okay, jetzt machen wir das Album fertig‘, damit man nicht ewig an den Songs sitzt. Trotzdem sind wir definitiv keine Band, die jedes Jahr ein Album herausbringen kann.

Generell würde ich keine grundlegende musikalische Veränderung zwischen „Left And Leaving“ und „Reconstruction Site“ sehen, eher eine Weiterentwicklung der Band. Wie siehst du das?

Grundlegende Veränderungen gibt es sicherlich nicht. Ich denke, dass wir uns über unsere drei Alben weiterentwickelt haben. Wenn du ‚Reconstruction Site‘ als momentanes Ende der Kette siehst, ist es das Album, welches von allen dreien den meisten Input erfahren hat. Es ist ein Album, bei dem wir als Band wirklich sehr gut kollaboriert und verschiedene Einflüsse eingebracht haben. Ich denke auch, dass ‚Reconstruction Site‘ für einige nicht das beste WEAKERTHANS-Album ist. Für mich ist es das aber auf jeden Fall, als ein gemeinsames Stück Arbeit.

Außerdem hatte ich den Eindruck, dass auf „Reconstruction Site“ jedes Stück einen eigenen Abschnitt bildet, am Ende aber eine in sich geschlossene Platte steht. Gingen eure Intentionen in diese Richtung?

Das ist das, was wir bezwecken wollten. Das komplette Album ist im Grunde darauf ausgerichtet, eine Geschichte zu erzählen. Wenn du so willst, hast du auf dem Album drei Lesezeichen in der Geschichte: Die Songs, die sich sehr ähnlich sind, die ‚Link-Songs‘, die ganz kurzen auf dem Album. Daraus wurde dann ein Konzept. Übrigens sind diese drei Songs mit meine liebsten auf der Platte, neben ‚Plea From A Cat Named Virtute‘. Denn, als wir das Stück geschrieben hatten, sagte ich mir, die Platte ist fertig – mehr brauchen wir nicht.

„Reconstruction Site“ ist euer erstes Album für Burning Heart, wie kam der Deal zustande?

Wir hatten beschlossen, das Album aufzunehmen und für die Aufnahmen selbst aufzukommen. Im Anschluss an die Aufnahmen gingen wir auf Labelsuche. Burning Heart gefiel uns sehr gut und so machte es Sinn für uns, die Platte mit ihnen zu machen. Durch den Vertrag mit Burning Heart sind wir dann in den Deal mit Epitaph für Nordamerika hineingerutscht.

Im Booklet von „Reconstruction Site“ gibt es bei einigen Texten Zitate von Martin Amis, Catherine Hunter oder James Agee. Welche Idee steckt dahinter?

Wir denken, dass die Zitate sehr gut zu den Songs und dem Album insgesamt passen. Wir haben nicht zu jedem Song ein passendes Zitat gefunden. So sind nur bei einigen Songs Zitate abgedruckt. Es gibt eine gewisse Parallele zu einem Satz auf unserer Website: ‚We suggest you read a book, because it might change the way you feel‘. Viele der Stücke auf ‚Reconstruction Site‘ sind von ein paar Büchern direkt beeinflusst. Ich mag es gerne, wenn du neben einem Stück bzw. dem Text noch etwas anderes hast, über das du in diesem Kontext nachdenken kannst. Aber wir sind keine ‚intellektuelle‘ Band, keiner von uns war auf der Uni oder so, wir lesen halt gerne.

Wie würdest du die Texte auf „Reconstruction Site“ generell beschreiben, als politisch oder eher als persönlich?


Politik findest du auf jeden Fall in den Texten. Vielleicht sind die politischen Themen nur nicht so offensichtlich. Wenn du sie aber suchst, wirst du sie finden, auch wenn es eine Weile dauert. Generell kann ich es nicht vermeiden, Politik in meine Texte einfließen zu lassen, weil ich mich als politischen Menschen sehe. Somit werden politische Ansichten immer durchsickern. Aber die Texte können auch sehr persönlich interpretiert werden. Bei manchen ist es dann ganz und gar Interpretationssache, und du kannst den Text auf dich oder irgendwas anderes beziehen. Wir sind in textlicher Hinsicht eben anders als Bands wie PROPAGANDHI, die Sachverhalte glasklar auf den Punkt bringen. Das meine ich jetzt aber vollkommen wertfrei.

Somit lässt sich der Titel eures 2000er Albums „Left And Leaving“ auch recht schnell als Wortspiel ausloten, oder?


Haha, auf jeden Fall. Wir sind alle links. In Kanada läuft es langsam besser in der linken Bewegung. Die Linke hat mittlerweile eine Präsenz aufgebaut, durch die jeder bemerkt, dass sie existiert. Aber dennoch ist es in Kanada genauso, wie überall anders auch. Die Leute stehen sich selber im Weg, wegen irgendwelchen kleinen Dingen. Trotzdem ist die Linke die Gemeinschaft, der ich mich am meisten zugehörig fühle.

Mit „Left & Leaving“ seid ihr damals in Deutschland mit TOCOTRONIC getourt, wie war diese Tour für euch?

Das war eine tolle Tour. TOCOTRONIC haben sich als sehr nette Leute entpuppt und uns toll unterstützt. Wir waren drei Wochen mit ihnen unterwegs und hatten eine gute Zeit. Mir hat die Art, wie sie an Sachen herangegangen sind, sehr imponiert. Ihre Musik hat mir obendrein sehr gefallen. Obwohl ich die Texte nicht verstanden habe, denke ich, dass sie mir gefallen hätten. Es war sehr beeindruckend, dass eine Band dieser Größe THE WEAKERTHANS mit auf Tour genommen hat, die im Vergleich zu TOCOTRONIC sehr wenige Leute kennen.

Du hattest vorhin PROPAGANHDI angesprochen. Du hast selber mal da gespielt.

Ich habe bei PROPAGANDHI Bass gespielt, habe die Band aber schon vor acht Jahren verlassen, und kurz danach wurden die WEAKERTHANS gegründet. Auch wenn sich unsere Wege dann recht schnell trennten, haben PROPAGANDHI die ersten beiden WEAKERTHANS-Alben in Kanada auf G7 rausgebracht. Auf der Ebene haben wir dann wieder zusammengearbeitet.

PROPAGANDHI leben ja vegan, und du auch. Welche Bedeutung hat dieser Ernährungsstil für dich?

Ich lebe fast komplett vegan. Die Bedeutung, die eine vegane Lebensweise für mich hat, hängt mit der damit verbundenen politischen Seite zusammen. Ich meine, wenn du das Futter nimmst, das ein Tier vor der Schlachtung zu fressen bekommt, kannst du mit dem Futter sehr viel mehr Not leidende Menschen ernähren, als es das Fleisch der Kuh kann. Die Konsequenz lag so für mich auf der Hand, und ich stellte meine Ernährung auf vegane Ernährung um.

Foto: Dan Monick, Achim Friederich