Vor 20 Jahren

Foto

Ox-Fanzine #53

Was haben wir eigentlich vor ... zwanzig Jahren gemacht? Ein Blick zurück. Übrigens: In unserem PDF-Shop gibt’s alle Ox-Ausgaben als Download.

Als Kind war ich Ende der Siebziger bei den Pfadfindern. Zweimal im Jahr veranstalteten wir eine Altpapiersammlung, fuhren mit einem Pritschen-VW-Bus durch die Stadt und luden die Papierpakete auf, die nette Menschen vor ihr Gartentor gestellt hatten. Ich saß am liebsten auf der Pritsche ... und las alte Hefte. Technikmagazine und Autozeitschriften aus den Sechzigern und frühen Siebzigern tauchten da bisweilen im Papiermüll auf, und anstatt zu arbeiten, versank ich in der Lektüre. Später, zu Uni-Zeiten, musste ich mich für eine Arbeit zu kriegerischen Konflikten in Äthiopien in der Bibliothek durch zig Jahrgänge des Spiegel aus den Fünfzigern und Sechzigern wühlen. Ich brauchte ewig, weil in den alten Heften ja so viel anderes Interessantes stand ... Offensichtlich habe ich also eine schon früh im Leben erworbene Deformation, was den Umgang mit Altpa... mit antiquarischen Periodika betrifft. Und das gilt auch für meinen eigenen Beitrag dazu, das Ox.

Mein erster Blick in einem alten Ox gilt immer den News. Da merke ich, dass ich in Zeiten, als das Heft „nur“ alle zwei Monate erschien, tagelang Zeit hatte für diese Rubrik. Längere Texte, mehr Details ... was auch nötig war, es gab 2003, als Ende des Jahres Ox #53 erschien, faktisch keine Online-Medien, in denen solche Neuigkeiten vermeldet wurden. Prügelei auf KASSIERER-Konzert? Scene Police pleite? Neues PASCOW-Album in Arbeit? Um das zu erfahren, musste man Ox lesen ... Frisch raus war damals auch das „Ox-Buch“ (längst ausverkauft, aber als PDF zu haben), in dem wir die besten Interviews aus den ersten 15 Jahren Ox präsentierten. Immer spannend für mich: all die Anzeigen, weit mehr als heute, und sofort rattert der Kopf, wer von welchem Label, welcher Band bis heute im Musikbereich tätig ist und wer sich irgendwann in ein anderes Leben verabschiedet hat. Dirty Faces etwa, das legendäre Label mit Plattenladen aus Bochum. Die in der Anzeige beworbenen BRIEFS und AGROTÓXICO hingegen sind noch „around“.

Wir interviewten MUFF POTTER im Kölner Underground und leiteten den Text mit diesen Worten ein: „Das neueste Meisterwerk ‚Heute wird gewonnen, bitte‘ zeigt neue Seiten von MUFF POTTER, ohne die alten zu verstecken, und ist das zweifellos Beste, was diese Band je aufgenommen hat.“ Und beim DIE KASSIERER-Interview ist beim Betrachten des Fotos verstörend, wie jung und frisch Wölfi doch mal ausgesehen hat. Mit RADIO BIRDMAN sprachen wir vor dem Konzert in der Solinger Cobra in einer Kneipe, die es längst nicht mehr gibt. Das Haus, in dem diese war, ist seit meinem Umzug 2007 aber keine 500 Meter von hier entfernt und erinnert mich jeden Tag an diese Begegnung mit Rob Younger. Ian von Damaged Goods? Kenne ich schon ewig, aber in Ox #53 interviewte ich ihn, wir trafen uns auf der PopKomm in Köln, damals DAS Musikbranchentreffen, durchaus auch für Punkrocker. Lange ein geschätzter Gast im Ox: Zeichner Peter Puck mit seinem legendären Punk-Comic. Leider macht der nichts mehr, aber es lohnt, seine Bücher auszugraben oder nachzukaufen.

Defiance Records? Who? Na, das war das Label der Kölner Plattenladeninstitution um Roland und Hoffi. Laden gibt’s noch, Label nicht – eine ganze Seite Anzeige buchten die damals, unter anderem für GAMEFACE, die anderen beworbenen Bands sagen mir echt gar nichts mehr ... Auch Jade Tree und Kung Fu gab es noch. Damals schon Gast im Ox mit seiner Live-Rubrik: Sponge! Erinnert sich noch wer an PRETTY GIRLS MAKE GRAVES? Waren die gut ... Ein Jahr vor diesem Ox war Joe Strummer gestorben, hier widmeten wir ihm einen Nachruf. Und was macht Felix Havoc von Havoc Records heute? Damals hatte Simon ihn interviewt. Toms Label Radio Blast war noch aktiv, THE GIRLS, THE SHAKIN’ NASTIES, THE BRIEFS ... und jener Tom war fleißiger Konzertbesucher, wie man in „Das große Gigium“ nachlesen kann. Auch im Heft: WEAKERTHANS! Und LAGWAGON und GOOD RIDDANCE. Some bands never go away ... Legendär: Das Blind Date mit Vom und TV Smith in Voms Kellerbar ... 164 Seiten hatte das Ox damals, wie heute auch. Und es ist fast erschreckend, wie nah mir manche Bands und Texte heute noch sind, wie fern und vergessen andere. Probiert es selbst aus und springt in die Ox-Zeitmaschine.