Muss man denn alles zweimal sagen bzw. schreiben? Bereits in Heft #45 habe ich ein Interview mit dem Doktor a.k.a. Christian Koch geführt, habe schon davor und danach alle herausgebrachten Tonträger besprochen, mit der ganz bestimmten Absicht, auch noch dem letzten Leser klar zu machen, dass (und das sage ich als Kölner) Düsseldorf nicht nur in Sachen Punk immer führend war, sondern auch im Bereich des Psychedelic unabstreitbar auf den Thron gehoben werden muss. Was ist seitdem passiert? Nichts! VIBRAVOID-Konzerte firmieren immer noch unter Geheimtipp, und die Goldene Schallplatte lässt auch noch auf sich warten. Also sei hier nochmals jedem die Möglichkeit gegeben, endlich aufzuwachen und die Band in den verdienten Olymp zu erheben. Genügend Gründe, den Doktor in seiner Düsseldorfer Wohnung aufzusuchen, wo wir uns zusammen mit Michael, der sich für die Tasteninstrumente verantwortlich zeigt, zu einer Unterhaltung treffen, die einen lustigen Abend einläuten sollte. Direkt beim Betreten der Wohnung ärgere ich mich, keine Fotokamera mitgebracht zu haben. Man taucht in ein psychedelisches Lichtermeer ein. In allen Ecken wabern Lampen verschiedenster Leucht- und Farbeffekte, wohin das Auge blickt, stehen unzählige veraltete Wecker herum, wenngleich auch keiner von ihnen die Urzeit anzeigen kann. Allerdings scheinen sie die Funktion einer Zeitmaschine zu erfüllen, zumindest was das gesamte restliche Interieur angeht. „Verdammt coole Wohnung“, komme ich nicht umhin zu sagen, was der Doktor mit einem lapidaren „Wieso, ist doch ‘ne ganz normale Wohnung“ geschickt ergänzt. Passend zum Ambiente laufen im Fernseher die 3D-Wochen, was diverse TV-Zeitungen dazu bewogen hat, entsprechende Papierbrillen ihren Magazinen beizulegen. Da sich dimensionsmäßig auf dem Bildschirm jedoch irgendwie nichts tut, beschließt der Doktor, die Brille aufzulassen und statt dessen das Interview zu beginnen.
Dr. Koch: „Das erste Interview in 3-D.“
Bleibt zu hoffen, dass die Druckerei es schafft, dieses innovative Ereignis entsprechend rüber zu bringen. Euer Bassmann ist ausgestiegen. Habt ihr mittlerweile Ersatz gefunden?
Michael: „Nein, leider nicht, was sich vielleicht durch dieses Interview ändern könnte. Unser Basser ist ja ausgestiegen, weil er noch in einer anderen Band gespielt hat und ihm die Doppelbelastung zuviel wurde. Zur Zeit haben wir leider immer wechselnde Leute, was natürlich zu gewissen Schwierigkeiten führt.“
Wie geht ihr normalerweise an eine Aufnahme heran?
Michael: „Normalerweise kommt Christian schon mit fertigen Demos an. Bei uns wird also fast nie im Proberaum rumgejammt, bis ein Song entsteht.“
Wie darf ich mir das vorstellen?
Dr. Koch: „Das Demo ist eigentlich der wichtigste Arbeitsprozess bei der Entstehung einer neuen Platte, auch wenn sich das jetzt doof anhört. Im Prinzip sind es schon von mir vorproduzierte Stücke. So ein Demo muss bereits einige Sachen enthalten, sonst kann ich so was nicht machen. Mich mit einer Gitarre hinsetzen und rumzuklimpern, was ich im Kopf habe, das klappt nicht. Die Songkonsequenz muss bereits vorhanden sein. Die Dinge passieren also während des Aufnahmeprozesses.“
Du schreibst vorher gar keine Songs?
Dr. Koch: „Nein. Das entsteht alles, wenn ich anfange die Demos aufzunehmen – meistens. Es kann natürlich auch passieren, dass ich in so einen Song auch mal ein Textfragment oder ein paar Strukturen übernehme, die ich vorher schon im Kopf hatte. Allerdings war es noch nie so, dass ich einen Text geschrieben habe und dann versucht hätte, dazu die Musik zu schreiben.“
Dieses Demo enthält dann schon den kompletten Song, mit allen eingespielten Instrumenten?
Dr. Koch: „Ja, im Prinzip schon.“
Dann frage ich mich, warum du nicht nach dem BEVIS FROND Prinzip, die Aufnahmen einfach als One-Man-Band veröffentlichst?
Dr. Koch: „Das ist einfach zu beantworten: Weil ich da keinen Bock drauf habe. Es würde zwar gehen, aber ich bin eher ein Bandtyp. Alles alleine zu machen, ist irgendwie uncool. Mit Leuten macht es mehr Spaß. Dabei macht es ja nichts, dass der Song schon fertig ist. Mit Band kann er schließlich trotzdem noch ganz anders werden.“
Michael: „Für uns hat das den Vorteil, dass wir schon genau wissen, in welche Richtung es geht. Im Prinzip sind es die Strukturen, die wir anhand des Demos schon kennen. Hier kommt die Strophe, da der Refrain und dann der Instrumentalpart. Was dann letztendlich jeder dazu spielt, ist noch offen. Christian nimmt beispielsweise mit Drumcomputer auf, was ja total uninteressant ist. Der Schlagzeuger spielt dann natürlich seinen ganz eigenen Kram dazu, und ich mach das genau so. Da jeder seinen persönlichen Stil mit einbringt, wird daraus ein Bandsong.“
Ihr hört euch das Demo im Proberaum an und spielt die Songs dann nach?
Michael: „Auch nur bedingt. Ich für meinen Teil setze mich eher zu Hause mit Kopfhörer hin und überlege mir, was ich dazu spiele. Das baue ich dann bei den Studioaufnahmen oder bei Auftritten entsprechend ein.“
Die „Phasenvoid“-Platte ist aber so ein Ding, das Christian alleine eingespielt hat.
Dr. Koch: „Ja, aber das ist ein Sammelsurium, das so nebenbei entstanden ist. Meistens, um anschließend daraus was Neues aufnehmen zu können. Es ging bei den Aufnahmen darum, die Technik kennen zu lernen. Wie nimmt man was am besten auf und wie klingt das anschließend. Von daher sind diese Aufnahmen wahrscheinlich am nächsten an dem beschriebenen Aufnahmeprozess dran. Dass die jetzt veröffentlicht wurden lag daran, dass sie schon sehr lange auf Halde lagen. Quasi ein Best of, haha. Die Songs sind auch zu vollkommen unterschiedlichen Zeiten entstanden, mit völlig anderem Equipment größtenteils, deswegen klingen die auch alle so unterschiedlich.“
Ich fand, es war vor allem anders im Vergleich zu den übrigen Veröffentlichungen. Sehr ambientmäßig.
Dr. Koch: „Ich wollte eigentlich schon immer mal so einen Sound machen. Aber tatsächlich bestimmt die Technik die Musik. Ich habe dafür ziemliches Trash-Equipment benutzt, damit ließ sich keine Rockmusik machen, haha. Allerdings kam dann natürlich noch das exzellente Aufnahmeverfahren hinzu, das ich extra dafür entwickelt habe.“
Das da wäre?
Dr. Koch: „Haha! Mit so einer Gegenfrage habe ich jetzt natürlich nicht gerechnet. Nee, ich hab das ganz normal aufgenommen.“
Tja, das ist knallharter Enthüllungsjournalismus hier.
Dr. Koch: „Ich merk das schon. Da hab ich leider beim Interview mit den PRE-LUDERS nicht richtig aufgepasst, die sind nämlich extra darin geschult worden, was man sagen darf, und woraus sie einem ‘nen Strick drehen.“
Haha. Was hältst du von diesem ganzen Star-Search & Superstar Getue?
Dr. Koch: „Das ist doch toll. Viel besser, als manch abendfüllender Spielfilm, der so angeboten wird. Der Unterhaltungswert dieser Shows liegt viel höher. Die Typen, die da rumrennen, und wie hart die gecastet werden. Allerdings wird es langweiliger, je mehr es sich dem Ende nähert. Dann ist der Trash-Effekt dahin, und der Rest ist meist viel zu ölig.“
Michael: „Ich finde es einfach interessant zu sehen, wie es funktioniert. Da stehen vier Deppen, die gerade von der Schule kommen, und daraus machen die Millionen. Das sind doch ganz normale Kids, die den Traum haben, Popstars zu werden. Das ist zwar total kaputt, aber so ist die Gesellschaft. Man ist als Zuschauer von Anfang an dabei, wie solche Typen geformt werden, wie die durch die Knute müssen und teilweise menschlich total gebrochen werden, von einer Jury, die selbst gar nichts zu bieten hat. Ich finde das wirklich faszinierend. Das funktioniert vor allem in allen angebotenen Formaten, selbst bei so was wie ‚Fame Academy‘ schreien sich die Fans die Seele aus dem Leib und kaufen alles.“
Wie sieht dagegen euer Erfolg aus?
Dr. Koch: „Es rechnet sich nicht. Lasst es sein, Kinder. Geht lieber zur ‚Fame Academy‘, haha.“
Michael: „Wir kriegen als Bezahlung jeder ein paar unserer Platten. Aber darum geht es eigentlich nicht. Viel wichtiger ist, dass es total schöne Platten sind, die wir da machen. Keine 08/15-Cover, sondern alles in richtig toller Aufmachung.“
Da seid ihr natürlich bei Nasoni richtig gut aufgehoben. Christian, du hast allerdings mit VOID FORUM „Turned on Acid“ noch eine andere Archivplatte rausgebracht, die erstmals nicht bei Nasoni erschienen ist. Warum?
Dr. Koch: „Die Idee ist gewesen, mal etwas mit Moon Head zu machen, um so was wie eine Produktbindung zu erreichen. Die hatten unsere Platten immer nur im Vertrieb mit drin. Es ist natürlich klar, dass ganz andere Promotion betrieben wird, wenn eine eigene Platte mit im Programm ist. Deshalb hatten wir überlegt, gemeinsam eine Single zu machen, die aber schließlich eine Doppelsingle geworden wäre. Weil sich das aber kostenmäßig nicht gerechnet hätte, und eine 10“ auch viel teurer geworden wäre, wurde schließlich ein Album daraus.“
Michael: „Dafür erscheint auf Nasoni im Februar unsere neue Single ‚Doris Delay‘ und im Anschluss daran auch hoffentlich das neue Album ‚Return To The Psychedelic‘. Zunächst bringt aber Nasoni noch ‚Phasenvoid‘ als CD raus.“
Dr. Koch: „Sogar mit Bonustracks. Mir geht es vor allem darum, dass die Sachen dadurch archiviert werden. Bei 1000 CDs wird schon eine überleben, und außerdem machen die Leute mp3s davon.“
Die ewige Diskussion. Wie steht ihr dazu?
Dr. Koch: „Ich freue mich immer, wenn ich mal sehe, dass VIBRAVOID bei den Tauschbörsen angeboten werden. Das fördert ja den Bekanntheitsgrad. Natürlich kann man sich das Ganze auch auf unserer tollen Homepage anhören und kommt dabei noch in den Genuss all der schönen Bilder.“
Wer betreut eure Homepage eigentlich? Ich hab selten etwas derartiges im Netz gesehen.
Dr. Koch (bescheiden): „Die mach ich. Allerdings ist der Punkt der Übersichtlichkeit irgendwann überschritten worden. Tatsächlich stellt sich dabei natürlich auch die Frage, inwieweit die Seite für unseren durchschlagenden Erfolg von Bedeutung ist. Die Seite existiert jetzt seit ‘99, und wir haben darüber tatsächlich schon vier Platten verkauft, haha. Dabei steht der Besucherzähler auf 30.000. Man müsste so was machen, dass der Besuch der Seite automatisch zum Kauf eines Albums verpflichtet. Letztendlich wären wir wieder beim Thema mangelnde Promotion ...“
Michael: „... und zu wenige Livegigs. Wir spielen gerade viermal im Jahr. Meistens für ein Butterbrot und ein Getränk, wobei wir die oft noch selbst mitbringen müssen, haha.“
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