VIBRAVOID

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The Neo-Psychedelic Soundmonster

Wenn man vor Jahren einen der ersten Tonträger von VIBRAVOID zufällig in die Finger bekommen hat, wird die Zeit, die man mit dieser Band teilt, schon etwas länger sein. Das könnte zum Beispiel eine kleine Single mit einem vielleicht zuerst etwas zu bunt erscheinenden Cover und dem Titel „Doris Delay“ (2004) gewesen sein oder das 2002 erschienene Album „Void Vibration“, von dem gerade eine Jubiläumsausgabe auf buntem Vinyl erschienen ist. Aber wie lange man auch immer die Band kennt, sie haben mit ihrem aktuellen Album „Gravity Zero“ ein neues Kapitel eröffnet. Nach dem letzten Live-Album mit Aufnahmen vom Herzberg Festival 2011 haben sich die drei Psychedeliker im Studio getroffen und ein exzellentes Album aufgenommen. Sie hören es nicht gern, wenn man sagt, dass ihre Sounds beispielsweise an ACID MOTHERS TEMPLE erinnern, und sie liegen damit sicherlich gar nicht so daneben, denn gegenwärtig findet man kaum etwas Vergleichbares auf dem europäischen Kontinent in Sachen Neo-Psychedelic.

Christian, seid ihr mit „Gravity Zero“ zufrieden?

Das Album ist ein großer Schritt für die Band. Wir haben das Gefühl – unabhängig davon, dass es ein wirklich gutes Album ist, auf das wir sehr stolz sind –, dass sich die Akzeptanz gegenüber der Band verbessert hat und wir etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen. Obwohl wir nach wie vor einen harten und teilweise krassen Underground-Sound machen. Jedoch liegt hier auch der Reiz unserer Musik, da doch viele Leute mittlerweile vom Einheitssound die Fresse voll haben.

Was hat sich verändert im Vergleich zum Vorgängeralbum „Minddrugs“?

„Minddrugs“ wurde in recht kurzer Zeit produziert. „Gravity Zero“ brauchte da etwas länger. „Minddrugs“ wird von einer langen Version von „Set The Controls“ dominiert, liefert aber auch kürzere und direktere Songs. Ich glaube, das neue Album komprimiert unseren Sound etwas mehr und lotet auch unsere stilistische Vielfalt etwas umfangreicher aus. „Gravity Zero“ ist etwas härter, aber ebenso poppig wie der Vorgänger – trotzdem experimenteller und konsequenter psychedelisch.

Wie wichtig ist ein individueller Sound für euch?

Der VIBRAVOID-Sound hat absolute Priorität und entsteht aus sich selbst. Wir brauchen keine Vorbilder. Wir wollen nicht wie eine andere Band klingen. Wir produzieren unsere Tonträger in absoluter Isolation und verhindern bewusst alle Einflüsse. Unser Sound ist also eher ein Ausdruck unserer Ablehnungshaltung!

In welchem Verhältnis stehen dazu eure Konzerte?

Bei den Konzerten versuchen wir, Set und Setting für eine psychedelische Erfahrung zu schaffen. Wir wollen nicht nur unterhalten, sondern als besonderes Erlebnis wahrgenommen werden. VIBRAVOID versuchen, die Leute vollkommen wegzuballern, um eine Tiefenwirkung im Unterbewussten zu erreichen. Es geht um eine kollektive Erfahrung und die Auflösung des Individuums in einer Gruppe, was gleichzeitig zur Befreiung von Zwängen dienen könnte. Es geht um das, was Rock’n’Roll seit 60 Jahren ausgemacht!

Bei euren Konzerten gibt es immer eine grandiose Lightshow. Sicherlich kein Zufall, oder?

Das Licht ist essentieller Bestandteil der Konzerte. Die richtige Kombination von Musik und Licht kann eine unglaubliche Wirkung haben. Das ist dann wirklich schon so etwas wie ein Trip ohne Drogen. Aus künstlerischer Sicht soll unsere Musik im passenden Rahmen präsentiert werden – daher nutzen wir auch ein eigenes und sehr spezielles Lichtsystem.

Wie ist das Verhältnis zu eurer Homebase Düsseldorf, der Heimatstadt von KRAFTWERK, NEU! und so weiter?

Düsseldorf ist eine schöne Stadt. Ich denke, unserem Wohnort verdanken wir den Hang zur Konsequenz. Als Musiker ist es sehr schwierig in einer Stadt, in der künstlerische Förderung konsequent verweigert und Kultur verödet wird, ein autonomes Prinzip aufrechtzuerhalten. Die Stadt bietet für Musiker keine Auftrittsmöglichkeiten. Das erklärt auch, warum so viele Leute die Stadt verlassen, wie gerade MOUSE ON MARS und Frank Popp. Und wir haben auch kein Problem, mit KRAFTWERK oder NEU! in Verbindung gebracht zu werden. KRAFTWERK waren schon immer extrem cool und haben – gerade in der Rockmusik – viel vorweggenommen.

Was sagt ihr zu dem eBay-Wahnsinn – siehe Preise der Vibravoid-Tonträger – und wie wichtig sind für euch Vinyl und Design?

Die Auktionspreise sind für uns unerklärbar! Bedenkt man, dass wir als Band kaum unsere Rechnungen zahlen können und uns niemals jemand so viel Geld für eine Platte geben würde, ist das schon extrem abartig. Bei unseren Konzerten möchten die meisten Leute die Platten am besten geschenkt bekommen, während die dann bei eBay dafür 400 Euro zahlen. Die Kohle landet dann nicht bei der Band, sondern bei irgendeinem kapitalistischen Arschloch – also dafür machen wir die Platten eigentlich nicht und besser spielen wir auf den limitierten Platten auch nicht. Aber wenn die Leute zu den Kursen die Platten von uns kaufen würden, hätten wir da auch nichts gegen. Irgendwie ist das aber auch schon sehr bizarr, während die Plattenindustrie über illegale Downloads stöhnt, beschweren wir uns, wenn die Leute Unsummen für unsere realen Tonträger zahlen. Das ist schon eine sehr, sehr komische Welt, in der wir leben. Aber ich verstehe natürlich auch, worin der Reiz liegt. Die meisten Platten von uns haben tolle Verpackungen, was einfach daher kommt, dass die Schallplatte nach wie vor das ultimative Medium für Musik ist. Hier sind einfach schönere Sachen möglich als bei einer CD. Und wir wollen im Design unseren Stil auch optisch präsentieren und uns damit von den Langeweilern unterscheiden.

Habt ihr eigentlich noch etwas mit „Flower Power“ am Hut? Wie wichtig sind euch die Sechziger Jahre?

Die Parallelität zwischen den Musikern in den Sechziger Jahren und zwischen uns ist interessant. Ebenso wie damals machen wir unser Ding und können somit nur mit Leuten kommunizieren, die auch ihr Ding machen. Allerdings kann heute nur noch durch absolute Autonomie neue Musik entstehen. Somit ist klar, warum wir die Musik dieser Leute mögen, denn wir verstehen, was sie uns damit sagen.

Wie wählt ihr eure Coversongs aus, und was ist das Wichtige bei der Umsetzung der Coversongs?

Wir covern Songs, die das sagen, was wir auch sagen würden. Ein wenig hat man das Gefühl, damit alleine zu sein, denn heutzutage ist die meiste Musik so extrem künstlich und hat meistens gar keine Aussage! Wir versuchen, das Element, das uns an dem Song am besten gefällt, herauszuarbeiten. Manchmal gelingt das dann auch. In den meisten Fällen entscheidet aber der Spaßfaktor. Wenn es Spaß macht, ein Lied zu spielen, dann muss alles in Ordnung sein und dieser Song wird dann irgendwie automatisch ein Teil von uns und klingt dann auch nach uns, ohne dass das Original verloren geht. Ich denke, das Wichtigste ist oftmals, dass wir nicht denken und einfach die Sachen machen.

Seid ihr wirklich die „einzig wahre Psychedelic-Band“?

Irgendwie muss man denen, die das schreiben, ja Recht geben. Es gibt nur wenige Bands, die überhaupt noch cool sind. Fast alles an Musik heute ist doch Mist, ob Punk, Metal, Pop, Reggae oder was auch immer, das ist doch meistens nur der Ausdruck einer bizarren Konformität und hat mit Psychedelic oder Rock’n’Roll nichts zu tun. Psychedelic ist kein musikalisches Genre, sondern eine grundsätzliche Haltung den Dingen gegenüber – die in der Ablehnung unseres Systems resultieren muss. Somit kann systemkonforme Musik nicht psychedelisch sein, hat letztendlich auch keinen künstlerischen Wert und wird somit für die Mülltonne der Geschichte produziert. Wir versuchen, eine Art der Musik zu machen, die sich auf die Grundmerkmale menschlicher Existenz im kosmischen Zusammenhang bezieht und somit unabhängig von Mode und Trends eine grundsätzliche Aussage hat: Liebe ist Freiheit!

Wie sieht es für euch als tourende Band außerhalbs Deutschlands aus?

Eigentlich sehr gut, gerade im Süden kommen die Leute besser mit unserem Sound klar, weil sie generell etwas lockerer als die Deutschen sind und wir eher Anarchie als Ordnung repräsentieren – was denen wohl ganz gut gefällt. Wir merken, dass ein Bedarf an psychedelischer Musik besteht, der so nicht gedeckt wird. Diese ganzen Etikettenschwindel-Bands, die ihren Stoner- und Metal-Schrott an die Leute als „Heavy Psych“ verkaufen, schaffen es offensichtlich nicht, den Leuten zu geben, was sie wollen: geile Musik, die einen wegbläst!

Hat sich euer Sound über die Jahre verändert?

Sicherlich, denn unsere Ablehnung dieses Systems ist mit der Zeit noch stärker und größer geworden. Wir hätten früher eine Nummer wie „Radiation zero“ niemals so radikal gestaltet – bei den aktuellen Geschehnissen können wir aber auch nicht vorgeben, dass uns so etwas nichts anginge, denn auf Radioaktivität hat doch echt keiner Bock und das haben wir recht deutlich gesagt! Ich denke auch nicht, dass ich den Neunzigern Wörter wie Aids und Krebs benutzt hätte, aber ich glaube, man muss heutzutage eine andere Sprache sprechen, um der Musik einen anderen, direkteren Klang zu geben.

Arbeitet ihr bereits an neuem Material?

Ja, es ist wichtig, die ganze Zeit kreativ zu sein, damit kein Stillstand eintritt. Wir haben schon einige Songs für ein neues Album zusammen, lassen uns diesmal aber etwas mehr Zeit. Wir haben doch gerade noch erst zum zehnjährigen Jubiläum unser zweites Album als Deluxe-Edition veröffentlicht und in Kürze erscheint eine Neuauflage von „The Politics Of Ecstasy“ in einer remasterten Fassung – ich glaube, das reicht erst mal für das nächste halbe Jahr.