Wir treffen Bassist Jan Klaas Müller und Gitarrist Rick McPhail von TOCOTRONIC backstage in Mannheim, wo sie im Rahmen ihrer „Hamburg Days“-Tour Station machen. Die bezieht sich auf die ersten Alben, als die Band noch ohne Rick als Trio gespielt hat. Jan trägt beim Treffen ein Shirt von Ricks anderer Band MINT MIND, die Bandchemie scheint schon mal zu stimmen.
PETER MUFFIN TRIO „Wir sehen uns morgen“
(Heftiges Kopfnicken zu dem ziemlich langen instrumentalen Einstieg.)
Jan: Das ist gut, schöner Gitarrensound, auf jeden Fall eine moderne Band.
Das sind PETER MUFFIN TRIO. Der verzögerte Einsatz des Gesangs ist irritierend, oder?
Jan: Ja, aber nur hier in der Blind-Date-Situation. Eigentlich finde ich es super, wenn Bands sich Zeit lassen.
Rick: Ja, cool, das erinnert mich irgendwie an ein Technostück, bei dem alles doppelt so lang ist. Bei TOCOTRONIC sind auch immer ungerade Zahlen sehr beliebt. Fünf statt vier und drei statt vier, haha.
Jan: In den Neunzigern zu „K.O.O.K.“-Zeiten war das so, stimmt. Aber jetzt nicht mehr unbedingt.
Stuttgarter Szene, könnt ihr damit was anfangen?
Beide: Ja, total.
Jan: Ich finde es ganz toll, wenn diese totgeglaubte Gitarrenmusik dann doch nicht tot ist und junge Leute dieses Format bereichern und nicht nur Retrosound machen, sondern was Neues.
Rick: Mit meiner anderen Band habe ich sogar letztes Jahr mit denen gespielt.
Bob Mould „Fireball“
Rick: Das ist auf jeden Fall Bob Mould, aber nicht HÜSKER DÜ, dafür klingt es zu fett. Wie geil das ausgefadet wird ... gut.
Eineinhalb Minuten und er hat alles gesagt.
Jan: Haha, ja, das reicht manchmal.
Wenn man nicht wüsste, dass es Bob Mould ist, könnte man denken, es wäre eine speziell angepasste Version. War es für euch jemals ein Thema, Songs an Formate anzupassen?
Jan: Als wir angefangen haben, hatten wir die zwei Minuten lange Single „Die Welt kann mich nicht mehr verstehen“, und damals meinte die Plattenfirma, das wäre aber zu kurz, haha, wir waren also Vorreiter. Manchmal kürzen wir einen Song, wenn es um Radioplay geht, aber etwas an Streamingmechanismen anpassen, ist irgendwie lächerlich.
Rick: HÜSKER DÜ fand ich übrigens immer gut.
Jan: Ja, tolle Band, Trio ist eh immer stark.
Rick, ich hoffe, du verstehst, wie er das meint ...
Jan: Haha. Nee, das war früher schon eine schöne Zeit, aber als Quartett kann man natürlich ganz andere Dinge machen. HÜSKER DÜ habe ich viel später, eigentlich durch Dirk, für mich entdeckt. Ich war mal bei einem Konzert von Bob Mould, mit meinem ehemaligen Mitbewohner Christopher, der eigentlich großer Fan war. Ich fand es ganz toll und er meinte, er könne es nicht ertragen, dass ein grauhaariger Mann mit Bart das Idol seiner Jugend ist. Das fand ich total bescheuert. Wenn jemand gute Sachen macht, dann spielt das doch keine Rolle.
Rick: Mir waren diese SUGAR-Sachen von ihm zu poppig, aber vor ein paar Jahren hat er dann das tolle, lustige Video zu „I don’t know you anymore“ mit so einer Hipsterband gemacht, das fand ich dann wieder richtig gut. Und auch dass seine letzte Platte stark politisch und ganz deutlich Anti-Trump war, war stark.
THE WHITE STRIPES „Seven nation army“
Jan: Dass es so was noch gibt, oder? Das war ja so in den Nuller Jahren und ist mit Sicherheit ein geklautes Blues-Riff. So was in die Welt zu setzen, wo man denkt, da ist doch jetzt schon alles an Melodiefolgen dagewesen. Trotz Missbrauch als Grölhymne, ich finde das super.
Darauf wollte ich hinaus. Jack White hat das ja quasi freigegeben. Ihr habt im Rahmen der Impfkampagne euren eigens kreierten Slogan umgedeutet in „Pure Vernunft muss diesmal siegen“. Aber wie ist das, wenn eure Slogans von anderen verfremdet werden?
Jan: Wenn man etwas veröffentlicht hat, dann entlässt man das in die Welt. Man muss Sorge dafür tragen, dass es nicht missbräuchlich benutzt werden kann. Als diese „Querdenken“-Sache losging, wurde unser neuer Song „Hoffnung“ auf einer dieser fragwürdigen Seiten veröffentlicht und da muss man sich dagegen zur Wehr setzen, wenn Leute bösartig Sachen von einem vereinnahmen. Alles, was man macht, ist ja auch spielerisch und so was sollte man grundsätzlich nicht so ernst nehmen. Und wenn es ein Stadionhit wird, das ist doch genial, haha.
Fans bemitleiden Jack oft dafür.
Jan: Das sind eventuell Fans, die das schon früh kannten und für sich beanspruchen, weil sie es nicht gut finden, wenn das jetzt zu viele kennen. Diesen Indie-Ansatz habe ich nie verstanden, im Kern finde ich das snobistisch. GREEN DAY haben damals im Störtebeker ein Konzert gespielt und ich bin dann trotzdem in die Alsterdorfer Sporthalle gegangen. Gerade weil ich das toll fand, dass die so beliebt wurden. Ist doch gut, wenn Teenager unangepasstere Musik hören.
Rick: Bei TAME IMPALA war ich mal bei einem Konzert und sobald der Hit „Elephant“ zu Ende war, ging die Hälfte der Leute. Es wäre natürlich super, wenn sich die, die wegen des einen Hits gekommen sind, dann auch mit dem Gesamtwerk auseinandersetzen. Aber das ist leider meistens nicht so.
Jan: Ich habe da auch leicht reden, wir hatten ja auch nie einen Überhit.
Rick: Noch was zu den Slogans: eine Bekannte von mir hat mir mal einen Zettel von einer Kirche mitgebracht, da stand auch „Pure Vernunft darf niemals siegen.“ drauf, sie dachte, wir spielen da, haha. In Amerika würden die Kirchen das nicht auf einen Flyer drucken, und wenn die Kirchen hier das machen, dann finde ich das noch okay. Bei Trump hat einer seiner Leute immer MC Five-Quotes gebracht ... das war halt schon krass, wenn Republikaner so was nehmen.
Jan: Haha. Ja, das ist dann aber auch gezielte Aneignung von den Rechten.
AKNE KID JOE „Danke fürs Gespräch“
Jan: Die mag ich ja sehr gerne, ist das von der neuen Platte? Auf die wurde ich ganz früh hingewiesen und dachte, bescheuerter Bandname, höre ich mir aber trotzdem mal an, finde ich sehr charmant. Ich mag die Art von Musik, die AKNE KID JOE machen. „Sarah (Frau, auch in ner Band)“ fand ich gut und das Ding mit Rock im Park und Rock am Ring hat mich auch amüsiert, haha. Finde ich interessant, dass die jetzt so erfolgreich werden, freut mich sehr.
Was denkst du, woran liegt das?
Jan: Hmm ... erst mal liegt es immer daran, wenn eine Band gut und charmant ist. Dann geht denen auch noch vollkommen dieser Ehrgeiz ab, den viele andere Bands haben, dadurch wirkt das locker. Die Genderthemen und politische Inhalte werden auf eine angenehme Art vermittelt, es wird so gespürt. Das ist gut an denen.
Rick: Ich finde es cool, dass Synthesizer beim Punk angekommen sind, das war lange so verpönt, so was durfte man auf keinen Fall bringen.
THE DAMNED „New rose“
Jan: Haha! Tolle Band, da gibt es eine gute Doku über die. So interessant, dass die immer weitergemacht haben und auch die Person Captain Sensible, der mal dabei war und dann wieder nicht. Ach, die liebe ich und du, Rick?
Rick: Ja, aber ich merke gerade, dass ich das mal wieder hören sollte.
Welchen Einfluss hatte das auf euch als Teenies?
Jan: Habe ich früher immer mit unserem Drummer Arne gehört und hat mir auf jeden Fall von Anfang an was gegeben. Die Musik und die Comic-mäßige Art, wie die aussahen. „Wot“ von Captain Sensible war ja ein richtiger Hit. Die gehören zu den Bands, die ich von Anfang an gut fand und die mich seitdem nicht wieder verlassen haben.
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