THESE ARMS ARE SNAKES

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Keine Lust auf Schmerzen

Vier Männer mit einer schwarzen Wolke über dem Kopf, verbittert, deprimiert und gelangweilt – soweit die Selbsteinschätzung der Band aus Seattle. Hört man ihre Musik, dann ist man geneigt, das zu glauben. Allerdings zeigt das dritte Album namens „Tail Swallower And Dove“, welches unlängst erschien, dass TAAS mit zunehmendem Alter ihren Frust immer besser in positive Energie umsetzen können. Schien es bei den ersten Veröffentlichungen noch so, als habe das Quartett nicht die Puste für ein ganzes Album, so lässt einen mittlerweile der Trip über die gesamte Spielzeit nicht mehr los. Was sich auf dem Weg dahin musikalisch genau verändert hat, ist schwer zu beschreiben, die Wirkung allerdings nicht zu leugnen. Kaum geändert hat sich wiederum das selbstzerstörerische Gebaren der Musiker auf der Bühne. Und nicht nur um die Gesundheit von Sänger Steve Snere muss man sich nach wie vor Gedanken machen, wie Bassist Brian Cook verrät.

Ich hab einen Blick auf eure neue Homepage geworfen und das Erste, was ich sehe, ist Steve mit einem blauen Auge. Werdet ihr eigentlich jemals zu alt für diese Art der Selbstzerstörung?


Wir fühlen uns schon jetzt zu alt dafür, aber irgendwie passiert es doch immer wieder. Es war nicht beabsichtigt. Steve war ziemlich angepisst, als es passiert ist, aber vor ein paar Tagen, in St. Petersburg, hat er sich schon das nächste blaue Auge geholt. Jemand hat ihm ein Mikrofon drauf gehauen. Wir sind schon eine rüpelhafte Band, deshalb glaubt das Publikum wahrscheinlich, dass wir gern verprügelt werden. Ich mag Schmerzen nicht besonders, aber sie scheinen irgendwie unvermeidlich.

Wie ordnest du euer neues Album im Vergleich zu den vorangegangenen ein?

Jedes Album ist eine Verfeinerung des vorangegangenen. Wir werden unser altes Zeug schnell leid, deshalb schauen wir immer wieder, welche Ideen eingeschlagen haben und welche verpufft sind. Beim Schreiben der Songs ist es dasselbe: Wir probieren herum, merzen alle schlechten Ideen aus und fügen anschließend das übrig gebliebene Material zusammen. Das dauert fürchterlich lange. Dazu kommt, dass wir ununterbrochen herumsuchen und neue Musik entdecken. Unsere Einflüsse von außen steigern und entwickeln sich. Beim neuen Album wurde also der meiste Schrott aussortiert und es zeigt somit präzise, wo wir uns gerade befinden.

Die Metamorphose eures Sounds geht weiter: früher kalt und steril, heute ist er voller und beinahe warm. Wie nimmst du das wahr?

Wir werden ja auch erwachsen und wollen als Musiker kreativ vorankommen, anstatt einfach auf unsere Instrumente einzuprügeln und dann zu sehen, was dabei herumkommt. Es ist ein Gleichgewicht aus glücklichen Unfällen und überlegter Handwerkskunst. Es ist schwer, diese Formel zu perfektionieren, und unsere Mission ist es wahrscheinlich, diese Kombination ultimativ in den Griff zu bekommen.

„Easter“, euer zweites Album, war ein religiöses Statement, folgt das neue auch einem roten Faden?

Die Themen auf „Easter“ haben wir uns vorher nicht überlegt. Das Album war schon fertig, bevor wir wirklich Zeit hatten zu überblicken, was wir eigentlich geschaffen haben. Die Texte sind gewöhnlich das letzte Teil im Puzzle, also neigt Steve dazu, in kurzer Zeit viel zu schreiben, und in der Konsequenz beschränkt er sich dann auf einige wenige Ideen. Ich glaube, deshalb neigen unsere Alben dazu, ein wenig monothematisch zu sein. Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht genau, worum es auf dem neuen Album geht. Wahrscheinlich brauche ich erst ein paar Monate, um es herauszufinden.

Ihr habt euer altes Label verlassen. Wieso?

Jade Tree hat seine Aktivitäten ziemlich runtergefahren, was völlig unverständlich ist. Das Label war aber weder daran interessiert, unser neues Album zu veröffentlichen, noch daran, uns gehen zu lassen. Das war eine blöde Situation, entmutigend, und es wurde sogar richtig hässlich. Glücklicherweise hat uns Suicide Squeeze toll unterstützt und auf dem langen Weg begleitet, uns von Jade Tree zu trennen. Eigentlich wollten wir schon in unseren Anfangstagen dort unterschreiben, damals hatten sie aber noch nicht die Ressourcen, um uns richtig voran zu bringen.

Was hat es eigentlich mit dem Streit mit Jello Biafra auf sich, ist es was Ernstes?

Ich bin ein großer Fan von Jello. Die DEAD KENNEDYS haben mein Leben verändert, ich liebe LARD und TUMOR CIRCUS und auch seine Spoken-Word-Sachen. Ich kenne ihn aber nicht persönlich, obwohl er mal auf einen Fanbrief geantwortet hat, den ich mit fünfzehn geschrieben habe. Als dann ein paar gemeinsame Freunde erwähnt haben, dass er THESE ARMS ARE SNAKES regelmäßig als Beispiel für miese „Emo“-Bandnamen anführt, war ich schon ein bisschen vor den Kopf gestoßen. Aber eigentlich macht es uns nichts aus. Wir haben uns nur gedacht, dass seine Lästerei ein bisschen Lästerei unsererseits erfordert. Es ist keine Bösartigkeit im Spiel und ich habe das auch mit den Leuten bei Alternative Tentacles geklärt. Keine große Sache.

Lass uns mal über Politik reden. Ihr habt euch klar zu Obama bekannt, warum?

Ich hatte die amerikanische Politik schon abgeschrieben und irgendwie ist das auch immer noch so. 2000 habe ich für Ralph Nader gestimmt, weil ich dachte, eine wirkliche Veränderung könne man nur durch die Wahl des Kandidaten einer dritten Partei bewirken. Bush hat gewonnen, und wenn Nader nicht so prominent gewesen wäre, hätte sehr wahrscheinlich Al Gore das Rennen gemacht. Die letzten acht Jahre waren ein politischer Alptraum und ich bereue meine Wahl inzwischen. Obama hat mir das Vertrauen in die Politik zurückgegeben. Außerdem, McCain ist ein „war eagle“ und Palin eine fundamentalistische, christliche Idiotin. Es ist keine Frage, dass Obama die bessere Wahl war.

Hier hält man sich mit einer politischen Zuordnung zurück, besonders als Band, um nicht in Schubladen gesteckt zu werden. Welche Reaktionen bekommt ihr auf eure Aussagen?

Wir haben ein paar negative Reaktionen bekommen, aber das ist mir egal. Ich denke, es war entscheidend, dass Leute jetzt endlich ein politisches Bewusstsein entwickeln, erkennen, wie sehr die Kacke am dampfen ist, und sich engagieren. Es mag einen Teil unseres Publikums befremden, aber ich wollte dieses Gefühl, das ich nach den letzten beiden Wahlen hatte, nie wieder erfahren und mir nicht vorwerfen müssen, ich hätte mehr tun können.