Die 2002 in Portland, Oregon gegründeten THERMALS haben im Laufe ihres Bestehens sowohl inhaltlich als auch musikalisch schon einige Stationen durchlaufen. Wie dabei das Kunststück gelingen kann, jedes Album zu etwas Einzigartigem zu machen, erklärt Frontmann Hutch Harris anlässlich des kürzlich auf Saddle Creek erschienenen Longplayers „We Disappear“.
Ihr seid ja schon lange im Geschäft. Was reizt euch nach wie vor daran, gemeinsam Musik zu machen?
Wir sind nun seit 14 Jahren eine Band, das kommt mir schon ziemlich verrückt vor. Und wir haben nie wirklich eine größere Pause gemacht, höchstens mal ein paar Monate. Aber nach dem letzten Album mussten wir einfach pausieren. Wir waren auf dem besten Wege, auszubrennen. Also haben wir einfach gewartet, bis wir wieder Lust darauf hatten, ein Album aufzunehmen. Wir haben diese Platte nicht gemacht, weil wir das Gefühl hatten, es tun zu müssen. Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder sporadisch Songs geschrieben und so waren ein paar Sachen zusammengekommen, die wir wirklich mochten und herausbringen wollten. Also gingen wir mit Chris Walla, der zum vierten Mal mit uns zusammengearbeitet hat, ins Studio. Wir haben uns frisch gefühlt, voller Energie nach der Auszeit. Manchmal muss man einfach nur den richtigen Zeitpunkt abwarten.
Warum arbeitet ihr so gerne mit Chris zusammen? Er ist ja zu so etwas wie eurem Stammstudiopartner geworden.
Wir kommen einfach sehr gut miteinander aus. Wenn Chris mit uns aufnimmt, ist er so etwas wie das vierte Bandmitglied. Jedes Mal, wenn wir eine Idee haben und ihm davon erzählen, ist das eine ganz einfache Sache: Er versteht genau, worauf wir hinauswollen, und hat ein Gespür dafür, wie man uns möglichst auf den Punkt produziert. Genauso, wie wir uns das vorstellen. Vieles müssen wir gar nicht ansprechen, weil er es instinktiv so macht, dass es passt. Und inzwischen haben wir schon so oft zusammengearbeitet, dass er uns auch ohne Rücksprachen perfekt rüberbringt. Manchmal bringt er ein paar Verstärker und Instrumente mit ins Studio und alles ergibt Sinn, das Zusammenspiel stimmt einfach.
Habt ihr für „We Disappear“ spezielles Equipment verwendet?
Wir haben einen Putney VCS, einen Analog-Synthie aus den Sechzigern, benutzt. Den haben beispielsweise PINK FLOYD in den Sechzigern und Siebzigern eingesetzt. Damit kannst du endlos viele verrückte Sounds erzeugen. Kathy hat das auf vier oder fünf Tracks verwendet. Und es hört sich auf jedem einzelnen anders an. Manchmal eher verrückt und chaotisch, auf dem letzten Track „Years in a day“ dann wieder eher friedlich, ein wenig wie das Meer. Außerdem hatte Chris eine große Kiste voller Tape-Loops, alte 2-Track-Sachen und so, und manchmal hat er einfach zu unseren Song-Grundgerüsten verschiedene Loops ausprobiert, bis er einen passenden gefunden hat. Das war schon ziemlich cool. Auf den letzten beiden Alben hatten wir uns nur auf das Nötigste beschränkt. Und jetzt hat es wieder richtig viel Spaß gemacht, eine Platte mit einer Menge Overdubs und allen möglichen abgedrehten Sachen zu machen.
Wie kommen solche technischen Experimente zustande?
Meistens wissen wir einfach, dass wir klanglich etwas Spezielles, Neues wollen. „The Body, The Blood, The Machine“ und „Now We Can See“ waren zum Beispiel randvoll mit solchen technischen Spielereien. Aber eigentlich wissen wir im Vorfeld nie ganz genau, was wir wollen. Wir wissen nur ungefähr, dass wir klanglich eine andere Textur oder zusätzliche Ebene haben möchte. Oder häufig auch einfach ein Geräusch. So war das auf einigen vorherigen Platten und so ist es auch auf dieser. Kathy hat manchmal aus einer Laune heraus einige Geräusche auf eine Vierspurkassette aufgenommen und mit ins Studio gebracht und wir haben es dann in den Mix eingebunden. Wir wissen nie genau, wohin das am Ende führt, und haben nur das grobe Ziel, es ein wenig noisy und weird zu machen.
Also entsteht das aus einem Bauchgefühl heraus.
Ja. Und das ist so, weil wir die Songs schon komplett geschrieben und ausgiebig geprobt haben, wenn wir ins Studio gehen. Wir haben nicht ewig viel Studiozeit, dazu ist das einfach zu teuer. Also gehen wir ins Studio, spielen die fertigen Basics ein, können dann noch mal mit diesen ganzen abgedrehten Noises kreativ werden und dem Ganzen aus dem Moment heraus den Feinschliff geben. Das ist dann der echte Spaß.
Ihr habt „We Disappear“ in Portland und Seattle aufgenommen. Warum gerade diese beiden Orte?
In Portland gibt es ein Studio namens Kung Fu Bakery, in dem ich schon immer mal aufnehmen wollte. Es ist ein echt nettes Studio, Chris hat da vorher schon gearbeitet. Dann hat Chris noch sein eigenes Studio in Seattle, wo schon NIRVANA, MUDHONEY und SOUNDGARDEN aufgenommen haben. Wir haben dort auch das erste THERMALS-Album abgemischt. Weil das schon ziemlich lange Chris’ Homebase ist, hat es Sinn gemacht, wieder dort zu mixen. An einem Ort haben wir aufgenommen, fertig abgemischt an dem anderen.
Eure Single „Hey you“ hat Platz eins in den FMQB Speciality Radio Charts erreicht. Bedeutet euch das etwas?
Das tut es. Bei genauer Betrachtung ist das vielleicht keine wirklich große Sache, aber einer Band wie uns bedeutet das echt viel, weil diese ganzen anderen Bands, die in diesen Charts auftauchten wirklich große Namen waren. Majorlabel-Bands, diese ganzen größeren Indie-Bands eben, YEASAYER oder ANIMAL COLLECTIVE zum Beispiel. Wir sind dagegen nur eine kleine Indie-Band, wir sind zwar auf einem guten Label, aber nicht auf einem reichen. Saddle Creek kann nicht einfach einen Haufen Geld raushauen, nur um uns Airplay im Radio zu verschaffen. Das ist also mehr oder weniger natürlich entstanden und das ist eine ziemlich coole Sache für uns.
Du bist sehr aktiv in den sozialen Netzwerken, lässt neue Technologien auf „We Disappear“ aber eher schlecht wegkommen. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Nein, eigentlich nicht. Es geht inhaltlich hauptsächlich um Liebe und Tod und eher am Rande um neue Technologien. Man sollte sein eigenes Handeln schließlich auch ein Stück weit kritisch hinterfragen. Ich liebe das Internet, mein Handy, ich bin viel online. Es geht mir hier nicht darum, sich darüber zu beschweren oder aufzuregen. Klar ist aber, dass diese ganzen Sachen nicht immer ganz gesund sind. Viele Leute sind süchtig danach. Ich auch. Neue Technologien haben ihre Vorteile, können aber auch zu Problemen führen. Größtenteils ist es aber ein recht einfach gestricktes Album rund um die Themen Liebe und Tod.
Warum habt ihr gerade diese Themen gewählt?
Das war im Grunde eine ziemlich spontane Angelegenheit. Wir treffen uns nicht im Vorfeld und diskutieren erst lange, welche Themen wir wählen wollen. Ich setze mich einfach hin, fange an zu schreiben und schaue, was dabei herauskommt. Das kristallisiert sich erst während des Schreibens heraus. Eine Menge THERMALS-Alben haben sich schon mit dem Thema Tod befasst, auf „Now We Can See“ ging es eigentlich ausschließlich darum. Auf „Desperate Ground“ eher im Hinblick auf Mord und Töten. Irgendwie scheint mich dieses Thema einfach zu beschäftigen. Das ist dieses Mal aber eher so etwas wie eine Trennungsplatte, sehr persönlich. Ich habe auf jeden Fall mehr Persönliches einfließen lassen als sonst. „Desperate Ground“ war zwar teilweise auch schon ziemlich persönlich, aber überwiegend war das frei erfunden. Jetzt habe ich wirklich über Dinge geschrieben, die ich tatsächlich auch selbst erlebt habe. Jede Trennung ist ja eine Art Tod. Ein Tod zwischen zwei Menschen. Es war also nur logisch, das Ende einer Beziehung mit dem Ende des Lebens zu vergleichen.
Also macht diese sehr persönlich Herangehensweise „We Disappear“ zu etwas Besonderem.
Es gibt viele Dinge, die dieses Album zu etwas Besonderem machen. Wenn wir ins Studio gehen, haben wir schon grob im Hinterkopf, wie sich das Album am Ende anhören sollen. „Desperate Ground“ sollte zum Beispiel eine irgendwie klaustrophobische Platte werden, unbehaglich und beängstigend. Auf dieser Platte wollten wir das eigentlich umdrehen. Die Leute lieben „The Body, The Blood, The Machine“, weil darauf jeder Song für sich steht. Auf „Desperate Ground“ hingegen hatten wir uns konzeptuell für sehr ähnliche Lieder entschieden. „We Disappear“ sollte wieder abwechslungsreicher sein, mit lauteren Sachen, aber auch leisen, härteren oder nachdenklichen. Und das macht es zu etwas Besonderem. Es ist wie eine Reise zu allen möglichen Orten. Das waren die letzten THERMALS-Alben nicht.
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