THERMALS

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Liebe und scheiternde Beziehungen

Die Band aus Portland ist eine Bank. Alle ein, zwei Jahre kommt ein neues Album und schnurrt einem um die Beine wie eine Katze, die gestreichelt werden will. Zugegeben, seit dem Debüt „More Parts Per Million“ (2003) und dem grandiosen Nachfolger „Fuckin A“ sind sie mit jeder Platte etwas ruhiger geworden, aber was sie an Punk-Härte einbüssten, machen sie an Eindringlichkeit wett, schafften sie doch das, was vielen anderen Bands nicht gelingt, nämlich eine eigene Klangfarbe zu entwickeln. „Personal Life“, das fünfte Album der THERMALS, just auf Kill Rock Stars erschienen, war für mich der Grund, mit Kathy Foster (Bass & Gesang) über ihr Leben, ihre Musik und ihren kreativen Gegenpart Hutch Harris (Gesang & Gitarre) zu reden.

Kathy, du machst einen etwas müden Eindruck. Habe ich dich aufgeweckt?

Nein, aber wir kamen gestern Abend erst von einem kleinen Urlaub zurück. Wir waren campen, an einem Fluss im Wald, und es war wundervoll. Ich bin gerne in der Natur. Ich bin eigentlich nicht so der Urlaubstyp und fahre eher selten weg, ich kannte das als Kind nicht, weil wir wenig Geld hatten und höchstens mal Campen waren. So richtig schick wegfahren, das kannte ich gar nicht, und jetzt, als Erwachsene, denke ich da irgendwie auch nicht drüber nach. Immerhin war ich im Februar dieses Jahres an meinem Geburtstag mit Freunden in Mexiko, das war mein erster richtiger Strandurlaub, und das war cool. Auf Hawaii war ich auch schon, aber beim ersten Mal deshalb, weil die Uni dort ein Festival veranstaltete und uns als Band eingeladen hatte, und die beiden Male danach war es auch kein richtiger Urlaub, sondern für die Hochzeit von Freunden.

Über zu wenig Zeit „on the road“ kannst du dich aber sicher nicht beklagen, sind die THERMALS doch ständig auf Tour. Für uns Menschen mit einem Bürojob hat Touren aber doch immer was von Abenteuer-Urlaub ...

Nein, eine Tour ist kein Urlaub. Du bist jeden Tag unterwegs, bleibst nie länger als eine Nacht an einem Ort, du hast keine Zeit, eine Stadt zu erkunden, du machst eigentlich nichts nur zum Spaß, es ist alles harte, körperliche Arbeit, du sitzt jeden Tag viele Stunden im Auto, und wenn du im Hotel bist, versuchst du so viel Schlaf zu bekommen wie möglich, so spät wie möglich auszuchecken. Dann heißt es, ab in den Bus und man versucht, möglichst pünktlich zum nächsten Club zu kommen. Im Van kann man manchmal etwas entspannen, aber auch nur auf längeren Fahrten, und dann ist auch schon Load-in angesagt, dann eine kleine Pause, dann Soundcheck, dann Essen, dann Konzert, und so weiter. Manchmal haben wir auch einen Tag frei bei einer langen Tour, aber den verbringt man meist auf der Straße zum nächsten, weiter entfernten Ort.

Spaß macht an einer Tour also nur die eine Stunde auf der Bühne?

Ja, so ist es. Aber ich beklage mich nicht, nur manche Touren waren eben wenig erquicklich. Seit letztem Jahr haben wir in den USA einen Tourmanager, und das erleichtert uns das Leben erheblich. Ansonsten machen wir weiterhin alles selbst, wir sind das nicht anders gewohnt und es ist nach so vielen Jahren auch schwer, jemand anderen die Arbeit machen zu lassen. Trotzdem, er nimmt uns eine Menge Arbeit ab, das ist angenehm. Er hat alles im Griff, wir müssen uns um vieles jetzt nicht mehr kümmern. Außer ihm haben wir noch jemanden fürs Merchandise dabei, sowie einen Mixer, und so eine Arbeitsteilung macht es für alle Beteiligten einfacher. Außerdem kommen wir alle gut klar miteinander und so sind die Touren mittlerweile doch recht spaßig. Wir achten jetzt auch mehr darauf, die Touren so zu planen, dass wir in großen Städten einen Tag frei haben.

Es ist also wichtig, dass man, wenn die Band zum Job geworden ist, darauf achtet, dass man sich den Spaß erhält.

Uns war das lange nicht bewusst, doch mittlerweile haben wir das erkannt und wir sehen, dass es allen Beteiligten mehr Spaß macht, wenn die Arbeit auf viele Schultern verteilt ist. Gut, dass wir das erkannt haben.

Touren ist ein großer Teil eures „Personal Life“. Was noch?

Liebe, Beziehungen, ihre dunklen Seiten, eine zynische, fatalistische Sicht darauf, wenn man noch in einer Beziehung steckt, ihr Ende aber absehbar ist, weil man erkennt, dass es nicht hinhaut. Über die Gefühle in einer scheiternden Beziehung, darum geht es in „Personal Life“ – ist man nun wütend auf den anderen oder eher verzweifelt? Hutch schreibt die Texte, und das sind so meine Gedanken zu seinen Texten. Er bezieht sich da sicher auf eigene Erfahrungen und Beobachtungen, aber jeder von uns kennt ja die Ups und Downs in Beziehungen. Er lebte mit jemandem zusammen, und das ging vor ein paar Monaten auseinander, und ich glaube, viel davon findet sich in den Texten wieder. Normalerweise arbeitet Hutch so – und das war bei den Alben davor der Fall –, dass er einen Song schreibt, der das Thema des Albums vorgibt, und der führt ihn dann zum nächsten, und so weiter. Er hat also nicht bereits beim Schreiben des ersten Songs ein Konzept für das ganze Album im Kopf.

Und welchen Anteil an diesem Prozess hast du als zweites wichtiges Bandmitglied?

Er schreibt die Texte, ich gebe ihm meinen Input, wenn er ihn will, und meist entstehen die Texte im Zuge des normalen Songwriting-Prozesses. Bei den letzten beiden Alben war ich mehr beteiligt, da verbrachten wir viel mehr Zeit als diesmal mit dem Songwriting, dem Aufnehmen von Demos, verschiedenen Songversionen, er arbeitete an den Texten, zeigte sie mir, wir arbeiteten daran, und so weiter. Diesmal war es anders, denn das Album entstand viel schneller. Wir waren viel auf Tour, arbeiteten schon unterwegs an neuen Songs, und Westin Glass, unser Drummer, war auch daran beteiligt. Nach dem Ende der Tour im Oktober 2009 nahmen wir uns Zeit, den Rest des Albums zu schreiben, und im Dezember dann nahmen wir auf. Für unsere Verhältnisse war das sehr schnell, und wir nahmen diesmal auch selber auf, im Proberaum, hielten uns nicht mit Demoaufnahmen auf, machten nicht verschiedene Versionen eines Songs, sondern alles ging viel schneller. Wir waren also alle drei viel enger in den Songwriting- und Aufnahmeprozess eingebunden, es war eine gute Zusammenarbeit. Grundsätzlich habe ich aber nie einen Zweifel daran, dass mir gefallen wird, was Hutch schreibt, auch wenn er sich immer sehr darüber aufregt, dass er ja überhaupt keine Ideen habe, ihm das alles nicht gefalle und so weiter. Ich bleibe dann immer ganz ruhig und denke mir: Ach, das kenne ich doch, es ist alles wie immer, haha. Es ist eben Teil des Arbeitsprozesses, sich auch mal aufzuregen, wichtig ist ja nur, dass wir mit dem Endergebnis zufrieden sind. Das hat sicher auch was damit zu tun, dass Hutch eine interessante Arbeitsweise hat: Er schreibt einen Text, und nur wenn er damit zufrieden ist, wird der verwendet – wenn nicht, schreibt er einen neuen. Das Aufnehmen hat also echt Spaß gemacht, auch weil ich mehr eingebunden war, manche Songs auf dem Bass schrieb. Die Lieder fühlen sich diesmal deshalb etwas anders an.

Für mich hört sich das Album aber – zum Glück – nicht revolutionär anders an: Es ist eine neue, typische THERMALS-Platte.

Ja, die Unterschiede sind für uns als Musiker wohl größer als für den Zuhörer. Hutch und ich machen seit 13 Jahren zusammen Musik, und auch wenn ich diesmal mehr zum Songwriting beigetragen habe, so haben wir doch einen sehr ähnlichen Stil. Ich denke schon, dass jedes Album im Vergleich zum vorherigen eine Weiterentwicklung darstellt, und in dieser Tradition steht auch „Personal Life“. Und da Hutch diesmal auch anders spielt, weniger Akkorde und so, ist das Album auch nicht so „guitar heavy“. Für mich ist das wichtig, aber schwer zu sagen, ob das einen Außenstehenden beeindruckt.

Wie kamst du einst dazu, selbst Musik zu machen?

Mit 16 hatte ich das erste Mal eine Gitarre in der Hand. Ich wuchs in der Bay Area südlich von San Francisco auf, und damals, Anfang der Neunziger, gab es noch keine aktive Szene von Frauen in der Rockmusik. Mein damaliger Freund zeigte mir, wie man Gitarre spielt, und ich war damals Teil der D.I.Y.-Punk-Szene, wir organisierten unsere eigenen Konzerte, und in dieser Gemeinschaft wurden Mädchen nicht irgendwie anders behandelt, da war es ganz selbstverständlich, dass Frauen in Bands spielten. Ich bin echt froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte. Zu dieser Zeit ging es dann auch mit der Riot Grrrl-Szene richtig los, und das begeisterte mich so richtig, es war eine sehr ermutigende und einflussreiche Bewegung. Ich war auf vielen Konzerten dieser Bands, und viele von ihnen kamen ja aus dem Nordwesten der USA.

Ich erinnere mich an TRIBE 8, TEAM DRESCH, BIKINI KILL ...

... BRATMOBILE, EXCUSE 17, SLEATER-KINNEY – die spielten alle die Westküste rauf und runter. Diese Bands waren so unglaublich wichtig für viele junge Frauen, die sorgten überall für Diskussionen und Aktionen. Ich gründete mit ein paar Freundinnen eine Frauengruppe, wir trafen uns und redeten, was immer gerade wichtig war, wir machten eine Fanzine, veranstalteten Konzerte – und all das hatte großen Einfluss auf meine musikalische Entwicklung, aber auch dass mich die Menschen in meiner Umgebung immer unterstützen, dass da viele andere Frauen auch ein Instrument spielten, dass niemand sagte, ich könne das nicht oder müsse das so oder so machen. Und auch die Jungs um uns herum unterstützen das.

Was ist heute von dieser „Revolution“ der Riot Grrrls aus den Neunzigern übrig geblieben?

Heute ist es doch ganz normal, dass Frauen in Bands spielen, und es sind auch recht viele. Es gibt auch einige All-Girl-Bands, aber das scheint heute eher ausgewogen zu sein, es gibt einfach mehr Bands, in denen Frauen spielen. Wenn man selbst in einer All-Girl-Band spielt, hat das immer was davon etwas Besonderes zu sein, und das behagt mir nicht so richtig. Da wird der „All Girl“-Aspekt zu einem herausragenden Merkmal der Band, aber warum? Reine Männerbands sind doch auch nichts Besonderes: „Oh wow, all guys!“ Ich finde es nicht schlimm, dass heute keine so große Riot Grrrl-Bewegung mehr existiert wie in den Neunzigern, Frauen in Bands sind heute selbstverständlicher und die wiederum beeinflussen andere Girls, selbst musikalisch aktiv zu werden.

Apropos Aktivität: Wann kann man euch mal wieder live sein?

Vor Frühjahr 2011 wird das wohl nichts werden.