THERMALS

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Rückkehr zu alter Stärke

Rund um THE THERMALS war ordentlich was los, nachdem sie 2010 ihr bislang letztes Album „Personal Life“ veröffentlicht hatten. Sie seien zu seicht, zu indiepoppig, zu leise geworden, schimpften die Leute. Und das waren nicht nur die Experten und Möchtegern-Experten der Journaille. Es waren auch die Fans. Sie trauerten dem krachenden und stets mit politischem Unterton versehenen Punk der frühen Tage nach und wünschten sich nichts sehnlicher, als „The Body, The Blood, The Machine“ oder zumindest „Fuckin’ A“ aus den Anfangstagen zurück. Nun, es gingen drei Jahre ins Land, ehe die Band reagierte. Und aus den sehnlichen Wünschen wurde „Desperate Ground“ – eine Platte, die alles wieder auf Start und den Lautstärkeregler automatisch auf die höchste Stufe stellt. THE THERMALS haben den Lärm wiederentdeckt. Und sie haben Spaß daran, ihn mit düsteren Texten über Krieg und Tod anzureichern. Warum es so kam, hat uns Frontmann Hutch Harris erzählt.

Das Erste, was auffällt, wenn man sich euer neues Album „Desperate Ground“ anhört: Du singst über Kriege und Kämpfe bis zum bitteren Ende. Wer befindet sich da im Krieg mit wem?

Es geht nicht um einen bestimmten Krieg. Es geht generell um Leidenschaft und um den Willen zu töten.

Hast du selber den Drang zu töten?

Ja, manchmal schon.

Wen zum Beispiel, George Bush, euer langjähriges Feindbild?

Haha! Ja, durchaus, auch wenn er nicht mehr Präsident ist. Aber um auf das Thema Krieg zurückzukommen: Es gab in der Geschichte der Menschheit nie eine Zeit, in der nicht irgendwo Krieg herrschte. Gewalt wird sich niemals ganz vermeiden lassen. Wir sind immer von Gewalt umgeben. All das gehört leider zum Menschen dazu. Die USA sind immer irgendwo in kriegerische Handlungen involviert

Auf den vorigen Alben habt ihr sehr direkt politisch geklungen und habt Dinge, die euch missfallen, konkret angesprochen. Auf „Desperate Ground“ geht es, wie du sagst, um Krieg allgemein. Habt ihr keine direkten Feindbilder mehr?

Natürlich gibt es Sachen, die man kritisieren muss. Aber egal, ob du unsere gegen Bush gerichteten Songs nimmst oder Punk-Songs aus den Achtzigern, in denen es gegen Thatcher und Reagan ging: Irgendwann sind die nicht mehr aktuell. Außerdem begannen die Leute nach „Fuckin’ A“ und „The Body, The Blood, The Machine“ zu sagen, wir seien eine politische Band. Wir wollten aber nicht Gefahr laufen, in diese Schublade gesteckt zu werden und darin eingesperrt zu bleiben. Deshalb sind viele Texte auf „Desperate Ground“ vielleicht eher vage und metaphorisch formuliert. Es geht eben nicht darum, den Leuten mitzuteilen, was gerade wo genau abgeht. Es geht darum, ihnen ganz allgemein zu zeigen, dass etwas schief läuft.

„Desperate Ground“ klingt musikalisch wieder rauher und krachiger als eure letzten Alben. Euer Label schreibt dazu: „THE THERMALS haben zur alten Stärke zurückgefunden.“ Denkst du, ihr seid zwischenzeitlich je weg gewesen von dieser Stärke?

Nein. Es ging damals – nach „The Body, The Blood, The Machine“ – nur darum, dass wir mal etwas anderes machen, etwas Neues ausprobieren wollten. Etwas, das etwas ruhiger ist. Aber das sollte nur vorübergehend sein, keine völlige Neuausrichtung. Das war von vornherein klar. Denn wir wissen seit jeher, wann wir am besten sind: Wenn wir laut und wütend spielen. Es gibt viele Bands, die mit dem Alter ruhiger werden und sich stark verändern. So wollen wir nicht enden.

Aber haben bei der Rückkehr zu Wut und Lautstärke nicht vielleicht auch die kritischen Kommentare einiger eurer Fans nachgeholfen?

Wir wissen zwar genau, was unsere Fans von uns wollen. Aber: Nein. Das war die Entscheidung der Band. Wir haben uns zusammengesetzt und gesagt: Los, machen wir eine Punkrock-Platte! Was aber auf keinen Fall heißen soll, dass wir unsere Fans nicht lieben und respektieren. Im Gegenteil: THE THERMALS sind die Art Band, der es darum geht, Platten für die Fans aufzunehmen, nicht fürs eigene Ego oder um größer und berühmter zu werden.

Ihr seid seit kurzem bei Saddle Creek. Hat der Wechsel von Sub Pop irgendwelche Auswirkungen auf „Desperate Ground“ gehabt?

Nein, denn das Album war bereits fertig, als wir zu Saddle Creek gewechselt sind. Aber dieses Label ist natürlich toll, denn wir kennen die anderen Bands dort mitunter schon seit vielen, vielen Jahren.

THE THERMALS existieren seit 2002 – damit geht ihr bereits in euer zweites Jahrzehnt. Hat sich in dieser Zeit der Prozess des Songwritings verändert?

Sehr sogar. „The Body, The Blood, The Machine“ war ein echter Sprung nach vorne, ein Wendepunkt für uns. Natürlich waren auch unsere ersten Alben davor toll. Aber da sind wir rückblickend doch noch etwas unbedarft rangegangen. Da war alles nur schnell und rasend, überhaupt nicht differenziert. „Desperate Ground“ mag zwar ähnlich klingen, aber das ist nur der erste Eindruck. Ich höre der Platte das reifere, planvollere Songwriting an. Ich denke, wir haben uns gehörig weiterentwickelt.

Wie schreibt ihr eure Songs?

Wir probieren gemeinsam musikalische Ideen aus, die ich dann mit nach Hause nehme. Und dort schreibe ich dann die dazugehörigen Texte. Übrigens: nur zu Hause. Woanders kann ich nicht schreiben. Ich muss mich richtig konzentrieren und sitze lange daran. Hinterher arbeiten wir dann wieder gemeinsam an den Stücken. Letztlich führt all das dazu, dass es von vielen unserer Lieder mehrere Versionen gibt. Sie klingen am Ende der Aufnahmen ganz anders als zu Beginn.

Zwischen „Personal Life“ und „Desperate Ground“ lagen mehr als drei Jahre. Davor habt ihr Platten in einem Ein- oder Zwei-Jahres-Rhythmus veröffentlicht. Warum habt ihr so lange für dieses Album gebraucht?

Wir waren zum einen lange und ausgiebig auf Tour. Und dann wollten wir einfach nichts überstürzen. Das wäre falsch gewesen. Schließlich müssen wir für den Rest unseres Lebens mit dieser Platte leben. Da darf man sich keinen Fehler erlauben.

Das Ergebnis schrubbt ihr letztlich in knapp 27 Minuten runter. Das ist nicht wirklich lang, aber typisch für euch. Wird es irgendwann ein Thermals-Album jenseits der Dreißig-Minuten geben?

Nein, ich denke nicht. Ich hasse nämlich Platten, die man eine Zeit lang hört und genießt, die aber zum Schluss hin immer mehr ausfransen und langweilig werden. Platten sollten nicht aufgenommen werden, um Zeit rumzukriegen und auszufüllen. Und: Man sollte nicht Song an Song reihen, nur um ein langes Album zu bekommen.

Angeblich habt ihr „Desperate Ground“ zu der Zeit aufgenommen, als Hurricane „Sandy“ durch die Stadt fegte.

Ja. Und das ist keine Übertreibung. Wir waren im Studio, als er auf die Küste zukam und mussten alles verrammeln. So etwas kennen wir bei uns in Portland gar nicht. Und dann haben wir dazu auch noch Songs wie „The howl of the winds“ aufgenommen. Das war schon seltsam. Aber viel mehr noch war das eine echt traurige Angelegenheit. Denn als wir in den Tagen nach dem Hurricane durch die Straßen rund ums Studio gingen, war alles zerstört. Überall waren Dreck und Schmutz und Trümmer. Da liefen Menschen mit all ihrem Hab und Gut herum, weil sie ihr Haus verloren hatten. Das war unheimlich und berührend.

Letzte Frage, Hutch: Eure Songs zeichnen sich seit jeher durch eine recht junge, beinahe jugendliche Wut und Attitüde aus. Wie werden die THERMALS in zwanzig Jahren klingen?

Ich weiß es zwar nicht, aber ich bin doch recht zuversichtlich, dass wir diese jugendliche Energie, wenn wir sie jetzt als Erwachsene noch haben, auch in zwanzig Jahren noch haben und fühlen werden. Wir haben nicht vor, dick und faul und gesetzt zu werden.