TAUSEND AUGEN

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Major Tom auf Dope

TAUSEND AUGEN verknüpfen den repetitiven Sound von Krautrock-Bands wie NEU! oder CAN mit den spröden Texten der Neuen Deutschen Welle. Das Trio aus Saarbrücken kombiniert elektronische Musik, spacige Psychedelic-Klänge, Garagenrock und Noise. Verwendet haben sie dabei jede Menge angestaubtes Equipment: Vintage-Orgeln, analoge Synthesizer oder Tonbandmaschinen. Erlaubt ist, was gefällt. Das Ergebnis heißt „Westend“ und klingt wie aus einem Perry Rhodan-Film. Alexander Schimetzky (dr), Max Ludwig (bs) und Oliver Becker (syn, gt) erzählen, wie es dazu gekommen ist.

Eure Musik ist wirklich eine ungewöhnliche Kombination. Wie ist die entstanden?

Max: Dass es so eine bunte Mischung ist, hängt vielleicht damit zusammen, dass wir seit vielen Jahren Schallplatten kaufen und jeder von uns eine relativ große Sammlung hat. Unser Schlagzeuger Alex hat mir zum Beispiel schon Mitte der Neunziger Platten von CAN auf Kassette überspielt. Die Originalscheiben hat man vor zwanzig Jahren noch für wenig Geld auf dem Flohmarkt bekommen. Deshalb ist diese Band für uns schon lange eine Inspiration. Alex ist vor drei Jahren bei uns eingestiegen und da war diese Krautrock-Mucke ein gemeinsamer Anknüpfungspunkt.

Vor TAUSEND AUGEN wart ihr ja schon in diversen anderen Bands unterwegs. Was habt ihr vorher gemacht?
Max: Unsere erste gemeinsame Aktivität war eine IRON MAIDEN-Coverband. Damals waren noch zwei andere Jungs dabei. Wir haben ausschließlich Songs von den ersten beiden Platten gespielt. Also „Iron Maiden“ und „Killers“. Das war eigentlich ziemlich absurd, weil wir gar keine waschechten Metal-Typen sind. 2004 haben wir sogar eine Englandtour gespielt. Da haben wir in typischen Metal-Schuppen vor entsprechendem Publikum gespielt und die sind total ausgeflippt. Obwohl wir vom Outfit her eher aussahen wie DIE KASSIERER. Ein Freund hat mir dann erzählt, dass es bei der BBC eine Umfrage gegeben hätte, wer die beste IRON MAIDEN-Tribute-Band sei und da wurden wir genannt, obwohl wir mit der New Wave of British Heavy Metal nichts am Hut haben. Diese Gruppe hatten wir eigentlich nur aus Scheiß gegründet. Deshalb haben wir sie auch DIE VÖGEL genannt. Das war die erste Band, in der wir drei zusammengespielt haben. In Deutschland hatten wir sogar noch eine kurze Tour mit HANNS-MARTIN SLAYER. Die waren wie wir, eigentlich Punks, die saugut Metal spielen konnten. Olli und ich hatten zeitgleich noch eine andere Band, aus der TAUSEND AUGEN dann entstanden sind. Eine Rockband, mit der wir es kaum aus dem Proberaum oder aus Saarbrücken herausgeschafft haben.

Als TAUSEND AUGEN gibt es euch schon seit drei Jahren, aber erst jetzt kommt euer Debütalbum raus. Habt ihr so lange an den Songs gefeilt?
Max: Die Songs sind schon eine ganze Weile fertig, teilweise sind sie wirklich drei Jahre alt. Eigentlich wollten wir die Platte auch schon viel früher einspielen, aber es war lange schwierig, einen Studiotermin zu finden. Dann hatten wir für Anfang Mai einen Termin gebucht, der wäre aber in England gewesen. Das hat nun aus bekannten Gründen nicht funktioniert und letztendlich haben wir uns dann selbst aufgenommen.

Die Platte heißt ja „Westend“. Welches Westend ist damit gemeint?
Olli: Das ist natürlich ein gern verwendeter Begriff. Das ist aber kein Kommentar zu einem Stadtteil in Berlin oder Frankfurt. Das Ende der Stadt oder das Ende des Westens. Das wollen wir bewusst offen lassen. Das Wort hat mich einfach angesprochen, weil es viele mögliche Bedeutungen hat.

Und der Bandname TAUSEND AUGEN? Hängt der mit dem gleichnamigen New Wave-Thriller aus den Achtzigern mit Barbara Rudnik und Armin Mueller-Stahl zusammen?
Max: Der Film hat uns nicht dazu gebracht, die Band so zu nennen. Wobei der Film echt gut ist. Es hat auch nichts mit dem Song „Tausend Augen“ von MÜNCHNER FREIHEIT zu tun, das wurden wir auch schon gefragt. Irgendwann stand mal der Filmtitel „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ im Raum, aber der ist natürlich viel zu lang. Deshalb haben wir die kurze Variante gewählt. Entscheidend ist, dass uns der Name nicht auf ein Genre festlegt.

Euer Proberaum und damit euer Studio befindet sich ja in einem ehemaligen Luftschutzbunker. Wie sind die Bedingungen dort?
Max: In Saarbrücken gibt es einen Verein, der Proberäume vermietet. Über diesen Verein sind wir mit sieben oder acht anderen Bands in diesem Luftschutzbunker gelandet. Der ganze Komplex ist 15 Meter tief unter der Erde. Dort sind wir schon relativ lange, deshalb haben wir den Raum ziemlich aufwändig umgebaut. So konnten wir die Platte dort eben auch einspielen. Ich selbst nehme schon seit fast zwanzig Jahren andere Bands auf und habe das ganze Equipment also sowieso.

Ihr habt für euren Sound auch jede Menge angestaubte Instrumente verwendet. Warum bevorzugt ihr alt statt neu?
Olli: An diesen alten Geräten fasziniert mich das Chaotische. Ich liebe Synthesizer, bei denen man keinen Sound abspeichern kann, sondern alles per Hand einstellen muss. Außerdem das Unmittelbare, das man eben die Songs direkt verändern kann, ohne sich im Computer durch Menüs zu klicken. Und es klingt einfach besser. Viele dieser Instrumente haben sich über die Jahre einfach angesammelt, ohne dass wir viel Geld dafür bezahlt hätten. Ich habe als Keyboarder angefangen und bin irgendwann auf Gitarre umgestiegen, weil es lange schwierig war, in einer Band einen Synthesizer unterzubringen. Ich selbst habe nie irgendwelche neuen Sachen besessen. Ich spiele schon immer auf diesem alten Krempel.

Wie macht ihr das live? Ihr seid doch nur zu dritt? Reichen dreißig Finger für so viele Tasten, Saiten und Trommeln?
Olli: Also manchmal ist das schon ein Stunt für mich, weil ich Gitarren und Synthesizer gleichzeitig bedienen muss. Die beiden anderen Jungs spielen Bass und Schlagzeug. Deshalb reduziere ich das, was ich auf den Instrumenten spiele, auf das Notwendigste. Aber das hilft auch der Musik, weil sie dadurch schön schlank bleibt.

Worum geht es in euren Texten? Songtitel wie „Silberne Maschinen“ oder „Geisterstadt“ könnten auch von KRAFTWERK sein.
Olli: KRAFTWERK hatten schon Einfluss auf unsere Musik und unsere Texte. Vor allem die Einfachheit der Texte finden wir genial. Ich bin kein Fan von Betroffenheitslyrik, die in deutschen Texten weit verbreitet ist. Ich will auch mit den Songs keine Geschichten erzählen. Ich mag eher reduzierte, sloganartige Texte. Ich will also schon Aussagen in die Stücke packen, aber eben ohne eine Geschichte zu erzählen. Deshalb verwende ich zum Beispiel auch nicht die erste Person Singular.

Welche Rolle hat der Mannheimer Produzent Christian Betghe, den man etwa von MESSER kennt, bei eurem Debütalbum gespielt?
Max: Christian Bethge habe ich über meine Tätigkeit als Tontechniker kennen gelernt. Außerdem haben wir schon Konzerte mit HEIM gespielt, deren Alben er aufgenommen hat. Irgendwann habe ich ihn gefragt, ob er unsere Platte mastern kann. Er hat sofort zugesagt und war gleich ziemlicher Fan. Deshalb hat er die Platte an Chris Weinrich von This Charming Man Records geschickt und so sind wir zu unserem Plattendeal gekommen. Christian Bethge hat schließlich eine Art Managerrolle für uns übernommen. Er ist echt ein cooler Typ, der nicht von, sondern für die Musik lebt.

Und wovon lebt ihr so? TAUSEND AUGEN wird als Einkommen vermutlich nicht reichen.
Alex: Ich bin Tischlermeister und wollte auch nie Profimusiker werden, weil ich finde, da muss ich immer irgendwelche Kompromisse eingehen. Mit dem, was einem das Herz bewegt, kann man meistens nicht seinen Kühlschrank füllen.
Max: Olli und ich sind beide Gymnasiallehrer für Englisch, Deutsch und Sport, und das bringt natürlich viele Freiheiten mit sich. Unter anderem, dass wir finanziell unabhängig von der Musik sind. Wir können also theoretisch auch Musik machen, die keinen Menschen interessiert, und trotzdem als Band existieren. Wir sind froh darüber, dass wir nicht gezwungen sind, mit unserer Musik kommerziell erfolgreich sein zu müssen.

Wie sieht euer Plan für die nächsten Monate aus?
Max: Schwer zu sagen. Die Kollegen von MESSER haben zum Beispiel ein Konzert in Kaiserslautern in einer Halle für 1.000 Menschen gespielt. 130 Besucher auf Stühlen waren zugelassen. Das sehe ich bei uns nicht. Für eine Promo-Tour müssten wir richtig große Hallen buchen, das können wir uns nicht leisten. Außerdem ist es schwer, als Newcomer Termine zu bekommen, weil das, was möglich ist, schon von den etablierten Bands abgegriffen wurde. Abgesehen davon haben wir zwei Videos gemacht und versuchen, unser Album über die sozialen Medien zu promoten.