SWAIN

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Echt oder schlecht

Mit ihrem 2016er Debüt als SWAIN, „The Long Dark Blue“, haben die Niederländer, die vorher als Hardcore-Band THIS ROUTINE IS HELL unterwegs waren, bei mir ordentlich Eindruck hinterlassen. Ihre wilde Mischung aus Hardcore und Grunge kam bei mir extrem gut an. Jetzt ist mit „Negative Space“ der Nachfolger raus und der ist wesentlich ruhiger, dafür aber auch durchdachter und erwachsener ausgefallen. Sänger Noam Cohen erzählt vom Konzept des neuen Albums, von der persönlichen Veränderung, die eine Band mit sich bringt, und wie es kam, dass Rapper Casper auch in einem Song zu hören ist.

Noam, wie viel von dir steckt in „Negative Space“?


Natürlich eine Menge. Bei SWAIN geht es stets darum, möglichst viel Persönliches in der Musik zu verarbeiten. Wir begreifen nicht, dass es Musik gibt, bei der es nicht so ist. Wenn es nicht echt ist, ist es schlecht.

Wenn ich mir den Titelsong „Negative space“ anhöre, bekomme ich den Eindruck, dass dieser Ort gar nicht so negativ ist.

Also, der Opener ist schon wesentlich negativer als die anderen Songs und das mit voller Absicht. Wenn du dir die Texte anschaust und auf die akustische Entwicklung über das Album hinweg achtest, wirst du merken, dass die Stimmung immer hoffnungsvoller wird. Das Album gibt gewissermaßen eine Transformation von Selbsthass zu Selbstliebe wieder.

Hat euch das Schreiben der Songs dabei geholfen, mehr über euch selbst zu erfahren?

Wir glauben nicht unbedingt, dass das Schreiben, das Aufnehmen oder die Musik selbst uns dabei helfen, über etwas hinwegzukommen oder etwas in uns selbst zu erforschen. Erst wenn das Album raus ist und sich neue Möglichkeiten für uns als Band, aber auch für uns als Individuen auftun, wird es interessant. Dann fängst du an, die Texte aus gesunder Distanz zu reflektieren. Und nur dann bist du fähig zu erkennen, was du eigentlich getan hast.

Liegt es am Thema, dass „Negative Space“ weniger krachig und dafür durchdachter wirkt als „The Long Dark Blue“?

Das werden wir wirklich oft gefragt und es ist total schwierig, diese Frage für Journalisten zufriedenstellend zu beantworten, haha. Der andere Sound hat nichts mit der Frage zu tun und wir haben ehrlicherweise auch nicht groß darüber nachgedacht. Wir wussten aber, dass wir ein neues Album machen würden. Boy und ich nahmen bereits Sachen in Eigenregie dafür auf und es klang auch schon, wie es auf jetzt „Negative Space“ klingt. Ein paar Songs basieren auf Material von unseren Soloprojekten und wir dachten, dass sie cool wären für SWAIN. Bei SWAIN passiert alles recht organisch. Wir lassen uns gerne beflügeln, wenn es um kreativen Output geht. Wenn jemand eine Idee vorschlägt, die nicht in unseren neuesten Song passt, ist das kein großes Ding. Es muss nur gut sein.

Was sind eure hauptsächlichen Einflüsse beim Songwriting? Ich schätze, es ist mehr als nur RADIOHEAD.

Ja, ich glaube tatsächlich, dass nur wenige Leute RADIOHEAD oder NIRVANA als Einflüsse bei uns sehen. Es gibt eine Menge anderer interessanter und teils älterer Bands, die uns inspirieren. Aber ist es schwierig, deren Einflüsse auf das Songwriting festzunageln, weil jeder in der Band so viele verschiedene Sachen hört. Und das ist wohl auch ein Grund dafür, warum dieses Album so viele Ebenen und so eine große Vielfalt besitzt. Weit mehr, als du es von einer gewöhnlichen Alternative-Rock-Platte erwarten würdest.

Bei „Skin on skin“ ist Casper als Hintergrundsänger dabei. Wie kam es dazu?

Wir kannten ihn bereits, weil er unser erstes Album mochte und uns damals fragte, ob wir bei seinem „Zurück Zuhause“-Festival spielen wollten. Wir schickten ihm einfach eine Mail und fragten, ob er Zeit hätte, um bei dem Song mitzusingen.

Ihr lebt in Berlin. Glaubst du, dass „Negative Space“ ein anderes Album geworden wäre, wenn ihr an einem weniger überwältigendem Ort wohnen würdet?

Keiner von uns würde Berlin, glaube ich, als überwältigend bezeichnen. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob es so einfach ist zu sagen, dass eine Stadt uns als Musiker beeinflusst. In vielerlei Hinsicht ist Berlin nicht der Ort für Alternative Rock, sondern eher was für DJs, haha. Wir haben bisher wenige gleichgesinnte Musiker getroffen und gehören auch nicht irgendeiner Szene an. Es gibt also wenig Austausch und wir sind recht isoliert in dieser Hinsicht. Wie auch immer, ob eine Stadt in einem derartigen Maße unser Leben und auch unser Album beeinflusst, halten wir nicht für bedeutsam. Wäre das Album anders geworden, wenn wir in Köln leben würden? Ich weiß es nicht.

In einer Band zu spielen bedeutet, viel zu reisen, mit Leuten abhängen und auf Shows mit Fremden sprechen. Wie sehr beeinflusst euch dieser Lifestyle?

Wir haben diese Band immer als Möglichkeit gesehen, um für uns, als die Menschen, die wir sind, eine geeignete Welt aufzubauen. Die Welt dort draußen kann sehr unverträglich sein für Leute, die einen weniger traditionellen Lebensweg wählen. Mit jedem Album spielen wir mehr Shows, treffen mehr gleichgesinnte Leute und erweitern so unsere Grenzen in dieser „Welt-in-einer-Welt“, die wir für uns und die, die daran teilhaben wollen, versuchen zu erschaffen. Natürlich hat uns das auch als Menschen beeinflusst. Die meisten von uns haben grauenhafte Karriereentscheidungen getroffen, nur um das Touren möglich zu machen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass viele unserer Identitäten tief verwoben sind mit der Idee, ein Teil von SWAIN zu sein.