Das zweite Album ist sicher für viele Künstler ein guter Grund zur Panik. Wir lernen eine reflektierte Bonnie Fraser kennen, die auch ihre Ängste diesbezüglich äußert. Gleichzeitig scheint die Sängerin und Gitarristin aus Sydney, es aber nicht abwarten zu können, mit Witz und Gelassenheit jede Herausforderung anzunehmen. In ihrem alltäglichen Leben versteckt sie sich vor nichts, wieso sollte sie es dann musikalisch?
In „Silk & satin“, das zu Beginn fast mit einem LoFi-Vibe daherkommt und dann sogar in Trap eintaucht, sehe ich definitiv einen Standout-Track der Platte. Wie sind diese neuen Einflüsse zustande gekommen und hattet ihr hinsichtlich der zuweilen heftigen Gegenreaktionen auf die neue Instrumentierung Bedenken, den Song mit auf das Album zu nehmen?
Alle neuen Sounds, mit denen wir experimentieren, spiegeln einfach die Art von Musik wider, die wir auch selbst konsumieren. Bei einer Band kommt da Musik aus allen möglichen Ecken zusammen. „Silk & satin“ war vor zwei Jahren ursprünglich als Full-Band-Rocknummer entstanden. Als wir wieder auf den Song zurückkamen, reduzierten wir ihn erheblich, um daraus etwas für uns sehr Unübliches zu kreieren. Wir lieben es, die Erwartungen der Hörer zu brechen, und wollen am liebsten bezüglich unserer Stilrichtungen und Ideen immer unvorhersehbar bleiben. Wenn ein Song ohne jeglichen Schnickschnack stark genug ist, kann er in jeglichem Stil daherkommen und wird im Kern stets ein guter Song bleiben, was wir als Band immer im Hinterkopf behalten wollen. Um dies richtig zur Geltung zu bringen, finden wir es sehr wichtig, unserem Sound hier und da mal eine andere Richtung zu geben. Dabei Furcht zu haben vor möglichen negativen Reaktionen, ist sinnlos, Kritikpunkte werden die Leute so oder so finden. Aber abgesehen davon sollte mit diesem Album jeder auf seine Kosten kommen. Kurz gesagt, Leute, es ist okay, auch gerne was Neues zu mögen. Schaut, der Song ist trotzdem gut! Das sind immer noch wir! Alles wird gut! Entspannt euch, haha!
Jeder Song auf dem Album soll für einen anderen Elefanten im Raum stehen, also für eine Person oder ein Problem, denen du dich nach und nach stellst. Würdest du „Pink Elephant“ als Konzeptalbum beschreiben?
Bisher waren beide Alben einigermaßen konzeptuell beziehungsweise beschäftigen sich hauptsächlich mir einem Thema. Deswegen sagen Leute ja, Musik ist Kunst, haha! Obwohl ich mir noch nie vorgenommen habe, ein Album gänzlich einem Konzept widmen, suche ich mir definitiv gerne eine Richtung oder einen Leitfaden, an dem sich die Songs dann mittels Text oder Vibe entlang hangeln können. Eine Platte ein Ganzes zu gestalten, halte ich für wichtig, aber ein perfekt entwickeltes Konzept ist mit Sicherheit auch nicht der Weisheit letzter Schluss. „Pink Elephant“ ist wie wahrscheinlich auch jedes zukünftige Album eine Momentaufnahme eines bestimmten Punkts in meinem Leben. Jeder Song reflektiert die jeweiligen Diskussionen, die geführt werden mussten – sei es mit der Welt, einem anderen Menschen oder mir selbst. Schlüsselmoment dabei war die Erkenntnis, dass die schwierigsten Unterredungen zugleich die wichtigsten waren, da ich durch sie ich am meisten wachsen konnte.
Oft wird gesagt, die zweite Veröffentlichung eines Künstlers sei mit immensem Druck aufgeladen: Wird es das Debüt übertreffen? Wie anders darf es klingen? Hattet ihr euch dafür ein bestimmtes Ziel gesetzt? Und was ist der größte Unterschied zum Vorgänger „Skinny Dipping“?
Oh ja, hundertprozentig, das zweite Album ist verdammt furchterregend, haha! Besonders wenn du glücklicherweise ein einigermaßen erfolgreiches Debütalbum verbuchen kannst, dann willst du die Messlatte höher legen, ohne dabei die gesamte Aufmachung der Messlatte zu verändern. Unsere größten Bedenken waren definitiv, das Neuartige, Riskantere nicht gut genug kompensieren zu können, das heißt die bewährten Eigenschaften beizubehalten, zu erweitern, aber gleichzeitig zu beweisen, kein One-Trick-Pony zu sein. Bei „Skinny Dipping“ war es in der Hinsicht entspannter, insofern wir uns ganz klassisch einfach nur vorgenommen hatten, dass die EP größer und stärker sein wird. Ich habe keinen blassen Schimmer, wohin sich STAND ATLANTIC in Zukunft stilistisch noch bewegen. Eines ist mir und den Jungs aber sehr wichtig und daran muss ich mich immer wieder erinnern: Unsere Diskografie soll eine sein, die uns Türen öffnet und nicht eine, die uns in Schubladen einschließt.
© by Fuze - Ausgabe #73 Dezember/Januar 2018 und Christian Biehl
© by Fuze - Ausgabe #83 August/September 2020 und Jonas Unden
© by Fuze - Ausgabe #94 Juni/Juli 2022 und Isabel Ferreira de Castro
© by Fuze - Ausgabe #107 August/September 2024 und Isabel Ferreira de Castro
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