Die vier Mitglieder von THE SPITS geben offen zu: Sie haben kein Talent. Na und? Zwar gibt es eine ganze Reihe Bands mit viel weniger musikalischem Feingefühl und weitaus mehr Erfolg - mehr Spaß als die aus Seattle stammenden THE SPITS um die Brüder Sean und Erin haben sie aber lange nicht. Die wissen nämlich auch, wie man aus wenig ganz viel macht: Provozierende Cover auswählen, Kostüme nähen und den Killed By Death-Geist der ersten Punkrock-Stunde beschwören. Fertig ist der schnörkellose Drei-Akkorde-Virus, der einen gleich beim ersten Hören dauerhaft infiziert. Sei es wegen der musikalischen Eingängigkeit oder den in den Texten behandelten Lebensschwerpunkten, wie die liebevolle Beziehung zur TV-Fernbedienung, den abgrundtiefen Hass auf eine Verflossene oder eben die allseits beliebte Hexenverfolgung. Ganz ernst nimmt sich die Band dabei natürlich nicht. Aber wie viel Nihilismus kann man eigentlich vertragen, ohne dass dauerhaft Schäden zurückbleiben? Darüber gibt Sean Wood, Einfingervirtuose an der Gitarre, vor der Show im Hamburger Beat Club nach Bohnen und Reis Auskunft.
Wie ist es euch bisher ergangen?
Sehr gut, danke der Nachfrage. Manchmal nervt die lange Fahrerei von einem zum nächsten Land, aber dieses Mal hat selbst das Wetter mitgespielt, also wollen wir uns nicht beschweren. Das Booking hätte wie üblich besser sein können, aber ich will Pete Slovenly hier keinen Vorwurf machen. Er macht exzellente Arbeit, sonst wären wir ja jetzt nicht in Hamburg gelandet, wo wir heute Abend das erste Mal überhaupt spielen. Wir brauchen diesen Auftritt, denn die Mädchen auf der Reeperbahn sind ganz schön teuer.
Auf der letzten Tour lief aber nicht alles ganz so glatt ...
Letztes Mal war wirklich der Wurm drin. Mein Bruder und ich hatten Streit, was eben vorkommt, wenn Geschwister in einer Band spielen. Er war allerdings so in Rage, dass er mit voller Wucht mit der Faust gegen eine Wand schlug und sich so schwer verletzte, dass er nicht mehr Bass spielen konnte. Also übernahm der Keyboarder den Bass, während mein Bruder nur sang. Plötzlich hatten wir also eine ganz neue Band, was aber ganz gut klappte. Dann kamen wir nach Paris, dort hatte ich eine handfeste Auseinandersetzung mit dem Keyboarder, nach dessen Verlauf er entschied, nach Hause zu fahren. Wir hatten noch fünf Shows vor uns und entschieden uns daher für die harte Tour und klebten einfach mit Panzerband ein Plektrum an die kaputte Hand meines Bruders, damit er spielen kann. Auf diese Weise meisterten wir dann auch die letzten fünf Shows.
Interessant ... Und wie kam es zu dem Album, das extra für diese Tour erschienen ist?
Peter von P.Trash Records wollte schon immer was von uns auf seinem Label herausbringen. Wie dachten zunächst an eine Single, hatten aber lange Zeit nichts Neues mehr eingespielt und entschieden uns dann für ein Album, das auf der einen Seite Live-Tracks und auf der anderen Session-Aufnahmen enthält, die bei einem Radiosender eingespielt wurden. Wir saßen zwei Stunden zusammen und haben uns von unserem relativ großen Fundus an Live-Aufnahmen die Songs rausgesucht, die auf das Album sollten.
Auf dem Album sind auch drei Coversongs. Die Belgier THE KIDS und CRAP DETECTORS sind wahrscheinlich noch vielen ein Begriff, aber wer zum Teufel sind BLACK EASTER?
Das ist eine dieser in Vergessenheit geratenen Bands der Siebziger Jahre, die später auf einer der zahlreichen Killed By Death-Compilations wieder zu finden war. Nicht viele kennen diese Bands, die es auf meist nur auf eine oder zwei Singles brachten. Ich würde aber so weit gehen und sagen, dass diese Art von Bands einen gewissen Einfluss auf unseren Musikstil hatte. Unser musikalischer Grundgedanke war zunächst, so eigenständig wie möglich zu klingen, um damit einen unverwechselbaren Wiedererkennungswert zu haben. Erst später wurde uns bewusst, dass es bereits Jahre vor uns Bands gegeben hat, die vergleichbare Vorstellungen hatten. Eigentlich ist es sehr schade, dass diese Bands nie richtig die Chance hatten, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen.
Ich traue euch durchaus zu, dass ihr auch für das den Papst diffamierende Cover von Künstler Jose Menor verantwortlich seid, obwohl es nicht ganz eurem Stil entspricht.
Nein, das hat Peter ausgesucht und ich sage ganz ehrlich, dass ich es nicht für uns gewählt hätte. Versteh mich jetzt nicht falsch, es ist nicht so, dass ich es abgrundtief schlecht finde. Aber ein gezeichnetes Cover, auf dem der Betrachter explizit zum Anspucken von Papst Benedikt aufgerufen wird, entspricht einfach nicht dem Stil der anderen SPITS-Releases. Das soll jetzt, wie gesagt, kein Vorwurf sein. Wir waren selber zu faul, uns dieses Mal um das Artwork zu kümmern und ließen dem Label freie Hand. Deshalb ist es auch okay, wie es ist. Ich befürchte aber, dass die italienischen Grenzbeamten das ein wenig anders sehen werden.
Alle eure Cover sind ziemlich verstörend und krank. Wie kommt man zum Beispiel auf die Idee, einen Behinderten mit schief sitzender Brille in einem Rollstuhl auf einem Albumcover zu zeigen?
Es gibt da dieses uralte Buch eines Erfinders, in dem er seine technischen Visionen zusammengetragen hat. Als wir das Buch zum ersten Mal sahen, beschlossen wir, dass alle unsere Cover aus diesem Buch kommen sollten. Die Bilder sind voll mit Robotern und Maschinen, die aus der heutigen Sicht betrachtet lächerlich oder wie du schon sagtest, verstörend wirken. Aber Bilder, die der Betrachter nicht versteht, regen ihn zum Denken an. Oder natürlich zum Hassen, wenn er fälschlicherweise meint, wir würden uns über Behinderte lustig machen wollen. Der Typ auf dem Cover ist nämlich der Erfinder selber, der sich, in einem von ihm erfunden elektrischen Rollstuhl sitzend, hat fotografieren lassen.
Ihr habt drei Alben herausgebracht, die alle keinen Titel haben. Warum?
Wir wollten einfach den gegebenen Konventionen widersprechen. Wir sind ja nicht die erste Band, die das gemacht hat. Bei WEEZER redet man von dem blauen, grünen oder gelben Album. Bei uns eben unter anderem von dem "Rollstuhl-Album", also haben die Platten doch alle irgendwie einen Titel, nur ist der von den Leuten selber gekommen und nicht von uns. Ich mag so was.
Typisch für THE SPITS sind auch die immer wechselnden Kostüme auf der Bühne. Wie viele habt ihr für diese Tour dabei?
Da die Tour sehr kurz ist, nur zwei: Das Denim-Outfit und das Ronald McDonald-Kostüm. Wir haben aber noch mehr auf Lager, wie zum Beispiel Klopapiermumien oder palästinensische Widerstandskämpfer. Meistens entscheidet mein Bruder darüber, welches Kostüm wir am Abend anziehen. Einige gehen mit der Zeit kaputt, so dass in so einem Fall nicht viele Alternativen bleiben. Für mich ist die Verbindung zwischen Musik und dem Verkleiden sehr wichtig, es entspricht eben unserem Image. Die Leute fragen sich vor einer Show, was wir wohl wieder anhaben werden, was das Ganze für sie interessanter macht. Der zweite wichtige Faktor neben der Musik ist eben das Entertainment.
Punk soll also in erster Linie unterhalten?
Wir wollen Spaß haben und den Kids den Rock'n'Roll-Gospel verkünden, mehr nicht. In England hatte ich letztens so ein Hochglanzmagazin in den Händen. Die Bands darin sahen alle aus wie aus dem Friseursalon, dazu noch diese ganzen Tätowierungen. Was soll das? Ihr großer Meister scheint derzeit dieser drogenabhängige Nichtsnutz zu sein, dem alle beim Sterben zusehen, wie heißt der noch gleich ... Pete Doherty! Mann, dem würde ich gerne mal so richtig den Arsch versohlen.
Wie hast du den Weg zum Punkrock gefunden?
Bei uns hörten damals alle Metal und so habe auch ich habe den Umweg über Heavy Metal nehmen müssen. Wir hörten damals die ganzen Bands, die auch heute noch Klassiker sind und auf die ich bis heute nichts kommen lasse. Sachen wie SCORPIONS oder BLACK SABBATH. Irgendwann kamen dann Bands wie POISON zum Vorschein und es war Zeit, sich etwas anderes zu suchen, was laut und rauh war und so kam ich zu Punk und Skateboardfahren, was immer noch unsere Leidenschaft ist. Inzwischen haben wir sogar ein paar Songs für das ein oder andere Skateboardvideo beisteuern dürfen. Außerdem finde ich immer noch, dass das Skateboard an sich eine äußerst handliche Waffe gegen Cops darstellt.
Wie geht es weiter bei euch?
Pete Slovenly hatte mal die Idee, eine Compilation mit den Songs der ausverkauften Singles herauszubringen, aber ist eben ein fauler Sack, so dass es wohl noch etwas dauern wird. Ich würde demnächst gerne mal wieder eine Single aufnehmen und später vielleicht auch ein Album. Zu Hause in Seattle haben wir alle ganz normale Jobs fernab der Musik. Das ist wahrscheinlich auch ganz gut so, denn zunächst müssen wir diese Tour ja hier auch erst einmal beenden. Nach ein paar Wochen gemeinsam auf Tour ist wahrscheinlich jede Band soweit, alles hinschmeißen zu wollen. Man kann diese Typen und deren Nähe einfach nicht mehr ertragen. Nach spätestens vier Wochen rauft man sich dann wieder zusammen und merkt, dass man ohne die anderen Spinner eben doch nicht auskommt.
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